Hallo,
hatten wir nicht alle – je nach politischer Ausrichtung – gehofft oder befürchtet, Europa zerbräche am Brexit, so sieht es jetzt eher so aus, als zerfiele das (noch) Vereinigte Königreich.
May hatte gestern nicht nur 55 Milliarden Euro angeboten, sondern auch eine Irland-Lösung: „Nordirland würde einen Sonderstatus erhalten und sich weiter an die Regeln und Standards der EU halten. Im Kern heißt das so viel, dass es eine harte Grenze geben wird, aber sie verliefe in Zukunft zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens. Diese Konzession Mays löste umgehende Proteste der nordirischen Partei DUP aus. Diese Partei stützt mit ihren zehn Abgeordneten die Regierung Mays. Entzieht die DUP May ihre Unterstützung, würde das May in eine schwere Regierungskrise stürzen. Sie brach die Verhandlungen in Brüssel ab.“
Inzwischen waren aber im Land längst Begehrlichkeiten geweckt: „Die schottische Premierministerin, Nicola Sturgeon, sagte, was für Nordirland gelte, das könne man anderen nicht verwehren. Und der Bürgermeister von London, Sadigh Khan, twitterte: ‚Sollte Theresa May zugestanden haben, dass es für einen Teil des Vereinigten Königreiches möglich ist, im Binnenmarkt und der Zollunion zu bleiben, hat das für London gewaltige Auswirkungen. Die Londoner haben mit großer Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt. Ein ähnlicher Deal könnte Zehntausende Jobs retten!‘"
Hier noch einmal einige Dimensionen des Brexit (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
60 Milliarden Schulden bei der EU
17.105 EU-Verordnungen müssen in britisches Recht umgewandelt werden
43 Freihandelsabkommen müssen neu verhandelt werden
13.608 Sorten Brot, Kekse und Süßigkeiten könnten bezollt werden (Beispiel)
Kann sich Großbritannien mit der Europäischen Union nicht auf ein neues Freihandelsabkommen einigen, gelten die Regeln der Welthandelsorganisation. Die Folge: Für jede einzelne Produktkategorie müssten Zölle erhoben werden. Ein Beispiel: Allein für Brot, Kekse und Süßigkeiten gibt es nach Angaben des britischen Industrieverbandes CBI 13.608 unterschiedliche Kategorien. Jedes Produkt muss eingestuft und mit entsprechendem Zoll belegt werden. Auf Schokolade wird ein Zoll von 38 Prozent erhoben, auf Lachs 13 Prozent, auf die Bremsen in der Automobilbranche vier Prozent. Whisky wäre dagegen zollfrei.
5.500 Finanzunternehmen sind auf das EU-Passporting angewiesen
Kein Finanzgeschäft in der EU ohne Passporting.
Angesichts der bisher von der britischen Regierung an den Tag gelegten Professionalität in der Verhandlungsführung schüttelt es mich. Vor Lachen.
Gruß, Hans-Jürgen Schneider