Hatte Nietzsche Moral?

Hallo Zusammen,

Ich hab noch sehr wenig von Nietzsche gelesen , deswegen ist er für mich absolutes Neuland. Bisher hab ich nur den Wikpedia Artikel überflogen . Mit Schopenhauer hab ich mich dagegen schon etwas intensiver auseinandergesetzt.
Meine Frage lautet. Hatte Nietsche auch eigene Moralvorstellungen oder hat er nur alles kritisiert ?
Was ist nach Nietzsche dann die Lösung für die vermeidlichen Schwachen , Ohnmächtigen , kranken etc…?
Danke

Natürlich hatte Nietzsche, dessen Programm ja gerade die Kritik des Nihilismus ist (und der die „Sklavenmoral“ gerade deshalb kritisiert hat, weil sie in Nihilismus münden würde), eminent eigene Moralvorstellungen.
Eine Darstellung in Stichwortsätzen - mit einem abschließenden Nietzsche-Zitat in der Hoffnung, dass sich Stichpunkte und Zitat gegenseitig verstehbarer machen.

  • „Jenseits von Gut und Böse“ ist nicht „jenseits von gut und schlecht“, damit nicht „jenseits der Moral“
  • „böse“ ungleich „schlecht“
  • was das „gut“ ist, hängt daher von seinem Gegenbegriff ab
  • die „vornehme Moral“ ist ein großes Ja, sie ist spontan und aus sich selbst heraus entstanden und in sich selbst begründet
  • die Sklavenmoral ist ein großes Nein, sie ist reaktiv, die Re-Aktion auf das Bestehende in der Moral
  • das konsequente Nein mündet ins Nichts, daher ist die Sklavenmoral in seinem Wesen Nihilismus
  • die „vornehme Moral“ sagt Ja zu sich selbst, ist also auf sich selbst bezogen, die „Sklavenmoral“ dagegen sagt Nein zum Anderen, ist also auf den anderen bezogen
  • damit ist die Sklavenmoral im Kern Ressentiment und Hass, während die „vornehme Moral“ Selbsterhöhung ist, eine Form der Liebe („Amor fati“ usw.)
  • die „vornehme Moral“ will schaffen, und zerstören, um zu schaffen, die „Sklavenmoral“ dagegen will zerstören, und schaffen, um zu zerstören.
  • Es geht Nietzsche nicht vorrangig um die einzelnen Wertvorstellungen Liebe, Freundschaft, Solidarität, Treue usw., sondern um den Wert-der-Werte, d.h. die Art und Weise, wie dieses Werte auftreten.
  • Keinesfalls will Nietzsche also einfach nur „Werte vernichten“ (auch wenn manche Werte wie v.a. das „Mitleid“, du denkst hier bestimmt gleich an Schopenhauer, sehr eng an die „Sklavenmoral“ gebunden sind, und in einer ja-sagenden, aktiven, selbsterhöhenden Moral keinen Platz finden können.
  • Nietzsche ist klar, dass diese Schematisierung komplex ist. Er erkennt sehr wohl, wie auch die Sklavenmoral stellenweise hochgradig „vornehm“ geworden ist: aktiv, schaffend, ja-sagend, selbsterhöhend. Genauso hätte er völlig klar erkannt, wie hochgradig „sklavenhaft“ z.B. der europäische Faschismus, der sich ach so „vornehm“ dünkte und sich auf Nietzsche berief, war.
  • der „Vornehme“ ist einsam, der „Sklave“ ist ein Herdentier (-> Faschismus, Kommunismus)
  • der „Vornehme“ ist ein Mensch der Tat. Er schlägt seinem Feind ins Gesicht, und damit hat es sich erledigt. Der „Sklave“ dagegen ist tatgehemmt, dafür vergiftet er lebenslang seine eigenes Herz und das seiner Mitmenschen. Er verzeiht seinem Feinde nie.

Eine Passage aus der für mich schönsten Schrift Nietzschens (Genealogie der Moral, Erste Abhandlung):

Wieviel Ehrfurcht vor seinen Feinden hat schon ein vornehmer Mensch! – und eine solche Ehrfurcht ist schon eine Brücke zur Liebe… Er verlangt ja seinen Feind für sich, als seine Auszeichnung, er hält ja keinen andren Feind aus, als einen solchen, an dem nichts zu verachten und sehr viel zu ehren ist! Dagegen stelle man sich »den Feind« vor, wie ihn der Mensch des Ressentiment konzipiert – und hier gerade ist seine Tat, seine Schöpfung: er hat »den bösen Feind« konzipiert, » den Bösen «, und zwar als Grundbegriff, von dem aus er sich als Nachbild und Gegenstück nun auch noch einen »Guten« ausdenkt – sich selbst!.. Gerade umgekehrt also wie bei dem Vornehmen, der den Grundbegriff »gut« voraus und spontan, nämlich von sich aus konzipiert und von da aus erst eine Vorstellung von »schlecht« sich schafft! Dies »schlecht« vornehmen Ursprungs und jenes »böse« aus dem Braukessel des ungesättigten Hasses – das erste eine Nachschöpfung, ein Nebenher, eine Komplementärfarbe, das zweite dagegen das Original, der Anfang, die eigentliche Tat in der Konzeption einer Sklaven-Moral – wie verschieden stehn die beiden scheinbar demselben Begriff »gut« entgegengestellten Worte »schlecht« und »böse« da! Aber es ist nicht derselbe Begriff »gut«

Gruß
F.

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Nietzsches „Lösung“, nach der du fragst, ist für die große Mehrheit aller Menschen nicht zu verstehen. Deshalb seine Prognose, dass er seiner Zeit weit voraus sei und erst in 200 Jahren von einigen Wenigen begreifbar ist. Auf YouTube gibt es ein Video, in dem führt die promovierte Schweizer Philosophin Barbara Bleisch mit Volker Gerhardt über Nietzsche ein Gespräch, worin Gerhardt die Wirkung von Nietzsche versucht anhand von historischen Tatsachen zu erklären („Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit“). Die „Lösung“ ist vielleicht weniger gut von Volker Gerhardt über Nietzsche beschrieben (Gehardt gilt im deutschsprachigen Raum als einer der führenden Nietzsche-Experten, der sich schon seit Jahrzehnten mit diesem Nietzsche beschäftigt) als vielmehr der bekannte Bergsteiger Reinhold Messner, der als einer der Wenigen N. treffend in seiner „Lösung“ erklärt hat, in einer Talk-Show, kürzlich bei Markus Lanz (vielleicht ist ja ein Video-Ausschnitt von Messner bei Markus Lanz noch auf YouTube zu sehen?). Messer erklärt hier kurz und prägnant, wie es ansonsten kaum ein akademischer Philosoph so klar auf den Punkt zu bringen vermag, es die „Lösung“ Nietzsches ist. Ich bin sicher, dass außer Messner kaum einer im Studio dies überhaupt begriffen hat, zu stark ist die kulturelle allgemeine Konditionierung der Kulturprägung. Nietzsche, er heute als der berühmteste Schüler des Elite-Internats „Schul-Pforta“ gilt (es lohnt sich, über dieses Elite-Internat und seinerseits. 500 Jahre alten Tradition im Netz zu recherchieren, denn diese Elite-Schule hat die fähigsten Köpfe Deutschlands ausgebildet, und zwar kostenlos, unabhängig der elterlichen Herkunft, nur ausgewählt aus den besten Schülern Deutschlands, sich zu informieren). Nietzsche hat seine eigene Erziehung als Kind eines Pfarrers und jüngster Professor in Basel, mit schon 24 Jahren, lebenslang selbst THERAPIERT. Der US-Philosoph Richard Rorty hat in Anlehnung an Nietzsche (zusammen mit Dewey, Heidegger und Wittgenstein war auch Nietzsche einer der großen „therapeutischen“ Helden für das 21. Jahrhundert für Rorty und sein Diktum „Philosophie als Kulturpolitik) daraus eine