Heaven-CIS-Büro:
DAVID betrachtet schmunzelnd ihren Monitor. DiNOZZO und McGEE sehen sich verwundert an.
DiNOZZO:
Dürfen wir mitschmunzeln, Ziva?
DAVID:
Da wird dir das Lachen eher vergehen, wie ich dich kenne, Tony.
McGEE:
Um so besser. Was ist denn nun so komisch?
DAVID:
Diese Website behauptet, dass die Männer erst vor 11.000 Jahren die Vaterschaft entdeckten.
DiNOZZO:
Wären sie alle wie McEinstein, dann wüssten sie heute noch nicht…
DAVID (unterbricht und liest vor):
„Bildliche Darstellungen nackter Frauen als Kultsymbole der Fruchtbarkeit gibt es seit über 30.000 Jahren, während der Phallus erst vor 8.000 Jahren in den Rang eines Kultobjekts gelangte. Vermutlich hängt das mit Erkenntnissen über Fortpflanzung zusammen, welche die Menschen aus der Viehzucht gewannen, die zu Beginn der Neusteinzeit, also vor 11.000 Jahren, eingeführt wurde.“
DAVID blickt triumphierend um sich.
DAVID:
Die Herren der Schöpfung … So klein haben sie also angefangen …
Ihr Daumen und Zeigefinger formen ein schmales U. DiNOZZO setztzu einem Protest an, da kommt GIBBS hinzu.
GIBBS:
Auch wir müssen klein anfangen, denn das Rätsel ist groß. Es gibt über 100.000 tote Frauen. Alle ermordet.
McGEE:
Ein Serienkiller?
GIBBS:
In dieser Größenordnung wohl kaum. Wir sollen aber nicht die Täter, sondern den Drahtzieher finden. Packt eure Sachen.
DAVID, DiNOZZO und McGEE hantieren hektisch.
++++
Ein Horrorszenario dalinesken Ausmaßes:
Das Team schreitet über einen mittelalterlichen Marktplatz, auf dem Dutzende von Scheiterhaufen qualmen. Überall hängen verkohlte Frauenleichen an Pfählen. Ähnliche Schauplätze erstrecken sich nach allen Seiten bis zum Horizont. Dann betritt das Team ein muffiges Verlies… ein Folterkeller der Inquisition. Im Licht von Scheinwerfern begutachten Dr. MALLARD und sein Assistent PALMER eine der zahlreichen Frauenleichen.
Das Team tritt hinzu.
GIBBS:
Todesursache, Ducky?
MALLARD:
Schwer zusagen. Ich erkenne mindestens fünf potentielle Todesursachen. Welche davon den Exitus bewirkte, kann ich nur im Labor herausfinden.
PALMER zeigt auf martialische Gerätschaften auf Tischen und an den Wänden.
PALMER:
Den Frauen konnte hier gar nichts Besseres passieren, als endlich zu sterben.
MALLARD:
Wie wahr, Mr. Palmer. Wie wahr.
Ein GBI-AGENT kommt hinzu.
GIBBS (seufzt):
Will uns das Global Bureau of Investigation den Tatort streitig machen?
GBI-AGENT:
Die Zuständigkeit des HCIS beschränkt sich auf Fälle unter Beteiligung himmlischer Mächte. Solange diese nicht nachgewiesen ist, ist das unser Fall.
GIBBS:
Wenn es himmlische Verantwortliche gibt, werden wir sie ausfindig machen. Lassen Sie uns also unseren Job tun.
Der GBI-AGENT trollt sich. Das Team kehrt zum Markplatz zurück. Ein HCIS-AGENT niederen Rangs tritt näher.
HCIS-AGENT:
Es gibt mehrere Zeugen. Sie behaupten, die Täter hätten sich wiederholt auf einen gewissen Jesus Christus berufen.
McGEE:
Das klingt schon sehr nach Hintermann, Boss.
GIBBS´ Blick folgt einer Rauchsäule, die von einem der Scheiterhaufen nach oben steigt.
++++
HCIS-Büro:
Das Team steht vor dem großen Hauptmonitor.
GIBBS:
Was wissen wir über ihn?
DAVID lässt mit der Fernbedienung mehrere Fotos eines bärtigen Mannes erscheinen.
DAVID:
Unseren spärlichen Unterlagen zufolge handelt es sich um einen gewissen Jeshua, genannt ´der Nazarener´. Unklar ist, ob damit seine Herkunft aus Nazareth oder seine Angehörigkeit zu der Nazoräer-Sekte gemeint ist.
DiNOZZO:
Er führt verschiedene Titel, allem voran „Christus“ und „Sohn Gottes“.
McGEE:
„Christus“ ist die griechische Form von „Messias“ und bedeutet „der Gesalbte“. Die Idee leitet sich vermutlich von der ägyptischen Vasallensalbung ab. „Sohn Gottes“ ist eine allgemein übliche Titulierung für altorientalische Herrscher.
GIBBS:
Dieser Titel ist also gar nichts Besonderes?
DAVID:
Nicht wirklich. Es gibt ihn noch häufiger als „Sexiest Man Alive“, und das will etwas heißen.
DiNOZZO:
Kannst du nicht einmal nicht an mich denken, Ziva?
DAVID deutet eine israelische Tigerkralle an.
DiNOZZO:
Übrigens, Boss, in den Achtzigern wurde ein gewisser Mark Harmon zum „Sexiest Man“ gekürt.
GIBBS:
Wer ist Mark Harmon?
DiNOZZO:
Äh… schon gut, Boss.
GIBBS (ungeduldig):
Genug gequatscht. Tony, McGee?
BEIDE:
Ja, Boss?
GIBBS:
Ja was schon? Holt den Verdächtigen her!
++++
Pathologische Abteilung des HCIS:
Dr. MALLARD hantiert an einer verstümmelten Frauenleiche. Neben ihm steht mit blasser Miene PALMER.
MALLARD:
Wussten Sie schon, Mr. Palmer, dass der menschliche Erfindungsgeist, wenn es um das Zufügen von Qualen geht, keine Grenzen kennt, sondern auf experimentelle Weise zu immer wieder neuen Lösungen gelangt?
PALMER wird noch blasser, denn er ahnt, was kommt.
MALLARD:
Daumenschrauben, Knieschrauben, Mundsperren, Halsgeigen, Eisenringe, Kopfpressen, Schädelschrauben, Kettengeißeln, dornige Halskrausen, Zwangsgürtel, Kneifzangen, Folterrad - das alles gehört zur täglichen Praxis derer, die diesen Frauen Leid zufügten. Darüber hinaus ertränkt man Opfer gerne in Urinfässern, sägt ihre Zunge ab oder verbrennt sie, oder man röstet ihren Körper auf glühendem Eisen. Mir ist ein Fall bekannt, da durchtrennte man einer Frau mit Feuerflammen die Beine.
PALMER:
Nur mit den Flammen?
MALLARD:
Ja.
PALMER:
Und das im Auftrag dieses… äh, Jesus Christus?
MALLARD:
Noch ist er nur ein Verdächtiger, Mr. Palmer. Stand Jetzt gilt die Unschuldsvermutung.
GIBBS kommt hinzu.
GIBBS:
Wie sieht´s aus, Ducky?
Der Doktor macht eine umfassende Geste zu den Dutzenden von Frauenleichen auf den Tischen.
MALLARD:
Es handelt sich natürlich nur um ein paar Stichproben aus der Menge der über 100.000 Opfer. Bei jedem Opfer ist dem Exitus stunden- oder tagelange Folter vorausgegangen. Das lässt sich mit Sicherheit sagen. Molekulare Analysen würden vermutlich erbringen, dass fast alle außerdem mehrfach vergewaltigt wurden.
GIBBS (nachdenklich):
Diese Frauen waren gute Marines. Alle.
Er verlässt den Raum.
PALMER (verwundert):
Wieso ´Marines´?
MALLARD:
Das meint er nur metaphorisch. Er will damit sagen, dass sie reinen Herzens waren.
++++
HCIS-Verhörraum:
Der bärtige Mann von den Monitorfotos sitzt GIBBS gegenüber. Neben ihm sitzt sein ANWALT.
ANWALT:
Mein Mandant streitet jede Tatbeteiligung ab.
GIBBS:
Das darf er mir gerne selbst sagen.
CHRISTUS:
Ich bin das Licht der Welt. Hörte man je, dass Licht Frauen tötet?
GIBBS:
Das mit dem ´Licht´ werte ich bis zum Nachweis der Richtigkeit als Schutzbehauptung.
CHRISTUS:
Wenn ihr nicht glaubt, dass ich das Licht bin …
Er richtet einen Zeigefinger auf GIBBS und auf den großen Spiegel an der Rückwand.
CHRISTUS:
… so werdet ihr in euren Sünden sterben.
ANWALT (zu seinem Mandanten):
Wir sollten uns auf sachdienliche Angaben beschränken. Umso schneller sind Sie wieder auf freiem Fuß.
GIBBS:
Kommen wir also auf den Punkt. Zeugenaussagen zufolge wurden zumindest einige der Taten von den Tätern - ich zitiere - „im Namen von Jesus Christus“ verübt. Frage: Haben Sie diese Morde in Auftrag gegeben?
CHRISTUS:
Nein. Niemals.
ANWALT:
Sie haben´s gehört, Mr. Gibbs. Können Sie auch nur eine Verbindung meines Mandanten zu den Taten nachweisen? Natürlich nicht. Was einige Täter da von sich gegeben haben mögen, entspringt deren Phantasie.
Er greift nach seiner Aktentasche.
ANWALT:
Können wir jetzt gehen?
GIBBS:
Nein.
Er hält ein Papier hoch.
GIBBS:
Hier ist eine Passage aus dem Buch ´Der Hexenhammer´ des Dominikanermönches Heinrich Kramer, welches sich bemüht, die Taten zu legitimieren. Er wirft den Opfern vor, sich mit einem Dämon, den er auch Satanas nennt, verbunden zu haben. (Gibbs liest vor:) „Man nennt ihn auch Dämon, das heißt nach Blut riechend oder blutig, nach Sünden nämlich, nach denen er dürstet und die er begehen läßt durch dreifaches Wissen, wodurch er stark ist, nämlich durch Feinheit seiner Natur, langjährige Erfahrung und Eingebung seitens der guten Geister. Er wird ferner auch Beelzebub genannt, welches übersetzt wird mit ´Mann der Fliegen´, das heißt der sündigen Seelen, welche ihren wahren Bräutigam Christus verlassen haben. Ebenso heißt er Satanas, das heißt Gegner.“
Er knallt das Papier auf den Tisch.
GIBBS:
In den Augen der Täter hatten die Opfer „Christus“ also den Rücken gekehrt und sich einer Person oder einem Wesen namens Satanas oder Beelzebub in Verehrung zugewandt. Wir nennen so etwas Tatmotiv. In welcher Weise sind Sie darin involviert?
CHRISTUS:
Ich sagte es schon: Überhaupt nicht. Mein Anwalt hat mich belastende Äußerungen zu Recht als „Phantasien“ bezeichnet. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden…
GIBBS packt ein anderes Papier.
GIBBS
Sitzenbleiben. In Markus 9,42 steht: „Und wer der Kleinen einen ärgert, die an mich glauben, dem wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er insMeer geworfen würde". In Matthäus 23,33 rufen Sie den Pharisäern zu: „Ihr Nattern, ihr Schlangenbrut! Wie wollt ihr dem Strafgericht der Hölle entrinnen?“
Wieder knallt er das Papier auf den Tisch.
GIBBS:
Und dergleichen mehr. Ingesamt drohen Sie in den Evangelien über 30 mal mit der Hölle. Haben Sie das wirklich so gesagt?
CHRISTUS tuschelt mit seinem ANWALT.
ANWALT:
Es handelt sich um falsche Übersetzungen aus der Hand von Luther. Mein Mandat sprach in Wirklichkeit von der Unterwelt oder dem Gehenna, einer jüdischen Verbrennungsstätte für Abfall und Leichname vor den Toren Jerusalems. Die angeführten Zitate belasten ihn ohnehin nicht, da sie in einem tatfremden Kontext erscheinen.
GIBBS ist für einen Moment unschlüssig. Da klingelt sein Handy.
GIBBS (ins Handy):
OK. Bin gleich bei dir, Abby.
Er steht auf.
GIBBS:
Sie warten hier.
++++
HCIS-Labor:
Death Metal dröhnt durch den Raum. Abby SCIUTO steht tänzelnd vor einem Monitor. GIBBS und McGEE kommen hinzu.
GIBBS (schreiend):
Mach die Musik leiser, Abby.
ABBY (schreit zurück):
Was sagst du, Gibbs?
GIBBS (schreiend):
Mach die verdammte Musik lei–
ABBY schaltet die Musik aus.
ABBY:
´tschuldige, Gibbs. Also, ich habe da etwas herausgefunden, das du wissen solltest.
Sie weist auf einen langen Labortisch, auf dem ein Tuch ausgebreitet ist, das die Umrisse eines Mannes zeigt.
ABBY:
Das angebliche Grabtuch des Christus, das für seine Organisation als Beweis für seine Existenz vor 2000 Jahren gilt.
Sie aktiviert auf dem Monitor mehrere Fenster mit Spektralanalysen.
ABBY:
Ich habe Proben vom Material entnommen und mikroskopisch gereinigt. Dann habe ich die Proben verbrannt und das entstehende Kohlendioxid in Graphit-Pellets umgewandelt, die im Massenspektrometer…
GIBBS:
Abby…
ABBY:
´tschuldige, Gibbs. Meine Messungen konnten die Messungen anderer Institute bestätigen: Das Tuch ist höchstens 800 Jahre alt. Wenn dieser Christus oder seine Organisation behaupten, es sei fast 2000 Jahre alt, dann steht das im Widerspruch zur Meinung von…
Sie streichelt das Gerät.
ABBY:
… Major Massenspektrometer. Und der irrt sich nie.
GIBBS:
Gut gemacht, Abby. War das alles?
ABBY:
Aber nein, du kennst mich doch.
Sie deutet auf ein kleines Stück Papyrus auf einem Labortisch, beschrieben mit griechischen Schriftzeichen.
ABBY:
Das sogenannte Papyrus 52. Angeblich ein Fragment aus dem Johannesevangelium aus der Wende zum 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung.
GIBBS:
Und?
ABBY:
Die Datierung lässt sich wissenschaftlich überhaupt nicht halten. Vermutlich handelt es sich um ein Papyrus aus dem 3. Jahrhundert.
McGEE:
Und mit all dem willst du andeuten, dass …
ABBY:
Gut geschlossen, McGee. Es ist uns kein einziges Dokument oder Artefakt aus dem 1. Jahrhundert bekannt, dass auchnur im Ansatz irgendeine Verbindung zu diesem Christus hat. Nichts spricht dafür, dass er in diesem Jahrhundert überhaupt existiert hat. Ich habe da so eine Theorie … es ist nur eine Theorie, aber ihr wisst, was ich von Theorien halte, sie sind …
GIBBS:
Abby…
ABBY:
´tschuldige, Gibbs. Könnte es also sein, dass dieser Christus in Wirklichkeit gar nicht …
GIBBS (gibt Abby ein Bussi):
Danke, Abby.
++++
HCIS-Verhörraum:
GIBBS sitzt wieder CHRISTUS und dem ANWALT gegenüber. DAVID hat sich schräg hinter GIBBS postiert.
ANWALT:
Ich bewundere Ihre Hartnäckigkeit, Agent Gibbs. Dabei sollte Ihnen doch klar sein, dass mein Mandant sich nichts vorzuwerfen hat.
GIBBS:
Unsere Ermittlungen zeichnen in der Tat ein neues Bild der Lage. Sie, Mr. Christus, behaupten, vor 2000 Jahren auf die Erde gekommen zu sein, um die Menschen von ihren Sünden zu erlösen.
CHRISTUS:
Mein Vater hat mich mit diesem Auftrag zu den Menschen gesandt, ja.
DAVID:
Lassen wir Ihren Vater für den Moment beiseite und konzentrieren wir uns auf die Faktenlage. Was belegt eigentlich Ihre Existenz vor 2000 Jahren? Können Sie uns Zeugen benennen?
CHRISTUS tuschelt mit dem ANWALT.
ANWALT:
Es gibt zuverlässige Berichte über die Existenz meines Mandanten durch die Geschichtsschreiber Tacitus, Josephus Flavius, Sueton und Plinius.
DAVID:
Vergessen Sie Tacitus. Die Erwähnung eines ´Christus´ in Tacitus´ Annalen 15, Kapitel 44, stammt gar nicht von dem römischen Senator, sondern ist ein späterer Einschub von christlicher Hand. Man nennt so etwas Interpolation.
GIBBS:
Severus hat viel später, als er von Tacitus abschrieb, diese Erwähnung nicht übernommen. Es gab also einen Tacitus-Text ohne die Christus-Erwähnung. Zudem hätte Tacitus binnen weniger Sätze sicher nicht die Schreibweise verändert, also in einem Satz ´Chrestiani´ mit ´e´ und in einem folgenden Satz ´Christus´ mit ´i´. Das Tacitus-Zeugnis ist wertlos, weil gefaked.
CHRISTUS und der ANWALT sehen sich an.
DAVID:
Auch Josephus können Sie vergessen. Hätten seine Schriften die Erwähnung des „weisen Mannes“ Christus von Beginn an enthalten, warum haben christliche Autoren aus dem 2. und 3. Jahrhundert wie Justin, Hippolyt, Irenäus, Tertullian und Origenes nicht ein einziges Mal darauf Bezug genommen? Josephus war Jude, also wäre sein Zeugnis über den „weisen Mann“ gut geeignet gewesen, Kritik der Juden an der christliche Lehren das Wasser abzugraben.
GIBBS:
Daraus folgen wir, dass die Josephus-Stelle, nicht anders als die Tacitus-Stelle, eine nachträgliche christliche Interpolation ist. Auch die angeblichen Zeugnisse bei Sueton und Plinius sind anfechtbar.
CHRISTUS tuschelt mit seinem ANWALT.
ANWALT:
Die Evangelien berichten sehr detailiert über meinen Mandanten. Sie wurden ab dem Jahr 70 verfasst, beginnend mit dem Markusevangelium. Das sind zeitnahe Belege.
DAVID (lächelt):
Die Datierung ´ab 70´ ist wissenschaftlich gesehen unhaltbar. Korrekt müsste es lauten: ´nach 70´. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dazu die vier kanonischen Evangelien erst Mitte des 2. Jahrhundert verfasst wurden. Für eine Datierung in das 1. Jahrhundert spricht nur das Wunschdenken der Anhänger Ihres Mandanten.
GIBBS:
Und abgesehen davon, dass die Autorennamen Markus, Matthäus, Lukas und Johannes fiktiv sind und mit den tatsächlichen Verfassern nichts zu tun haben, werden die kanonischen Evangelien zum ersten Mal bei Irenäus von Lyon erwähnt, also um das Jahr 180. Bei Justin um das Jahr 150 werden sie dagegen nie erwähnt. Also ist eine Entstehung ab 150 anzunehmen, was mit ´zeitnah´ nichts zu tun hat.
ANWALT:
Ja, aber Paulus? Er war Zeitgenosse meines Mandanten. Seine Briefe stammen aus dem 1. Jahrhundert.
GIBBS:
Dafür gibt es keine Beweise. Die ersten Briefe tauchen um das Jahr 140 auf. Eine historische Person Paulus ist überhaupt nicht nachgewiesen. Was umso mehr verwundert, als er im 1. Jahrhundert doch so viele Gemeinden gegründet haben soll. Nein, wir halten diesen Paulus für eine im 2. Jahrhundert erfundene Figur und seine Briefe für Produkte anderer Autoren.
ANWALT:
Auf was wollen Sie eigentlich hinaus? Was hat das alles mit der meinem Mandanten vorgeworfenen Anstiftung zu Massenmorden zu tun?
GIBBS:
Mit diesem Verdacht wird sich ab sofort nur noch das Global Bureau of Investigation befassen. Der Grund dafür ist…
DAVID:
… dass wir die himmlische Herkunft von Mr. Christus für ein Märchen halten. Sie, Mr. Christus, verkörpern eine falsche Identität. Sie haben, entgegen Ihrer Behauptung, vor 2000 Jahren nicht existiert. Vielmehr wurde damals über Jahrhunderte hinweg die Fiktion einer Gestalt mit Ihrem Namen konstruiert.
GIBBS (zum Anwalt):
Wir wissen noch nicht, wer Ihr Mandant wirklich ist. Seine Vita ist jedenfalls gefälscht.
ANWALT:
Das ist doch absurd. Aus welchem Motiv hätte man damals eine falsche Vita konstruieren sollen?
DAVID:
Das herauszufinden, ist Sache des GBI. Für uns ist der Fall mit der Feststellung, dass Ihr Mandant keine himmlische Herkunft hat, abgeschlossen.
GIBBS:
Wir haben aber eine Theorie erarbeitet. Wenn Sie gestatten, führeich sie kurz aus: Die katholische Kirche ist vermutlich eine Abspaltung aus einer religiösen Strömung namens Gnosis zu Beginn des 2. Jahrhunderts. Es gab in den Lehren dieser Gnosis eine himmlische Figur mit Namen wie ´Autogenes´, ´Monogenes´ und ´Christus´. Anhänger dieses rein geistigen Christenglaubens kamen in Rom auf den Gedanken, Mysterienspiele zu dichten und aufzuführen mit einem vom Himmel gekommenen Christus in Menschengestalt. Aus diesen Spielen entstanden schließlich die Evangelien.
DAVID:
Die fiktive Historisierung konnte das verbreitete Bedürfnis nach einem das jüdische Volk errettenden Erlöserkönig befriedigen und ermöglichte darüber hinaus die Institution der Ämternachfolge des Papstes in der katholischen Kirche. Ohne die Basis eines historischen Christus würde diese Institution in der Luft hängen.
GIBBS erhebt sich.
GIBBS:
Wir überstellen Sie, Mr. Christus, für die weiteren Ermittlungen an das GBI. Für uns ist der Fall abgeschlossen. Wir sind nicht für Sie zuständig.
++++
HCIS-Büro:
DiNOZZO:
Wir stehen also mit leeren Händen da.
GIBBS:
Nicht ganz. Es gibt eine weitere Verdachtsperson.
McGEE:
Und die wäre?
GIBBS:
Der angebliche Vater des Mr. Christus. In den Quellen seiner Organisation auch "Herr"und „Gott“ genannt.
DiNOZZO:
Waren wir uns nicht darin einig, dass der Titel „Sohn Gottes“ bedeutungslos ist?
GIBBS:
Für die Herkunft des Mr. Christus sicher. Dennoch ist zu prüfen, ob dieser Gott in die Frauenmorde verwickelt ist. Tony, McGee?
BEIDE:
Ja, Boss?
GIBBS:
Ja was schon? Holt ihn her!