Hegel und Beethoven

Hallo Ihr Lieben,

ein Philolehrer sagte mir mal nebenbei das Beethoven einen Text von Hegel vertont haben soll.

Jetzt würde ich das ganz gerne genauer untersuchen - finde aber erstmal über google nicht so recht was wo ich ansetzen kann…

Habt ihr ein paar Ideen für mich?

Danke Anni

Hallo!

Wahrscheinlich bezieht er sich auf Adorno. Der zieht in seinem (niemals abgeschlossenen) Beethoven-Buch Parallelen zwischen Beethovens Musik und Hegels Dialektik (insbesondere der „Phänomenologie des Geistes“). Näheres kannst du hier nachlesen: http://www.amazon.de/Beethoven-Philosophie-Musik-tas…

Einen Hegel-Text vertont, das hat Beethoven aber (soweit ich weiß) nie gemacht. Tatsächlich hatten die beiden Zeitgenossen nichts miteinander zu schaffen.

Gruß
Peter

Hi.

ein Philolehrer sagte mir mal nebenbei das Beethoven einen Text von Hegel vertont haben soll.

Das ist vermutlich ein Hörfehler gewesen. Beethoven hat nie einen Hegel-Text vertont.

Allerdings gibt es eine wichtige geistesgeschichtliche Beziehung zwischen beiden. Daher denke ich, dass der „Lehrer“ wahrscheinlich zum Ausdruck bringen wollte, dass Beethoven die Philosophie von Hegel „vertont“ hat.

Während Hegel Beethovens Genius nicht verstand, hielt umgekehrt Beethoven sehr viel von Hegel und der romantischen Philosophie im allgemeinen. Das musikalische Subjekt ist bei Beethoven Mensch und „Gott“ in einem – ähnlich wie das Hegelsche Subjekt mit dem Absoluten verwoben ist. In der Barockmusik war das noch anders: Hier stand das Ideale, das „Göttliche“, weit über dem Subjekt, unerreichbar für dieses. Bei Beethoven greift das Subjekt nicht nur nach den Sternen, es ist letztlich eins mit diesen. Historisch koinzidiert das mit der Französischen Revolution, die zumindest der Grundidee nach das Subjekt von allen Abhängigkeiten emanzipierte, philosophisch mit der Idee des Subjekts als begründet im Absoluten und mit entsprechendem Freiheitspotential.

Chan

Hallo!

ein Philolehrer sagte mir mal nebenbei das Beethoven einen
Text von Hegel vertont haben soll.

In Frage käme Hegels Gedicht „Eleusis“, das er „an Hölderlin, August 1796“ gerichtet hat.
Mir ist zwar nichts über eine Vertonung dieses Gedichts durch Beethoven bekannt; aber wer-weiss-alles?

Könntest ja mal auf dem Klassische-Musik-Brett fragen.

Freundlichen Gruß!
H.

Hallo Anni,

ein Philolehrer sagte mir mal nebenbei das Beethoven einen Text von Hegel vertont haben soll.

da wird er wohl irgendetwas verwechselt haben. Hegel hat in seinen sämtlichenh Schriften, auch in denen zur Äthetik bzw. Musiktheorie, Beethoven nicht ein einziges Mal erwähnt. Auch in seinen Briefen nicht.
Das wäre sicher anders, wenn Beethoven etwas von ihm als Lied vertont hätte. Hegel hat auch - auf einem elementaren Niveau - Klavier gespielt und in dem Notenmaterial aus seinem Nachlaß hat sich nichts von Beethoven befunden.

Umgekehrt gehörte für Beethoven - wie sich aus einigen Bemerkungen aus seinen Gesprächen mit Goethe ergibt - Hegel nicht zu den Großen seiner Zeit. Und unter den Texten der Lieder, Oratorien, Rezitativen Beethovens finden sich solche von Goethe, Kotzebue, Lord Byron, Rousseau, Herder, Gellert … um die bekanntesten zu nennen, aber von Hegel nichts.

Gruß
Metapher

Ich möchte die verschiedenen Aspekte meiner Vorredner prinzipiell bejahen. Beethovens Kompositionen heben sich stilistisch/konzeptionell stark von den hergebrachten Kompositionsregeln bzw. Konventionen z.B. des Barocks ab, bezüglich der Hierarchisierung der Stimmen und Instrumente, als Abbild einer hierarchischen Vorstellung von Gesellschaftsordnung.
Insbesondere die 9. Sinfonie war aus verschiedenen Gründen von konservativeren Kritikern oft als verstörend oder sogar ungehörig empfunden worden, nicht nur in Bezug auf die Einführung eines Chors im Schlussatz, sondern auch auf das Zusammenspiel der Stimmen (der Instrumente) überhaupt.
Die Aussage, dass hiermit vor allem ein Bezug auf Hegels Dialektik gemeint sein könnte, hat sich mir ebenfalls als Allererstes aufgedrängt.
Die Quelle von Adorno war mir nicht bekannt, die werde ich gerne mal versuchen mir zu besorgen.
Mir fehlt jetzt die Zeit für eine ausführlichere Antwort, die auch vorwiegend eher meine persönliche Interpretation wäre, ich werde vieleicht die Tage nochmal darauf zurück kommen.
Jetzt nur noch soviel, vielleicht war damit weniger gemeint, dass Hegel B. eine Textvorlage geliefert haben soll, sondern vielleicht mehr, dass er eine oder mehrere Texte/Schriften von Hegel musikalisch interpretiert hat, bzw. sich bei der Komposition von Betrachtungen Hegels hat leiten lassen.
Die 9. Sinfonie als DAS Spätwerk Bs. und als großer konzeptioneller Wurf läßt bei der Analyse und auch beim Anhören, wie ich schon sagte, den Gedanken an ein dialektisches Kompositionskonzept m. M. nach deutlich spüren. Dazu später vielleicht mehr.
Was ich jetzt spannend finde, ist, wie die beiden gegensätzlichen Aussagen der Vorredner zu Beethovens Wertschätzung von Hegel zu erklären oder zusammen zu bringen sind.