Hallo Experten!
Hätte mal eine Frage, sitze gerade an meinem Deutschreferat (12. Klasse, Lk) über Heines Wintermärchen und bin gerade bei der Epochenzuordnung, wo genau liegt denn der Unterschied zwischen Junges Deutschland und Vormärz, beides sind doch Untergruppierungen vom Vormärz im weiteren Sinne. Weiß jemand zufällig, von wann bis wann sich der Vormärz im engeren Sinn erstreckt?
Was macht eigentlich eine gute Interpretation aus?
Vielen Dank,
mrs. jones
Hallo,
Deutschreferat
(12. Klasse, Lk) über Heines Wintermärchen und bin gerade bei
der Epochenzuordnung, wo genau liegt denn der Unterschied
zwischen Junges Deutschland und Vormärz
nützliche Links dazu auf http://www.hamburger-bildungsserver.de/welcome.phtml… (bzw. http://web.archive.org/web/20030402163227/http://hom…
http://web.archive.org/web/20071021023754/http://www… für die beiden, die ins Leere führen).
Gruß
Kreszenz
Grüß Dich.
Wichtig ist, daß Du das Wintermärchen in den Vormärz einordnest. Die Unterscheidung Vormärz und Junges Deutschland, was ja eher ein Autorenkreis war, ist in meinen Augen auch für den Leistungskurs nicht gewinnbringend, eher völlig unbedeutend - literaturästhetisch war zu der Zeit viel Bemerkenswerteres los: Die lang amtierende Romantik wurde vom Realismus abgelöst. Der Unterricht folgt nicht von ungefähr wie die Literaturwissenschaft dieser Hauptlinie von Sturm und Drang, Klassik, Romantik(*), Realismus, Naturalismus und Literatur der Jahrhunderwende (Symbolismus u.v.m.). Bisweilen werden Sturm und Drang, Klassik und Romantik wegen ihrer verwandten Literaturästhetik zum Irrationalismus geklammert, so daß der Wachwechsel Romantik -> Realismus einschl. politischer Realismus (=Vormärz) deutlich wird.
An Deiner Stelle sollte die Aufmerksamkeit des Referats auf dem Werk selber liegen und es müssen der konstruierte Handlungsverlauf sowie die 4 künstlichen Höhepunkte herausgearbeitet sein. (Köln-Kapitel, Traum-Kapitel, Mutter in Hamburg, Stadtgöttin)
Keine Ahnung wie euer Leistungskurs Deutsch funktioniert, wir mußten in dem Alter im Referat umfassende sprachliche/ sprachlogische und literaturästhetische Analysen bringen; da ist das Wintermärchen eine wahre Fundgrube. Geniale Rhetorik und berühmte Redewendungen en masse, verrührt mit jeder Menge Geschichte und Ironie:
„Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
ich kenne auch die Herren Verfasser;
ich weiß, sie tranken heimlich Wein,
Und predigten öffentlich Wasser.“
„Sie sang vom irdischen Jammertal“
„Und fehlt der Pfaffensegen dabei,
Die Ehe wird gültig nicht minder“
„Ein einiges Deutschland tut uns not,
Einig nach außen und innen.“
„Noch immer das hölzern pedantische Volk,
Noch immer ein rechter Winkel
In jeder Bewegung, und im Gesicht
Der eingefrorene Dünkel.“
„Das dumme Lied und der dumme Kerl!
Er hat mich schmählich blamieret,
Gewissermaßen hat er mich auch
Politisch kompromittieret.“
„Ich bin von praktischer Natur,
Und immer schweigsam und ruhig.
Doch wisse: was du ersonnen im Geist,
Das führ ich aus, das tu ich.“
„Du denkt, und ich, ich handle.“,
„Du bist der Richter, der Büttel bin ich“
u.v.v.m.
Du solltest die Zitate vorher intensiv üben; die Strophenform ist ähnlich der „Nibelungenstrophe“ geartet, d.h. 4 Verszeilen mit dem Reim jeweils nur in der 2. und 4. Zeile plus die Anwendung von Langzeilen (ein bis zwei Worte der folgenden Zeile sind noch an
die vorangehende Zeile angehängt = verschobener Rhythmus).
Wenn Du also Strophenteile vorliest, kann das supersuperholprig klingen und Du blamierst Dich in Grund und Boden. Genau überlegen, welche Passagen Du vorliest und wie Du das ganze vorliest. Unbedingt die Betonung üben.
Das tückische Problem ist beim Wintermärchen, sich nicht zu verirren in den vielen Details und Anspielungen, sondern eben die zurechtgebogene Haupthandlung im dem Auge zu behalten. Und natürlich die Hauptkritik: Militarismus, Preußen, erzreaktionäre Politik, Restauration, Unfreiheit, Monarchie, Spießbürgertum usw. usf…
Viel Glück
(*) Wobei die Romantik parallel zur Weimarer Klassik entstand und wesentlich auf Johann Gottlieb Fichte zurückgeht (1794 „Wissenschaftslehre“)
Den schönsten Vers, Reinerlein, hast Du noch vergessen hinzuschreiben:
„Auch einen Schweinskopf trug man auf
In einer zinnernen Schüssel;
Noch immer schmückt man den Schweinen bei uns
Mit Lorbeerblättern den Rüssel.“
Was hat sich daran in den vergangenen 265 Jahren geändert? Heine ist heute so aktuell wie einst!
Gruß
Eckard
Hallo Reinerlein!
Vielen vielen Dank für deine sehr detaillierten, auführlichen und sehr hilfreichen Ausführungen! Hat mir sehr geholfen.
Was ich bisher so von Referaten mitbekommen habe, liegt der Fokus nicht auf den sprachlichen und stilistichen Ausführungen, weshalb ich nur ganz kurz und sehr allgemein darauf eingehen werde. Habe v. a. jetzt auch noch die Tatsache, dass es sich um ein autobiographisches Werk handelt miteingebaut und die 3 in meinen Augen wichtigsten Symbole aufgegriffen.
Also nochmals vielen Dank! =)
lg
mrs. jones