Heirat - Text für Lesung

Hallo,

ein Bekannter von mir heiratet übernächstes Wochenende. Nun hat er sich (irre früh) an mich gewandt mit der Bitte, einen Text für die Lesung in der Kirche zu suchen… Er hätte am liebsten eine Art „Märchen“, aber auch ein schönes Gedicht (z.B. Rielke, Fried, Fromm) wäre in Ordnung (so denke ich zumindest). Der Text muss auch nicht religiös „angehaucht“ sein.
Google bringt mich nicht wirklich weiter – ich hab zwar schon sehr viel gefunden, aber nichts was mir wirklich zusagen würde.

Hat jemand von Euch vielleicht eine schöne Idee?

Danke im Voraus
gremlin

Hallo gremlin,

eine Art Märchen über Zuneigung und Vertrauen ist auch die Geschichte vom Kleinen Prinzen und seinem Fuchs:

»Guten Tag«, sagte der Fuchs.
»Guten Tag«, antwortete höflich der kleine Prinz, der sich umdrehte, aber nichts sah.
»Ich bin da«, sagte die Stimme, »unter dem Apfelbaum…«
»Wer bist du?« sagte der kleine Prinz. »Du bist sehr hübsch…«
»Ich bin ein Fuchs«, sagte der Fuchs.
»Komm und spiel mit mir«, schlug ihm der kleine Prinz vor. »Ich bin so traurig…«
»Ich kann nicht mit dir spielen«, sagte der Fuchs. »Ich bin noch nicht gezähmt!«
»Ah, Verzeihung!« sagte der kleine Prinz.
Aber nach einiger Überlegung fügte er hinzu:
»Was bedeutet das: ‚zähmen‘?«
[…]
»Das ist eine in Vergessenheit geratene Sache«, sagte der Fuchs. »Es bedeutet: sich ‚vertraut machen‘.«
»Vertraut machen?«
»Gewiß«, sagte der Fuchs. »Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht.
Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebensowenig.
Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen.
Du wirst für mich einzig sein in der Welt.
Ich werde für dich einzig sein in der Welt…«
»Ich beginne zu verstehen«, sagte der kleine Prinz.
[…]
Der Fuchs kam auf seinen Gedanken zurück:
»Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle Hühner gleichen einander, und alle Menschen gleichen einander. Ich langweile mich also ein wenig.
Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben wie durchsonnt sein.
Ich werde den Klang deines Schrittes kennen, der sich von allen andern
unterscheidet. Die anderen Schritte jagen mich unter die Erde.
Der deine wird mich wie Musik aus dem Bau locken.
Und dann schau! Du siehst da drüben die Weizenfelder?
Ich esse kein Brot. Für mich ist der Weizen zwecklos.
Die Weizenfelder erinnern mich an nichts. Und das ist traurig.
Aber du hast weizenblondes Haar.
Oh, es wird wunderbar sein, wenn du mich einmal gezähmt hast!
Das Gold der Weizenfelder wird mich an dich erinnern. Und ich werde
das Rauschen des Windes im Getreide liebgewinnen.«
Der Fuchs verstummte und schaute den Prinzen lange an:
»Bitte… zähme mich!« sagte er.
»Ich möchte wohl«, antwortete der kleine Prinz, »aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muß Freunde finden und viele Dinge kennenlernen.«
»Man kennt nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs.
»Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgend etwas kennenzulernen.
Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften.
Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr.
Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!«
»Was muß ich da tun?« sagte der kleine Prinz.
»Du mußt sehr geduldig sein«, antwortete der Fuchs.
»Du setzt dich zuerst ein wenig abseits von mir ins Gras.
Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Mißverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bißchen näher setzen können…«
Am nächsten Morgen kam der kleine Prinz zurück.
»Es wäre besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen«, sagte der Fuchs.
»Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann ich um drei
Uhr anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit vergeht, um so glücklicher werde ich mich fühlen. Um vier Uhr werde ich mich schon aufregen und beunruhigen; ich werde erfahre, wie teuer das Glück ist.
Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nie wissen, wann mein Herz da sein soll… Es muß feste Bräuche geben.«
»Was heißt ‚fester Brauch‘?«, sagte der kleine Prinz.
»Auch etwas in Vergessenheit Geratenes«, sagte der Fuchs. »Es ist das,
was einen Tag vom andern unterscheidet,
eine Stunde von den andern Stunden.
[…]"
So machte denn der kleine Prinz den Fuchs mit sich vertraut.
Und als die Stunde des Abschieds nahe war:
[…]
»Adieu«, sagte der Fuchs. »Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.«
»Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar«, wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.

Antoine de Saint-Exupéry
Quelle: http://mitglied.lycos.de/kleineprinz/kapitelXXI-XXIV…

Grüße,
Allie

Hallo,

ein Bekannter von mir heiratet übernächstes Wochenende. Nun
hat er sich (irre früh) an mich gewandt mit der Bitte, einen
Text für die Lesung in der Kirche zu suchen… Er hätte am
liebsten eine Art „Märchen“, aber auch ein schönes Gedicht
(z.B. Rielke, Fried, Fromm) wäre in Ordnung (so denke ich
zumindest). Der Text muss auch nicht religiös „angehaucht“
sein.

Nur mal so als Rückfrage: Kann es sein, dass da etwas falsch verstanden wurde? Die „Lesung“ ist in der Liturgie der großen Kirchen ein feststehender Begriff, und ist kein beliebiger Text. In den Messbüchern gibt es hierfür zu jedem Anlass und Wochentag entsprechende Vorschläge.

D.h. bei Trauungen setzt sich normalerweise der Geistliche mit den Brautleuten hin, und stellt eine gewisse Auswahl möglicher Texte zur Diskussion. Sind die Brautleute bibelfest, werden sie ggf. auch eigene Vorschläge machen. Dann sucht man sich jemanden aus, der die Lesung übernehmen soll. Der bekommt dann den Text als Kopie bzw. die Fundstelle, damit er sich vorbereiten kann. Dass sich ein Dritter einfach selbst frei einen Lesungstext (zumal ohne religiösen Bezug???) aussuchen kann, habe ich noch nie gehört.

Gruß vom Wiz, der schon mal am Vorabend einer Hochzeit damit „überrascht“ wurde, die Lesung übernehmen zu sollen (mit selbstverständlich bereits feststehendem Lesungstext). Kleine Komplikation am Rande: Hochzeit in den USA und Lesung auf englisch, was aber offenbar ganz gut geklappt hat

Hallo Allie,

an den Kleinen Prinzen hab ich auch schon gedacht - allerdings an die Stelle mit der Rose…

Ich werd ihm das auf jeden Fall mal vorschlagen.

Ich danke dir (auch für deine Mühe).

Lieben Gruß
gremlin

Hallo,

Nur mal so als Rückfrage: Kann es sein, dass da etwas falsch verstanden wurde?

O.k. – kann sein, dass er mir gegenüber das ganze einfach als „Lesung“ bezeichnet hat, damit ich mir was drunter vorstellen kann (ja, wie du gemerkt hast bin ich in kirchlichen Dingen nicht sehr bewandert).

Er möchte seine Hochzeit gerne ein bissl „persönlicher“/herzlicher/intimer ka gestalten… Eben nicht nur 0815, sondern etwas „mehr“. Warum er MIR das aufträgt, weiß ich nicht. Meiner Meinung sollte bei solchen Dingen immer ein persönlicher Bezug da sein (etwas, das symbolisch für die eigene Beziehung steht) - und ich kenn weder ihn noch seine Frau besonders gut.

Aber danke für die „Korrektur“.

Lg
gremlin

Hallo,

wie es der Zufall so will, komme ich grade von einer Hochzeit.

Da wurde gelesen - einmal die „richtige“ Lesung und dann von einem Trauzeugen ein Gedicht von Khalil Gibran über Gingko Biloba. Den genauen Namen weiß ich nicht, müsste man googeln.

Da ging es darum, dass man zu zweit leben soll aber sich nicht abkapseln sondern seine Persönlichkeit bewahren, dargestallt am Beispiel der Gingko-Blätter, die wohl irgendwie so zweigeteilt-zusammengewachsen aussehen müssen *vermut*.

Fand ich aber ganz nett, den kleinen Prinzen können viele vermutlich schon auswendig mitsprechen, obwohl er auch sehr nett ist.

Viel Spaß

Sonja

Hallo Sonja,

ich weiß, dass mein Bekannter ein Gedicht von Khalil Gibran als seine sog. „Notlösung“ parat hat… Irgendwas aus dem Propheten – vielleicht ist es ja genau das (werd noch mal näher nachfragen).

…den kleinen Prinzen können viele vermutlich schon auswendig mitsprechen…

Ja, da hast du sicherlich Recht. :smile:

Danke und lieben Gruß
gremlin

Hallo Sonja,

ich weiß, dass mein Bekannter ein Gedicht von Khalil Gibran
als seine sog. „Notlösung“ parat hat… Irgendwas aus dem
Propheten – vielleicht ist es ja genau das (werd noch mal
näher nachfragen).

Hallo,

ja, der gute Gingko ist soweit ich weiß auch aus dem Propheten. Hm, die Auswahl an Hochzeitstexten scheint sehr begrenzt zu sein.

Grüße
SOnja

Hallo Gremlin,

ich habe letztes Jahr kirchlich geheiratet - als Lesung hatten wir

_ Kohelet 4, 9-12
Zwei sind besser als einer allein, falls sie nur reichen Ertrag aus ihrem Besitz ziehen. Denn wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf. Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, ohne dass einer bei ihm ist, der ihn aufrichtet. Außerdem: Wenn zwei zusammen schlafen, wärmt einer den andern; / einer allein - wie soll er warm werden? Und wenn jemand einen Einzelnen auch überwältigt, / zwei sind ihm gewachsen / und eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell._

Als „Begrüßungstext“ haben wir diesen ausgewählt (zuerst als Lesung gedacht)

_ Das Wesentliche
Ein altes Märchen erzählt, wie ein junger, wissbegieriger König die Gelehrten seines Landes beauftragte, für sich alles Wissenswerte der Welt aufzuschreiben. Sie machten sich bald an die Arbeit. Nach vierzig Jahren legten sie das Ergebnis in tausend Bänden vor. Der König, der inzwischen schon sechzig Jahre alt geworden war sagte: „Tausend Bücher kann ich nicht mehr lesen, kürzt alles auf das Wesentliche. “ Nach zehn Jahren hatten die Gelehrten den Inhalt der Geschichte der Menschen in hundert Bänden zusammengefasst. Der König sagte: „Das ist noch zu viel. Ich bin schon siebzig Jahre alt. Schreibt nur das Wesentliche! “
Die Gelehrten machten sich erneut an die Arbeit und fassten das Wichtigste in einem einzigen Buch zusammen. Sie kamen damit, als der König schon im Sterben lag. Dieser wollte wenigstens noch das Wesentlichste aus der Arbeit der Gelehrten erfahren. Da fasste der Vorsitzende der Gelehrtenkommission das Wesentlichste der Geschichte der Menschheit in einem einzigen Satz zusammen: „Sie lebten, sie litten, sie starben. Und was zählt und überlebt ist die LIEBE! “_

Unsere Schlussbesinnung bestand aus diesem Text:

_ Eine Hand, die stets da ist
Ich wünsch euch eine Hand, die die eure ergreift
und mit euch durch Wälder und Wiesen streift,
eine Hand die euch streichelt, eine Hand die euch liebt
eine Hand, die viel weniger nimmt als sie gibt.

Ich wünsch euch eine Hand, die die eure hält,
und die euch begleitet durch Leben und Welt,
eine Hand, die euch hilft übers Wasser zu gehen
und überall noch einen Weg zu sehn.

Ich wünsch euch eine Hand, die euch immer begleitet,
eine Hand, die euch Kraft gibt und mit euch streitet,
eine Hand für den Frieden, eine Hand mit einem Licht,
eine Hand, die stets da ist und nie mit euch bricht_

Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig weiterhelfen :smiley:

Schönen Gruß

LadyN

Gingko Biloba - J.W. von Goethe

Da wurde gelesen - einmal die „richtige“ Lesung und dann von

einem Trauzeugen ein Gedicht von Khalil Gibran über Gingko
Biloba. Den genauen Namen weiß ich nicht, müsste man googeln.

Da ging es darum, dass man zu zweit leben soll aber sich nicht
abkapseln sondern seine Persönlichkeit bewahren, dargestallt
am Beispiel der Gingko-Blätter, die wohl irgendwie so
zweigeteilt-zusammengewachsen aussehen müssen *vermut*.

Hallo,

mir ist nur das Gedicht „Gingko Biloba“ von Goethe bekannt:
http://www.onlinekunst.de/november/Goethe_Gingko.htm

Wo ist das Gingko-Gedicht von Khalil Gibran zu finden?

Lieben Gruß
Dantis

Wo ist das Gingko-Gedicht von Khalil Gibran zu finden?

Ich weiß nicht :wink:

Auf dem Programm-Heftchen stand „Lesung: Gingko biloba, Khalil Gibran“. Ich kann mich auch nicht mehr genau erinnern, aber das von Goethe war es auf jeden Fall nicht…wenn ichs finde, sag ich Bescheid!

Grüße

Sonja

Hallo LadyN,

Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig weiterhelfen :smiley:

Allerdings!! Herzlichen Dank.

Das Märchen find ich ja schon sehr nett. Auch die Schlussbesinnung…

Ich werd das sofort weiterleiten… Langsam kriegt der gute Herr nämlich ein bissl Panik (ich fürchte allerdings nicht nur deswegen, ob wir noch was Passendes finden… :smile: )

Find ich super nett von dir. Danke noch mal und ganz lieben Gruß

gremlin