"Helikoptergeld" oder ist das Finanzsystem noch zu retten?

Guten Morgen,

ich hatte den Begriff „Helikoptergeld“ gesten schon mal gelesen, mir aber nichts dabei gedacht. Dann gerade mal ein bisschen informiert, um was es sich überhaupt handeln soll und bin nun mittelmäßig geschockt! :scream:

>> Helikoptergeld <<

»Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, war in der jüngsten Pressekonferenz auf „Helikoptergeld“ angesprochen worden. Draghis antwortete, man habe im Zentralbankrat bisher nicht darüber nachgedacht oder gesprochen, sprach aber auch von einem „sehr interessanten Konzept“, das derzeit unter anderem unter akademischen Ökonomen diskutiert werde und auch „viele verschiedene Dinge“ bedeuten könne.«

Was nimmt Dragi(s?) so zu sich?

Das kann doch nur bedeuten, das wir eigentlich schon komplett im „Ar…h“ sind. Ist unser Giralgeld vollkommen „wertloser Müll“, wenn man schon überlegt, es zu verschenken? Würde es nicht spätestens dann wertlos werden?

Wie lange wird es wohl noch dauern, bis alles kollabiert?

Sonnige Grüße :high_brightness:

Was an sich schon sehr erschütternd ist. Schließlich hat man mehrfach (zuletzt mehrfach in Japan) in der Realität gesehen, daß das Verteilen von Geld an die Verbraucher zu nichts führt, außer dazu die Leute ihre Sparquote erhöhen. Viele Dinge, die man derzeit probiert, sind derzeit in Art bzw. Umfang so noch nicht ausprobiert worden. Insofern kann man darüber streiten, ob die Maßnahmen zielführend sind.

Bei Helikoptergeld verfügt man aber über empirische Erkenntnisse, die eindeutig besagen, daß das Konzept nicht funktioniert.

Viel fataler ist aber, daß Draghi weiterhin glaubt, daß Inflation Wirtschaftswachstum erzeugt bzw. dafür sogar notwendig ist. Auch das ist aber ein Trugschluß. Vielmehr ist Inflation oft, aber nicht zwingend) eine Folge von Wirtschaftswachstum, nicht aber die Voraussetzung.

Inflation durch Geldmengenwachstum erzeugen zu wollen, ohne daß es ein Wirtschaftswachstum gibt, ist der einer der sichersten Wege in eine Stagflation. Lernt man eigentlich schon im Grundstudium der VWL.

Mal ganz davon abgesehen, daß Draghi mal einen Blick in die Satzung der EZB werfen sollte:
*[…]ist es das vorrangige Ziel des ESZB, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 dieses Vertrags festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen. *

Gemeint ist mit Helikoptergeld, dass die Zentralbank (direkt oder
indirekt) große Mengen Geld unters Volk bringt und damit der Konsum
angeregt wird. Vor vier Jahrzehnten hatte Milton Friedman
das Bild des Helikopters gewählt, um Wirkungszusammenhänge in der
Geldpolitik zu illustrieren. Was passiert, wenn eines Tages ein
Hubschrauber über einer Stadt fliegt und 1000-Dollar-Scheine vom Himmel
regnen lässt? Friedmans
Antwort: Die Inflation wird steigen. Ben Bernanke erörterte als Chef
der amerikanischen Zentralbank vor rund anderthalb Jahrzehnten, ob Japan
mit Helikopter-Money aus der Deflationsspirale finden könne.
Quelle FAZ 11.03.2016
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Hallo,
mit solchen Theorien bekommen Leute Angst um das Geld oder um die Zukunft ihrer Ersparnisse. Das regt eher das Sparen in sichere Richtung an und weniger wird das sinnlose Schuldenmachen fuer Luxus angeregt, was heute als Konjunkturanregung scheinbar positiv angesehen werden soll.
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Es gab und gibt schon Beispiele von anderem Geld, Schwundgeld in Woergl zum Beispiel. Das Geld wird von allein weniger wert, und die Wirtschaft florierte.
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Dazu muessten auf heute uebertragen die Zinsen noch einige Prozent runter. Das geht mit dem heutigen Bargeld nicht, auch nicht mit dem Giralgeld ohne Minuszins. Das derzeit betriebene Bargeldverbot enthaelt einige Freiheitsberaubung und fuehrt auch nicht zum Ziel, verzoegert nur die Problemloesung. Vordenker haben das andere Geld bereits durchdacht, jedoch fast noch nie ausprobiert.
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Das Geld als Tauschmittel wird weiter bestehen,
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das Geld als Wertaufbewahrungsmittel wird abgeschafft werden.
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Entweder abrupt abgeschafft indem alles wertlos wird und ein neues Geld ausgegeben wird, wie Du in der Ueberschrift befuerchtest und wie Draghi den Eindruck erweckt, wie die Geldumstellungen gezeigt haben, Reichsmark-D-Mark und aehnlich. Viele Finanzleute koennen sich nichts anderes vorstellen. Oder eben gleitend mit einem neuen intelligenten Uebergang zu Schwundgeld.
Gruss Helmut

Das denke ich auch; dieser Satz bringt es exakt auf den Punkt!

:high_brightness: :high_brightness: :high_brightness:

Was im Falle von Deutschland nur bedeuten kann, dass sich Schäuble alles unter den Nagel reißen würde; jede Wette!

So ausgegoren ist diese „Idee“ aber zum Glück wohl noch nicht!

Das stimmt!

Man könnte es als „Diktat der Wirtschaft“ bezeichnen. Wachstum um jeden Preis, selbst wenn es in der Folge, Millionen Menschen in die Altersarmut treibt (und das wird geschehen!).

Man wird es nicht bewusst als solches abschaffen. Es könnte allerdings, als eine Art „Kollateralschaden“, als solches verschwinden. Diese Art von Finanzpolitik geht definitiv an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Und das geschieht mit einer Arroganz, die einen erschaudern lässt!

Sonnige Grüße :high_brightness:

Vermutlich nicht, da Japan diese Experimente in den letzten 20 Jahren bereits mehrfach unternommen hat und damit gescheitert ist.

Wörgl war (und ist) ein Kaff mit damals knapp 5000 Einwohnern, das 1932/1933 für gerade einmal 14 Monate Schwundgeld einführte, das nur innerhalb dieses Kaffes verwendet werden konnte, noch nicht einmal von allen Wirtschaftssubjekten akzeptiert wurde und gerade mal in einem Volumen von 50.000 Euro (heutige Kaufkraft) in Umlauf war.

Mal ganz davon abgesehen, daß sich ein Rückschluß von den damaligen (angeblich-vermeintlichen) Erfolgen auf eine ganze und international verflochtene Volkswirtschaft ganz offensichtlich verbietet, wären bei einer flächendeckenden Einführung eines solchen „Geldes“ ganz andere Aspekte zu berücksichtigen als bei der damaligen freiwilligen und kurzfristigen Verwendung als Parallelwährung in einer wirtschaftlich unbedeutenden Enklave.

Immer wieder übersehen wird nämlich u.a., daß ein schneller drehendes Geld die Folge hätte, daß sich die Staatsquote deutlich erhöhte, weil die vereinnahmte Umsatzsteuer sofort in die Höhe schösse. Natürlich ist das für Anhänger von Gsell, Keynes und Marx
kein Problem, aber die meisten anderen hätten daran wenig Spaß. Dies nicht zuletzt, weil der Staat erwiesenermaßen in den meisten Fällen/Marktbereichen der ineffizienteste Marktteilnehmer ist.

Hallo,
Woergl war. Heute gibt es auch „Schwundgeld“, den Chiemgauer zum Beispiel. Das ist zwar auch kein richtiges Geld, das Ziel ist mehr der Verbleib in der Region. Jedoch sieht man auch dort, wie die Belastung durch die Maerkchen die Umlaufgeschwindigkeit hochhaelt. Es gibt weitere Beispiele.
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Fuer eine Volkswirtschaft und wirtschaftstheoretische Studien kann man an dieser Stelle erfassen, wieviel Schwund eine Waehrung benoetigt fuer den gewuenschten Geldumlauf. Das koennte eine der Aufgaben der EZB sein.
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Auch muessten genuegend Volkswirte und Betriebswirte in diesen Gedanken ausgebildet sein.
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Banknoten mit Schwund, Girokonten mit Negativzins. Um mal Beispielzahlen einzufuehren, Investitionen mit Zinsgewinn. Also Investitionen mit 1 Prozent Zinsgewinn fuer den Geldgeber, bei sonst 4 Prozent Zinsverlust auf dem Konto, macht 5 Prozent Anreiz zum Investieren. Und unter null also minus 4 Prozent Anreiz zum Aufbewahren fuer die Rente. Kaum noch bis gar keine Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes. Vielleicht sind auch +1 und minus 8 Prozent noetig fuer eine gut laufende Wirtschaft, bei 9 Prozent Belohnung fuer Investitionen.
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Aufgabe der EZB koennte sein, diese Zinssaetze zu beeinflussen und zu steuern. Dafuer ist nicht Bargeldverbot noetig, sondern andere Bargeldscheine, die an Wert verlieren und denen man es ansieht.
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Gruss Helmut

Das Problem ist, daß man den Fachleuten gar nicht zuhört, wenn sie über dieses Thema reden.

Schwundgeld ist nämlich keine Lösung. Wörgl und Chiemgauer sind keine realen Beispiele, sondern lokal und/oder zeitlich abgrenzte Spielchen, an denen sich die beteiligen, die daran glauben und Bock darauf haben. Geld mit eingebautem Wertverlust ist nicht die Lösung allen Übels (von welchem Übel reden wir überhaupt? Eine Zeit des Wachstums nahe des Nullpunktes? Oh, was für ein Drama.).

Wenn man die Leute nötigt, Geld schneller auszugeben als sie es vorhatten, erreicht damit nicht Wirtschaftswachstum, sondern Ausweichverhalten. Es kann sein, daß dieses Ausweichverhalten kurzfristig zu dem paßt, was sich die Politiker wünschen, d.h. die Leute geben das Geld kurzfristig für Konsum aus. Dann sparen sie das Geld aber nicht und schaffen sich dann auch entsprechend nicht später etwas größeres an oder sie verschulden sich dafür, wenn sie es brauchen und nicht auf Erspartes zurückgreifen können.

Eingeschobene Preisfrage: was hat uns so gut durch die Krise gebracht?
a) Frau Merkel
b) hohe Sparquote bzw. geringe Verschuldung der privaten Haushalte
c) vergleichsweise geringer Anteil des inländischen Konsums am Inlandsprodukt
d) das Zusammenspiel von b und c

Die Leute, die keinen Bock haben, ihr Geld sinnlos zum Fenster rauszuwerfen, werden es investieren, d.h. längerfristiger als geplant dem Geldkreislauf entziehen. Das wird dazu führen, daß die Preise für Gold, Silber, Aktien oder was auch immer im Preis steigen werden. Daraus wird sich die ein oder andere Blase entwickeln und am Ende stehen die Betroffenen ohne ihre Reserven auf ihren Konten da.

Zweite eingeschobene Preisfrage:
Was hat die expansive Geldpolitik der EZB bisher gebracht?
a) hohes Wirtschaftswachstum
b) gestiegene Inflation
c) liquiditätsgetriebene Blasen an den Aktien- und Anleihemärkten
d) Zinssätze für Staatsanleihen auf dem tiefsten Stand seit Menschheitsgedenken
e) eine Mischung von c und d

Es ist nun auch nicht so, daß in der Vergangenheit Inflation (also Geldentwertung) zu mehr Wirtschaftswachstum geführt hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Und besser noch: verliert eine Währung an Wert, verliert sie auch das Vertrauen derjenigen, die sie benutzen sollen. Vielmehr entwickeln sich Parallelwelten und -währungen. Niemand wird gezwungen sein, mit einem Schwundeuro zu bezahlen. Dann zahlt man halt wieder mit Zigaretten, Kohle oder Ziegen (wobei letztere den Vorteil haben, daß sie mit der Zeit sogar an Wert gewinnen). Oder - noch einfacher - mit Dollar, Pfund oder Kronen.

So oder so: Schwundgeld ist keine Lösung für gar nichts. Es gibt genug Alternativen oder - noch schlimmer - genug Fehlentwicklungen, die ein solches Geld nach sich ziehen kann.

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