Hallo!
Was ist daran logisch? Es ist ein verbreiteter Irrtum, für Sonderanfertigungen von Einzelstücken (100 Knöpfe sind praktisch wie Einzelstücke) müsse man z. B. nach Fernost gucken. Dem Irrglauben saß ich vor vielen Jahren auch auf, weil ich mir mehrmals einreden ließ, es gäbe als Mittelsmänner fungierende Agenten, die sich um alles kümmern und den Auftrag an passende Produzenten ihres Heimatlands weitergeben. Trotz gegenteiliger Beteuerungen ging es ausnahmslos immer schief. Dabei lernte ich Neues. Nie hätte ich geahnt, was man bei der Herstellung alles falsch machen und vermurksen kann.
Wer akzeptable Qualität von sonstwoher haben will, muss nach Sonstwoher reisen, muss höchstselbst mit den Herstellern reden, auch um vor Ort die Möglichkeiten und Grenzen zu erkennen. Konstruktion, Materialauswahl und Feinheiten der Qualität stehen nämlich immer in Wechselwirkung mit den vorhandenen Fertigungsmöglichkeiten.
Die Lektion mussten viele Leute lernen, die auf niedrige Preise hofften. Schon der ganze Reisezirkus verbietet sich bei Kleinkram. Wenn es denn irgendwann um eine Zehnerpotenz größere Stückzahlen geht, werden nicht etwa die von mir geschätzten 40 €/St. fällig, weil man dann nämlich an eine Spritzgussform denken kann. Die Form kostet einen Haufen Geld, aber die Spritzgussteile fast nichts mehr. Auch dafür beauftragt man keine Chinesen, sondern eine Spritzgießerei in der Nähe, zu der man höchstens eine Autostunde Anfahrt hat, damit man miteinander reden kann und sich zu Details sinnvoller Ausführung beraten lassen kann. Es kommt nämlich durchaus vor, dass Chinesen ihre Spritzgussformen für etwas höhere Ansprüche in D fertigen lassen.
So simpel ein Knopf auf den ersten Blick auch erscheinen mag, muss er doch bestimmten Anforderungen genügen. Der Knopf wird nämlich ziemlich teuer, wenn er während des maschinellen Annähens bricht oder nach erster Wäsche zerbröselt, weil sich Materialstrukturen veränderten oder sich unter Sonnenlicht verfärbt oder im Textil dauerhafte Spuren hinterlässt oder hier nicht zugelassene Stoffe enthält oder die Lieferung viel Ausschuss enthält, den man erkennen und händisch aussortieren muss.
Die mittelständischen Gewerbestrukturen in D gehören zu unseren größten Standortvorteilen. Für so ziemlich jedes karierte Maiglöckchen haben wir die Spezialisten, die geeigneten Maschinen und Materialien in greifbarer Nähe. Vergleichbares gibt es in z. B. China nicht.
Einzelstücke sind immer teuer. Wenn es später um größere, automatisch gefertigte Stückzahlen geht, ist man in China auch an der falschen Adresse, weil der Automat in China nicht billiger als in D arbeitet. Auch das eine Lektion, die viele Hersteller erst bitter lernen mussten.
Ein Kriterienkatalog, unter welchen Umständen es sich lohnt, nach einem Land mit niedrigerem Lohnniveau Ausschau zu halten, würde hier den Rahmen sprengen. Aber grundsätzlich gilt, dass man als Hersteller (oder als solcher auftretender Importeur) die Qualität im Griff haben muss. Das ist wortlich zu nehmen. Im Griff hat man nur, worauf man unmittelbaren Zugriff hat, also den Hersteller mitsamt aller zum Einsatz kommenden Verfahren und ihrer Qualitätskontrolle kennt, also mit eigenen Augen gesehen hat.
Regelmäßig tauchen Fragesteller auf, die speziell gefertigte Musterstücke brauchen, seien es Handtaschen, irgendwelches mechanische oder elektronische Zeug und hier eben Knöpfe. Regelmäßig gibt es dabei Ratschläge, im fernen Ausland fertigen zu lassen und ebenso regelmäßig kann solcher Rat nur auf Hörensagen mit unbekannter Quelle beruhen. Er ist nämlich - zurückhaltend ausgedrückt - wenig zielführend.
Gruß
Wolfgang