Ich finde es wirklich beeindruckend, was Du so alles selber machst. Dafür bin ich grundsätzlich auch immer zu haben. Aber Du schaffst Dir hier jede Menge Imponderabilien in Bezug auf das fertige Brot, weil Du überhaupt keinerlei standardisierte Zutaten verwendest, und schiebst es dann alleine auf den Sauerteig, wenn das Brot für deine Ansprüche nicht luftig genug ist. Gleichzeitig gibt es aber jede Menge Leute hier und anderswo, die mit einem ganz lässig geführten Natursauer sehr ordentliche Ergebnisse beim Brotbacken mit im Übrigen standardisierten Zutaten erzielen. Da passt also irgendetwas nicht.
Vielleicht ist deine Erwartungshaltung an ein Brot, wie Du es herstellst, einfach zu hoch. Die extrem luftigen Brote, wie man sie im Supermarkt aus der Backfabrik bekommt, sind kein geeigneter Maßstab für ein selbstgebackenes Sauerteigbrot. Die klassischen Sauerteigbrote mit hohem Roggenanteil sind deutlich kompakter. Erst recht, wenn man viel Vollkornanteil hat. Es ist also kein Fehler, wenn ein so selbstgebackenes Brot nicht mit Fabrikware mithalten kann.
Aber es ist doch jeder frei darin, dass für ihn selbst passende Rezept zu finden. D.h. man kann die Mehlmischung in Richtung eines höheren Anteils feinerer Mehle ausrichten, und ausreichend Reinzuchthefe einsetzen, wenn man ein möglichst luftiges selbstgebackenes Sauerteigbrot haben will.
In wie weit man bereit ist, vor welchem Hintergrund und mit welchem Ziel welche Justierungen vorzunehmen, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Aber es kommt eben raus, was man zuvor rein gesteckt hat. Und man kann durchaus mit einem sehr lässig geführten Sauer sehr anständige Brote erzeugen, wenn die übrigen Parameter stimmen. Daher ist es einfach nicht wahr, dass man Sauerteig zwingend in einem extrem engen und konstanten Temperaturbereich führen müsste, weil er sonst grundsätzlich nicht funktioniere würde.
Es mag sein, dass Dir die von Dir gewählte Temperatur hilft, angesichts deiner speziellen Anforderungen und Wünsche das für Dich bestmögliche Brot zu bekommen. Aber das kann man eben nicht verallgemeinern. Und ich finde es schade, dass man mit für den Normalfall vollkommen überzogenen Anforderungen Anfänger abschreckt, sich einfach mal selbst mit einem eigentlich ganz unkomplizierten Thema zu beschäftigen.
Ich habe mich selbst auch lange Zeit an diese „Wissenschaft“ nicht ran getraut, weil mir das alles viel zu aufwändig erschien, um es „so nebenbei“ betreiben zu können. Der erste Sauerteig stammte dann inkl. Rezept vom Bäcker, der ihn für ein Schulprojekt zur Verfügung gestellt hatte. Nur weil dabei ein Rest übrig blieb, habe ich überhaupt mal versucht, diesen weiter am Leben zu erhalten, und stellte dann fest, dass das ein sehr umgänglicher, ganz robuster Kerl ist, der einem kaum etwas krumm nimmt, und sich bei Bedarf auch schnell wieder ganz unproblematisch neu ansetzen lässt. Und damit möchte ich gerne den Leuten Mut machen, die es auch einfach mal ausprobieren möchten, ohne sich gleich in Unkosten zu stürzen.