Heutzutage weniger charakteristische Stimmen als früher?

Einen guten Abend!

Manche Klassik-Liebhaber sind der Meinung, dass es heutzutage unter Sängern, vor allem aber unter Sängerinnen an charakteristischen Stimmen mangelt. Es heißt, viele Sänger/innen atmen schlecht, singen nicht stimmschonend und können kein legato wie frühere Generationen singen.

Ist die Meinung gerechtfertigt? Oder handelt es sich nur um eine subjektive Betrachtungsweise?

Ich weiß selbst nicht, wie ich diese charakteristischen Stimmen beschreiben sollte, da mir die musikalischen Fachbegriffe fehlen. Sie klingen irgendwie rund, wohlklingend, nuanciert und vollendet.

Z.B.:

Marian Anderson singt „Élégie" von Massenet
https://www.youtube.com/watch?v=2V9ZnPB3InY

Christa Ludwig sind „An die Musik" von Schubert
https://www.youtube.com/watch?v=_moURGssx0w

Peter Anders singt „Ständchen" von Schubert
https://www.youtube.com/watch?v=V7JXiyihNJY

Enrico Caruso singt „A vucchella"
https://www.youtube.com/watch?v=9JtMTRYFQ6w

Ja. Während man früher mit einer Stimme polarisieren wollte - und oft genug auch nur eine Randsparte besetzte - will man heute möglichst viele erreichen.
Nur ganz selten noch, sind „moderne Stimmen“ auf ein bestimmtes Genre ( und damit verbunden an eine bestimmte Charakteristik) zugeschnitten.

Wer erfolgreich sein will, muss „Entertainer“ sein, dessen Stimme eben nicht speziell für ein bestimmtes Genre ist.
Ansonsten sorgt heute natürlich auch die moderne Tontechnik dafür, dass man aus einer speziellen Stimme einen Einheitsbrei machen kann.

Übrigens …
Damals musste man viele Jahre trainiert haben, um ein erfolgreicher Sänger werden zu können. Heute muss man nur einen entsprechenden Förderer haben (z.B. eine Castingshow) um erfolgreich sein zu können.
Dafür hält der Ruhm eben nicht so lange … ja, ist manchmal sogar direkt nach der Show schon wieder verflogen

Herzlichen Dank für die Antwort!

In einem Sachbuch heißt es zum Stichwort Timbre:

Timbre, Farbe, spezielle Stimmfarbe. Jeder Sänger hat prinzipiell ein eigenes Timbre. Vorrangiges Ziel der Ausbildung ist es, dieses ganz individuelle Timbre herauszuarbeiten. Stimmerziehung, die lediglich auf Nachahmung aufbaut, verfehlt dieses Ziel manchmal. Ergebnis sind dann austauschbare Stimmen, die nicht mehr zu unterscheiden sind.

Roesler, Curt A./Hohl, Siegmar (Hg.): Der große Opernführer. Werke, Komponisten, Interpreten, Opernhäuser. Sonderausgabe für Bassermann Verlag. Gütersloh/München: Bertelsmann Lexikon Verlag, 2000, S. 596.

Ich finde das heutzutage einfach alle Sängerinnen gleich klingen finde man hört kaum einen Unterschied. Das kann entweder an den von dir angesprichenen Gründen liegen oder aber das alle Stimmen digital nachbearbeitet wurden