Hallo Sandra!
Hoffentlich kommt ihr bald aus dieser Situation wieder raus, ich kann mir vorstellen, dass sie für euch alle sehr anstrengend ist.
Deine Kinder lieben dich übrigens bestimmt heiß und inniglich, aber wenn sie an uns ihre Agressionen und Gefühle nicht erproben können, an wem sollen sie es denn sonst tun? Sieh es mal anders herum: dass deine Tochter bei dir trotzig sein kann und dich „hassen“ kann, kommt daher, dass sie sich deiner Liebe so ganz sicher ist, sonst würde sie das nämlich nie riskieren!
Ich möchte weder als Eheberaterin fungieren noch mich in eure Erziehung einmischen, ich habe mir nur ein paar Gedanken gemacht, weil ich selbst berufstätig bin und zwei Kinder habe und deshalb solche Situationen, die aus Mangel an Zeit, ev. Geschwisterrivalität u.ä. entstehen, durchaus auch kenne.
Grundsätzlich mal: ein Papa-Kind (oder Opa-Kind oder Mama-Kind …) zu sein, empfinde ich nicht grundsätzlich als schlecht. Das Jungen sich immer an Frauen/Müttern orientieren, glaube ich übrigens nicht. Einer meiner Neffen ist ein Opa-Kind, mein einer Sohn ein Mama-, der andere ein Papa-Kind … Jedem von ihnen wird diese besondere Beziehung gegönnt, allerdings besteht sie auch nicht darin, den anderen Eltern- oder weitere Familienteile von einer Beziehung weitestgehend auszuschließen oder andere Beziehungen abzuqualifizieren.
Die Qualität meiner Beziehung zum Kind kann übrigens - diese Meinung habe ich mir auch erst „erarbeitet“ - nicht daran gemessen werden, wieviel und wie lange ich mit meinem Kind spiele (ich gestehe einfach mal, dass ich z.Zt. vermutlich nicht einmal auf eine Stunde täglich käe), nicht die Quantität, die Qualität ist entscheidend. Jedwede Form von Kommunikation, von Zusammensein, von Mitfühlen etc. beziehe ich mit ein, nicht nur das Spiel, sondern auch Streit, Diskussionen, gemeinsame Unternehmungen etc. All das gehört nämlich zum Familienleben dazu! In deiner Ehe zählt doch auch jeder Tag und nicht nur der Hochzeitstag, oder? Nicht jeder Tag ist ein Sonntag, auch nicht in der Beziehung zu meinen Kindern und meine Kinder dürfen das durchaus auch schon in ihrem zarten Alter mitbekommen, wie sollen sie sonst später mal überleben, wenn sie glauben, das Leben bestünde nur aus Sonnenschein?
Mir scheint, an eurem Lebensrhythmus hat sich etwas geändert, seit deine Tochter geboren ist. Am Anfang hatte offenbar dein Mann viel Zeit (toll, zwei Stunden jeden Abend!). Deine Tochter hat das - ganz klar - genossen. Jetzt - so glaube ich verstanden zu haben - hat dein Mann abends nicht mehr so viel Zeit und außerdem gibt es noch ein zweites Kind, dass auch gern miteinbezogen werden möchte, was die Zeit für das erste zusätzlich verringert.
Damit hat deine Tochter gleich mind. zwei Probleme. Sie ist sicherlich noch zu klein, um zu verstehen, warum sich Papa plötzlich nicht mehr so viel mit ihr beschäftigt. Aber sie bemerkt es natürlich und versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu reagieren. Und außerdem ist da noch der Rivale, gegen den sie sich behaupten muß.
Verschlimmernd kommt aus meiner Sicht hinzu, dass eure Tochter (zumindest könnte ich mir vorstellen, dass das ihre unbewußte Sichtweise ist, aber ich bin keine Psychologin) keinen hat, der eine konsequente Position bezieht. Und ihr beide als Eltern bietet auch keine gemeinsame Linie, an der sich das Kind festhalten kann. Damit seid ihr nicht berechenbar und dass macht ihr sicherlich Angst. Dein Mann hat abends keine Zeit mehr, also versucht er sein schlechtes Gewissen morgens durch inkonsequentes Verhalten zu beruhigen. Von dir sprichst du übrigens gar nicht, aber ich nehme mal an, dass du dich doch auch um sie kümmerst und Zeit mit ihr verbringst, auch wenn du sicherlich ebenso ungern wie kindliche Spielkameraden hörst, dass du nur die 2. Geige spielen sollst. Im übrigen, welche 2. Geige, ich vermute mal, dass du die Kinder tendenziell meist fütterst, anziehst, tröstest etc. und Papa den schönen Part der Freizeitgestaltung übernimmt (so hört es sich jedenfalls an), da würde ich mir doch gar keine grauen Haare wachsen lassen, er hat es damit sehr viel leichter als du und Punkt. Außerdem bringt es nichts, dass gegeneinander aufzurechnen, vergiss es einfach. Ihr beide seid ihre Eltern und ihre Erziehung ist euer gemeinsames Bier - die schönen, wie die hässlichen Tage.
Meiner Laien-Meinung und Erfahrung mit zwei Kindern (9 und 3) nach war und ist die Trotzreaktion des Kindes immer dann am größten, wenn ich mir selbst am unsichersten bin und damit nicht konsequent reagiert habe. Selbst dann, wenn ich der Meinung war oder bin, halbwegs konsequent zu sein, kann ich an der Reaktion meiner Kinder ablesen, ob ich es auch in ihren Augen bin.
Verstehe mich nicht falsch: wir reagieren auf Trotz grundsätzlich weder mit Schlägen (unsere Kinder wurden noch nicht geschlagen, jedenfalls nicht in strafender Absicht, sondern höchstens (in abgeschwächter Form) zur Demonstration, wie weh beißen, kneifen, schlagen etc. tun kann), noch mit Strafen. Wir wiederholen nur gebetsmühlenartig, dass es dieses oder jenes nicht gibt oder so und so laufen wird und schicken schlimmstenfalls das Kind zum Abkühlen auf sein Zimmer. Und egal wie gebetsmühlenartig ein abgelehnter Wunsch wieder vorgetragen wird, er wird auch nach Tobsuchtsanfällen etc. nicht erfüllt, wenn grundsätzlich schon geklärt war, dass er nicht erfüllt wird. Hauen etc. der Kinder wird nicht durch zurückhauen geahndet, sondern durch entfernen (entweder des Kindes oder des Erwachsenen, was leichter fällt, meinen Neunjährigen kriege ich nicht mehr aus dem Zimmer getragen, beim Dreijährigen fängt es auch schon an, schwer zu werden). Und erst wenn das Gemüt wieder abgekühlt ist(vorher kann das Kind sowieso gar nicht zuhören, weil es in seiner Trotzreaktion verfangen ist), wird eine Grundsatzdebatte über Schlagen, Hauen, Beissen etc. geführt. Hat unter Umständen nicht gleich Erfolg, aber auf lange Sicht m.E. schon.
Wenn ihr also eurer Tochter helfen wollt, denke ich, werdet ihr in den sauren Apfel beißen müssen (fällt mir auch jedes Mal schwer, aber ich bin auch jedes Mal überrascht über das Ergebnis!) und eine konsequente gemeinsame Linie fahren. Dein Mann und Du, ihr müsst euch im Detail gar nicht mal immer einig sein, Kinder können durchaus akzeptieren, dass Papa zwei, Mama aber nur eine Geschichte vorliest, oder dass man bei Opa Fernsehen gucken kann, bei Onkel Egon aber nicht. Aber in den Grundsätzen sollte man die Diskussionen nicht vor den Kindern austragen, jedenfalls nicht in diesem Alter. Wenn die Kinder älter sind (bei unserem großen Sohn geht das schon ein bißchen), kann man auch dem Kind gegenüber offenlegen, dass man manchmal unterschiedlicher Meinung ist, aber wenn der eine Elternteil so entschieden hat, sollte der andere dann nur noch sagen, ich denke zwar aus den und den Gründen anders oder so und so, aber die Sache ist entschieden und dabei bleibt es. Bei einer Dreijährigen hat das allerdings, denke ich, noch keinen Zweck, das übersteigt ihren Horizont.
Die Zeit der Konsequenz wird hart für euch, je nachdem, wie eure Tochter gerippt ist, vielleicht noch härter, wahrscheinlich werdet ihr eine ganze Weile auf dem Zahnfleisch gehen, aber wie gesagt, ich bin bei meinen Jungen immer wieder angenehm überrascht, wenn diese bittere Zeit dann plötzlich hinter uns liegt und unsere Jungen wie ausgewechselt sind, geradezu froh und erleichtert, dass ihre Eltern nicht umgekippt sind, dass sie berechenbar sind - auch wenn sie das, was sie erreichen wollten, nicht erreicht haben, wirken sie plötzlich viel glücklicher als zuvor.
Jetzt hört es sich doch irgendwie an, als wüsste ich es besser, aber so ist es nicht gemeint. Nimm meine Bemerkungen doch einfach als Denkanstoß? Vielleicht ist ja bei euch auch alles ganz anders?
Viel Glück und haltet durch!
Susanne
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