Buddhismus und so …
Hallo Myces,
ich möchte speziell nur auf Deine Anmerkungen zum Buddhismus eingehen.
wie schon der Titel sagt
geht es Dir um „Selbstfindung“ und darum, Dich
religiös […] zu orientieren.
Ich befürchte, ich muss Dir bestätigen, dass Du mit diesen beiden Anliegen beim Buddhismus nicht fündig werden wirst. Da geht es eben gerade nicht um Selbstfindung, sondern um die Erkenntnis, was das Selbst eigentlich ist - nämlich grundsätzlich nur ein ‚Selbstmodell‘ (T. Metzinger). Es gibt ein recht treffendes Zitat des Zenmeisters Dōgen Kigen (aus dem Genjokoan-Kapitel des Shobogenzo), das die ‚Selbstfindung‘ auf buddhistische Art beschreibt:
„Was man das Ergründen des Buddhaweges nennt, ist das Ergründen des Selbst.
Was man das Ergründen des Selbst nennt, ist das Vergessen des Selbst.
Was man das Vergessen des Selbst nennt, ist Aufgehen im Bezeugen der Erleuchtung durch die zehntausend Dinge.
Was man Bezeugen der Erleuchtung durch die zehntausend Dinge nennt, ist das Ineinander-Aufgehen von Körper und Geist des Selbst und Nicht-Selbst, wenn sie sich lösen und abfallen.“
Ich vermute mal, dass der Rat, zur Selbstfindung das Selbst zu vergessen, nicht so sehr Deinen Geschmack trifft.
Auch der Wille zu einer weltanschaulichen Orientierung ist nicht der geeignete Zugang zum Buddhismus. Buddhismus ist keine Weltanschauung (Philosophie, Religion …), sondern ein Yoga, eine ‚ganzheitliche‘ (um diesen Modeausdruck zu benutzen) Lebensweise, die sich weltanschaulicher Begründungen bedient. Wobei die Begründungen keinen dogmatischen, sondern einen pragmatischen Charakter haben - sie sind keine ‚Wahrheiten‘ bzw. ‚Glaubenswahrheiten‘ sondern ‚geschickte Mittel‘ (upaya). Weswegen - nebenbei bemerkt - Buddhisten im Vergleich zu anderen Religionsanhängern deutlich geringere Probleme mit dem Tolerieren heterodoxer Ansichten und Lehren haben.
Primär ist das Praktizieren dieser Lebensweise - der Grund / die Begründung dafür allenfalls sekundär. Die religiöse Praxis erwächst zunächst aus einem ‚Vertrauen‘ (shraddha) heraus. Aus der Praxis resultieren Einsichten, die als Wissen (besser: Weisheit, prajna) das ‚Vertrauen‘ rechtfertigen und ablösen. Oder auch nicht, dann lässt man es eben bleiben. Vertrauen, shraddha, ist also etwas anderes als der Glaube in den monotheistischen Religionen. Es ist allenfalls ein ‚Glaube auf Vorschuß‘, dessen Rückzahlung eingefordert wird. Und zwar noch zu Lebzeiten, nicht in einem ‚Jenseits‘.
Sicher lässt sich nun fragen, wie man dann (falls man nicht in ein entsprechendes soziales Umfeld hineingeboren wird) überhaupt dazu kommt, sich mit solchem ‚Vertrauen‘ dem Buddhismus zuzuwenden. Nun, dazu gehört eine initialisierende ‚Rechte Sicht‘ von der Leidhaftigkeit menschlicher Existenz und der Wille, dieses Problem zu lösen. Auch wenn der erste Punkt - der philosophische Pessimismus, für den in der abendländischen Philosophie vor allem Arthur Schopenhauer (vgl. http://zensplitter.blogspot.de/2010/03/duhkha.html) steht, der nicht zufällig eine große Affinität zum Buddhismus hatte, Deiner Behauptung:
Der Buddhismus ist ja irgendwie grundlegend negativ
zu entsprechen scheint, so steht die nun wirklich „grundlegende“ Aussage des Buddhismus doch in deutlichem Widerspruch dazu - nämlich die, dass die Leidhaftigkeit der Existenz nicht gottgegeben oder unabänderliches Schicksal, sondern kausal verursacht ist, dass die Aufhebung der Ursachen notwendigerweise auch das durch sie bedingte Leiden aufhebt und dass die buddhistische Lebenspraxis (der oben erwähnte „Yoga“) eine Methode sein könnte (hier kommt das Vertrauen, shraddha, ins Spiel), diese Ursachen und damit Leiden zu überwinden. Etwas ausführlicher und im Zusammenhang mit dem Problem Determinismus sowie der buddhistischen Nicht-Selbst-Lehre wird das z.B. hier erörtert: http://zensplitter.blogspot.de/2010/02/unfreier-will…
Die „initialisierende Erkenntnis“, von der da die Rede ist - häufig ausgelöst durch persönliche Leiderfahrungen, die Selbst- und Weltbild erschüttern und damit den, der sie erfährt, für neue Einsichten öffnen - ist keine intellektuelle Erkenntnis, sondern eine existentielle Erfahrung. Ohne diese ist es nicht sonderlich sinnvoll, sich mit dem Buddhismus zu beschäftigen - es bleibt dann intellektuelle Spielerei. Wie schon angedeutet, bietet die buddhistische Lehre auf solche Fragestellungen:
Ich stoße in den Naturwissenschaften nun öfter an den Punkt, wo ich nach dem Warum frage und es einfach kein Antwort gibt. Meine persönliche Schlussfolgerung daraus ist, dass es noch etwas hinter den Dingen geben muss.
keine Antworten. Im Gegenteil - Deine „persönliche Schlußfolgerung“, „dass es noch etwas hinter den Dingen geben muss“ wirst Du da nicht bestätigt finden. Im Gegenteil - die Dinge sind wie sie sind, es gibt so wenig etwas „hinter“ den Dingen wie „vor“ ihnen. Mit Metaphysik hat der Buddhismus reichlich wenig am Hut.
Zwar ist der Buddhismus wie andere Religionen auch eine Heilslehre - übrigens mE der einzige Grund, ihn als Religion zu bezeichnen - aber keine, die auf etwas außerhalb von Dir, „hinter den Dingen“ Existierendes, als Quelle des Heils verweist.
Da bist Du bei theistischen Religionen vermutlich tatsächlich besser aufgehoben. Womit natürlich noch nicht gesagt ist, dass deren Antworten für jeden taugen - das muss jeder für sich beurteilen (was insbesondere Christen und Muslime allerdings häufig ganz anders sehen). Ein Buddhist muss sich seine Antworten schon selbst geben. Und die berühmte ‚Sinnfrage‘ wird da *nur* dadurch gelöst, dass sie sich irgendwann nicht mehr stellt - weil man bemerkt, dass es eine sinnlose Frage ist.
Freundliche Grüße,
Ralf