Die Rede bezog sich darauf, die Bestrafung für die unerlaubte Werbung einer Abtreibung straffrei zu stellen.
In diesem Zusammenhang sagte er, dass dieser Strafbestand ein Gesetz aus der Nazi-Zeit sei.
Eigentlich müsste dieser Abgeordnete etwas angestoßen haben indem er mit einem Fingerzeig in Richtung Bereinigung des Strafrechts von nationalsozialistischem Gedankengut gewiesen hat.
Aber von dieser Problematik dringt nichts nach draußen zu den Bürgern.
Sollte sich der Bundestag damit beschäftigen und das Strafrecht bereinigen?
Meinst Du daß wir generell alle Gesetze die vor 1945 gegolten haben, jetzt abschaffen sollen?
Auch wenn ich mit den Politischen Verhältnissen damals nichts am Hut habe, es gibt viele Gesetze die damals gegolten haben, und heute noch gelten. Es gibt sogar noch Gesetze aus der Weimarer Republik, und sogar welche die bis ins Mittelalter zurückreichen.
In der Zeit vor 1945 war Mord zB genauso verboten wie heute. Sollen wir deswegen das Gesetz das Mord unter Strafe stellt abschaffen? Wie ist es mit Diebstahl? und so weiter.
Es ist einfach unsinnig, nur weil ein Gesetz vor 1945 gegolten hat, jetzt zu sagen, daß das Gesetz heute abgeschafft gehört.
Nur weil generell ein Regime regiert hat, daß auf Unrecht aufgebaut war, war nicht jedes Gesetz falsch. Auch damals mussten zwangsläufig Gesetze existieren, die heute genauso Gültigkeit haben, sonst hätten sich die damaligen Machthaber gar nicht so lange an der Spitze halten können.
Über den Paragraphen bezüglich Abtreibung kann man streiten. Aber das „Argument“, daß der Paragraph von „damals“ stammt, und deswegen heute geändert gehört, ist einfach Unsinn.
Verschiedene Straftatbestände bestanden bereits vor 1933. Ich bin nicht sicher, wie es sich mit dem Tatbestand verhält.
Teilweise gab es tatsächlich Stimmen, die Gesetze, nur weil sie in der Nazizeit verabschiedet wurden, abgeschaffen, ändern etc. wollten. Logischerweise gab es aber auch durchaus sinnvolle Gesetze, die die Bundesrepublik weitergeführt hatte: http://www.taz.de/!5068958/
Gruß
rakete
Es macht immer Sinn, strafrechtliche Vorschriften vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung zu überprüfen. Allerdings ist es nicht so, dass ein Gesetz automatisch deshalb als überholt zu gelten hat, nur weil es alt ist oder aus einer Zeit stammt, die grundsätzlich natürlich gerade auch in Bezug auf ihre Rechtsprechung extrem kritisch zu sehen ist.
Alte Gesetze und Gesetze aus der Nazi-Zeit ganz besonders, sind seit Beginn der Bundesrepublik immer wieder kritisch gewürdigt worden, und dabei ist ganz massiv ausgesiebt worden. Was all diese Siebe überstanden hat, hat sie überstanden, weil man - zumindest bislang - die darin getroffenen Regelungen auch für die Bundesrepublik als durchaus passend angesehen hat.
Vielfach lag das Nazi-Unrecht auch gar nicht in den erlassenen Gesetzen selbst, die für sich gesehen durchaus neutral waren, sondern in der Art ihrer Anwendung. D.h. solche Regeln mussten einfach nur vor dem Hintergrund eines neuen Rechtstaats (wieder) so angewendet werden, dass sie hiermit vereinbar sind.
Insoweit tue ich mich immer ein wenig schwer damit heute einfach die Nazi-Keule zu zücken, als ob niemand bislang bemerkt hätte, dass ein Gesetz aus dieser Zeit stammt, oder als ob man so ein Gesetz mit Absicht als Nazi-Gesetz bestehen lassen habe, um damit einer entsprechenden Gesinnung Ausdruck zu verleihen. Das ist schlicht und ergreifend Blödsinn.
Was die konkrete Regelung angeht, so hängt die natürlich am - inzwischen sehr aufgeweichten - Verbot des Schwangerschaftsabbruchs einerseits, aber andererseits eben auch am grundsätzlichen Werbeverbot für Ärzte. Und insoweit ist das gar kein so ganz einfaches Thema. Information in sachlicher Form ist Ärzten grundsätzlich gestattet, und angesichts der Aufweichung des Verbots des Schwangerschaftsabbruchs, konsequenterweise auch in entsprechenden Grenzen sicherlich zuzulassen. Mehr aber auch nicht. D.h. das Verbot der „Werbung“ wäre somit trotzdem nicht hinfällig.
Der Tatbestand wurde tatsächlich 1933 eingeführt:
Sie wurde 1933 von den Nationalsozialisten gesetzlich verankert, während gleichzeitig der § 218 StGB vorsah, dass Schwangerschaftsabbrüche mit Zuchthaus oder Gefängnis zu bestrafen waren, ab 1943 teils sogar mit dem Tod.
Ich konkretisiere meine Frage und beleuchte sie aus persönlicher Sicht. In Zusammenhang mit eigener Familienforschung habe ich das Strafrecht aus der Zeit der Weimarer Republik und dann präzise „meinen Fall“ auch mit juristischen Fingerzeigen beleuchtet.
Mein Großvater wurde 1922 ermordet - Raubmord. Er hatte eine kleine Druckerei und war mit den Lohngeldern auf dem Weg nach Hause. Tatbestand des Mordes, nach dem Strafgesetzbuch in der Fassung von 1871 wird wegen Mord bestraft, wer einen anderen Menschen mit Überlegung tötet. Im Strafrecht des 3. Reiches - so habe ich gelernt kommt es auf den Täter an. Wie der Täter bewertet wird ist entscheidend für das Urteil.
Hallo Karl44,
Und genau da liegt der Hase im Pfeffer: Nach der juristischen Definition des Kaiserreichs waren alle Tötungsdelikte als Mord zu bewerten, die bewusst begangen wurden. Hierunter würden z.B. auch Tötungen aus Notwehr fallen, die ja aus unserer heutigen Sicht keinesfalls Strafbar sind.
Um dieses juristische Problem zu lösen, haben die Juristen damals die Definition geändert und auf die Motivation abgestellt.
Um auf Deine ursprüngliche Frage zurückzukommen: Auch ich stimme meinen Vorrednern zu. Es ist unerheblich wer ein Gesetz erlassen hat. Wichtig ist, ob die Regelung noch geeignet ist um unser heutiges Zusammenleben zu regeln.
Dies muss natürlich ständig geprüft und ggf. überarbeitet (z.B. § 175 StGB) werden.
Dein
Ebenezer
Die Abgrenzung 211/212 StGB ist ja durchaus aktuell in der Diskussion. Andere Länder zeigen, dass es hierzu auch alternative Ansätze gibt, die auch funktionieren. Aber genau diese „auch funktionieren“ ist mE ein ganz wichtiger Punkt: Rechtsphilosophisch kann man natürlich ausgezeichnet über die Frage der Bewertung der Motivation des Täters streiten, und gibt es durchaus auch gute Gründe, die dagegen sprechen. In der praktischen Anwendung sehe ich allerdings keine wirkliche Notwendigkeit einer neuen Definition. Die Zahl der Fälle, die dann im Endergebnis der Verurteilung zu einer konkreten Strafe anders ausgehen würde, dürfte „sehr überschaubar“ sein, um nicht gleich zu sagen „in eher theoretischer Größenordnung“ liegen.
BTW: Der Täter des „Raubmordes“ ist deshalb Mörder nach der aktuellen Definition, weil er (je nach konkretem Ablauf) aus Habgier und/oder zur Ermöglichung/Verdeckung einer Straftat einen Menschen getötet hat. Ist doch ein wunderschönes Beispiel für eine Tatbegehung, die härteste Bestrafung verlangt, egal ob man die jetzt aus der Motivation des Täters, ableitet, oder wie immer man die auch sonst von Tötungsdelikten angrenzt, die man demgegenüber als weniger schlimm betrachtet.
Servus,
das klappt mit der Definition einer Ausnahme wie in § 32 StGB genauso gut.
Der Unterschied (und heute - wenn auch reichlich abstrakte und ohne besondere Auswirkung bleibende - Stein des Anstoßes) ist der Bezug auf die Person „Mörder ist, …“ und nicht auf die Tat, die ohne Ansehen der Person alleine für Bestrafung und Strafmaß ausschlaggebend sein sollte.
Schöne Grüße
MM