Historischer Johannes

Kennt jemand den neuesten Forschungsstand,

wie viele leibhaftige Personen diese in der Bibel erwähnten Gestalten waren:

  1. Johannes der Apostel
  2. Johannes der Evangelist
  3. Johannes der Lieblingsjünger

Dank und Gruß
Franz

Hallo Metapher,

Nein, ich meinte Johannes den Apotheker.

Habe erst neulich von ihm ein originales Fläschchen mit heiligem Johannes-Elixir gekauft und in meine Wasserpfeife gekippt, wegen meinem Raucherhusten. Der war danach aber noch viel schlimmer geworden!

Hat man mich belogen, über den Tisch gezogen? Kann ich Anzeige erstatten?

Gruß
Semsi

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Hallo Franz,

auch in der gegenwärtigen Johannesforschung werden nach wie vor dieselben Fragen kontrovers diskutiert, die auch schon bei Schnackenburg, Bultmann, Blank usw. im Fokus standen. Heute wären als Exponenten unter vielen anderen etwa Martin Hengel, sein Schüler Jörg Frey, sowie Klaus Wengst zu nennen.

Bis zur Mitte des 19. Jhdt. war kaum strittig, daß der Autor zugleich der war, „den Jesus liebte“ (ον εφιλει bzw. ον ηγαπα) und dieser wieder der Apostel, der Sohn des Zebedäus. Meist wurde mit ihm auch der Autor der Apokalypse identifiziert.

Den heutigen Stand der Forschung kann man etwa so zusammenfassen.

  • Der Zebedäussohn ist weder der „Lieblingsjünger“, noch der Evangelist

  • Zur „johanneischen Literatur“ zählt das Evangelium und der 1. Brief. Bei den meisten die beiden anderen Briefe auch.

  • Zur „johanneischen Literatur“ zählt jedenfalls nicht die Apokalypse. Wortgebrauch, Grammatik, Sprachstil, Christologie und Eschatologie schließen das aus.

  • Der Schwerpunkt liegt in dem Ansatz: Der Autor von Joh-Ev (zumindest von Entwürfen dazu) und den Briefen ist ein charismatischer Gründer einer Gemeinde, deren Christologie nicht ganz mit der synoptischen übereinstimmte. Und mit der paulinischen auch nicht. Aus dieser Gemeinde kommt auch die Endredaktion des Ev.

  • Strittig ist aber:
    A. Der Lieblingsjünger hat Jesus persönlich gekannt, und zwar sehr gut, war auch mit den Zwölfen vertraut, ebenso mit den örtlichen, zeitlichen und sprachlichen Gegebenheiten (also so, wie das Ev. ihn schildert) und zwar mehr als die anderen Evangelien-Autoren. Und ist auch der Gemeindegründer.
    Oder B: Der Lieblingsjünger und seine Präsentation im Ev ist eine retrospektive Idealisierung des Gemeindegründers durch die Gemeinde. .

  • Strittig ist ferner das Thema Frühdatierung oder Spätdatierung. Also anders als vormals, wo Konsens herrschte, daß das Ev und die Briefe um 90-100 n.Chr. verfaßt wurden, gibt es zunehmend Forscher, die im Kontrast dazu das Ev als sehr früh ansetzen, etwa in die Zeit des Römerbriefes, jedenfalls früher als die synoptischen Ev.

Gruß
Metapher

Ich schreibe Dir dazu eine private Nachricht.

Beste Grüße

Oliver

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Hallo,

zwei oder drei.

Der Apostel Johannes ist vermutlich der Lieblingsjünger des Johannesevangeliums, dessen Name im Johannesevangelium nicht genannt wird. Beide sind wahrscheinlich nicht der Verfasser des Johannesevangeliums.

Beste Grüße

Oliver

Ich habe Dir dazu eine private Nachricht geschrieben, weil die Frage in diesem Thread offtopic ist.

Beste Grüße

Oliver

Hallo Semsi,

Du meinst den Täufer? Nein, das ist in der Theologiegeschichte niemals ernsthaft angenommen worden. Aber das Joh.-Ev. läßt einige wichtige Schlußfolgerungen über die Beziehung zwischen der Jesus-Gemeinde und der Täufer-Gemeinde, sowie der Autor-Gemeinde zu. Es gibt zu diesem Spezialthema eine interessante Dissertation.

Gruß
Metapher

Hallo Oliver,

ist es nicht eindeutig, dass der (historische) Prophet Johannes vor jeder schriftlichen Aufzeichnung zu Christus starb?

Hallo,

eine kleine Zwischenfrage zu diesem interessanten Thema:

Wären nach diesen neuesten Erkenntnissen wenigstens Johannes der Evangelist und Johannes der Prophet die selbe Person?

Kenne leider Deine Quelle nicht.

Grüße
Semsi

Johannes der Evangelist lebte womöglich garnicht zu Jesus Zeiten, sofern dieser überhaupt je existierte. Es besteht der Verdacht, dass das Johannes Evangelium nicht vor Ende des 1. Jhdt. entstand.
Jesus dürfte eher eine Lieblingjüngerin, als einen Lieblingsjünger gehabt haben, sofern er nicht schwul war.
M.E. dürfte er eher ein Hetero gewesen sein und dann wäre Maria Magdalena seine Geliebte woh gewesen. Gewisse Andeutungen im NT lassen darauf schließen.
Es ist davon auszugehen, dass die späteren Kirchenväter das ursprüngliche NT verfälschten, einfach weil sie zutiefst frauenfeindlich waren und sexualfeindlich nochdazu.

Danke Metapher,

für die fundierte Darlegung!
Kann man sagen: Apostel, Evangelist, Lieblingsjünger bzw. Autor der Offenbarung waren mindesten 2 Personen?

Die Tradition hat dagegen nur zwischen dem Täufer und dem Apostel=Evangelist=Lieblingsjünger= usw. unterschieden.

Gruß Franz

Ein paar Takte zu dieser Gestalt.

Datierungs- und Verfasserfrage hängen eng zusammen. Eine extreme Frühdatierung der Art, wie sie neuerlich K. Berger vornimmt (dem sich Metapher anzuschließen scheint), also auf eine Zeit vor 70 CE (Zerstörung Jerusalems), hat einige Argumente gegen sich; vieles spricht vielmehr für eine extreme Spätdatierung (Mitte 2. Jh. CE).

Im einzelnen:

  • Die Extremfrühdatierung stützt sich auf die Annahme, dass es keine Hinweise auf die Zerstörung Jerusalems im JohEv gäbe. Dagegen spricht Joh 11,48, das als ein solcher Hinweis zumindest angesehen werden kann. Der in 5,2 erwähnte Badeteich wiederum, gleichfalls ein Frühdatierungsargument, kann sehr wohl die Zerstörung überstanden haben.

Manche Theologen nehmen mit guten Gründen an, dass das Evangelium in unmittelbarer Auseinandersetzung mit den gnostischen Schulen der Marcioniten und der Valentinianer entstanden ist, d. h. frühestens um 140 CE, vermutlich aber noch später, und zwar teils in Übernahme, teils in Ablehnung gnostischer Anschauungen.

  • Ein Argument dafür ist der Antijudaismus des Evangeliums, den es mit der Lehre des Marcion gemeinsam hat.

  • Sowohl Marcion als auch der Autor des JohEv erkennen den Täufer, im Unterschied zu den synoptischen Evangelien, nicht als Propheten des Christus an (1,21).

  • Die für das JohEv typischen Ich-bin-Worte sprechen für einen gnostischen Hintergrund. Solche Worte, religionsgeschichtlich vorgeprägt im viel älteren ägyptischen Isis-Kult, waren typisch für die gnostische Literatur, wie sie in den Funden von Nag Hammadi vorliegt. Die definitiv nicht-gnostischen Texte aus Nag Hammadi enthalten die Formel ´Ich bin´ bezeichnenderweise nicht.

  • Der sog. „antimarcionitische Prolog“, der dem JohEv ursprünglich vorangestellt war, kann auf die Jahre nach 150 CE datiert werden. Ich zitiere daraus:

Das Evangelium des Johannes wurde offenbart und den Kirchen gegeben von Johannes, als dieser noch im Leibe weilte (…) Geschrieben aber hat das Evangelium, während Johannes das wahre (Evangelium) richtig diktierte, Marcion, der Häretiker. Nachdem er aber von ihm verurteilt worden war, weil er entgegengesetzte Anschauungen hatte, wurde er von Johannes weggejagt (…)

Überliefert wird die Existenz des Prologs in den exegetischen Büchern des Papias von Hierapolis, einem der ersten Kirchenväter. Die Entstehung seines Werks wird unterschiedlich datiert, die Spannweite reicht von 90 bis 160 CE.

  • Ein weiteres Argument ist die im Ev dargestellte, im Unterschied zu den synoptischen Evangelien stark gnostisch anmutende Kosmologie. Dem Christus werden zudem weder eine Genealogie noch eine Geburtsgeschichte angedichtet, er erscheint vielmehr als eine himmlische Gestalt, die unvermittelt auf Erden Fleisch annimmt oder sogar nur einen Scheinleib; letzteres ist Thema der Doketismusdebatte um dieses Evangelium.

Für einen gnostischen Hintergrund sprechen weiterhin:

  • der Licht-Finsternis-Dualismus

  • die typisch gnostischen ´Fürsten der Welt´ als Gegner des Christus, welche die Menschen in Finsternis gefangen halten (12,31; 16,11)

  • Abstieg des Erlösers in die irdische Welt und Wieder-Aufstieg in die himmlische Licht-Welt

Nicht aus der Gnosis übernommen wird die gnostische Auffassung von zwei Göttern, einen guten und einem bösen, wobei die Welt die Schöpfung des letzteren ist.

Diese und weitere Argumente, die darzustellen jetzt zu weit führen würde, sprechen also für eine Abfassung des Evangeliums in einer Zeit der Auseinandersetzung der Katholiken mit ihren gnostischen Konkurrenten, vor allem den Marcioniten, d.h. in den Jahren um die Mitte des 2. Jahrhunderts CE.

Chan

Ich schrieb ja schon, daß der Offenbarungs-Autor nicht mit dem Evangelisten identisch sein kann.

Ferner ist kaum umstritten, daß der Lieblingsjünger, der ja auch mehrfach als „der andere Schüler“ bezeichnet wird, zum engsten Kreis der Schüler zählte, aber es wird bezweifelt, daß er mit dem Zebedäus-Johannes identisch war. Daß Letzterer als solcher in 21.2 indirekt namentlich genannt wird, spricht u.a. dagegen.

Aber es gibt für jede Version, ob engster Kreis oder nicht, jeweils gute Argumente. Meine eigene Arbeit an diesen Texten führen zu dem Ergebnis: Der Lieblingsjünger gehörte zum engsten Kreis, kommt wie Andreas und Jesus aus der Täuferumgebung, er ist ein Schulgründer, aber nicht unbedingt ein Gemeindegründer, er ist der Autor im hohen Alter des 1. Briefes, er oder ein kongenialer Schüler von ihm ist der Autor des Ev… Und das Ev ist zumindest in den eigenen Vorabreiten des Autors sehr viel früher als die Synoptiker und auch als der Römerbrief (D.h. viele Theologeme hat Paulus von ihm gelernt). Er kennt die Henochische Texttradition und hat enge Verbindungen mit dem Umfeld der Philo-Schule in Aleaxandria

Das nur so am Rande.

Gruß
Metapher

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