Wie war das im Mittelalter, haben die Kinder selbst ihre Eltern mit „Sie“ angesprochen?Wie streng war das damals gehalten?Und gab es überhaupt Fälle in denen man einander „geduzt“ hat ( allgemein)?
Wie war das im Mittelalter, haben die Kinder selbst ihre
Eltern mit „Sie“ angesprochen?Wie streng war das damals
gehalten?Und gab es überhaupt Fälle in denen man einander
„geduzt“ hat ( allgemein)?
Hallo, Philipp,
Soweit ich weiß wurde eher ge"ihr"t, also 2.Person Plural.
Das „Sie“ kam erst viel später auf.
Wie war das im Mittelalter, haben die Kinder selbst ihre
Eltern mit „Sie“ angesprochen?
Im Mittelalter war das „Du“ die übliche Anrede. Im Spätmittelalter verbreitete sich das „Ihr“ für höherstehende Gesprächsparter. „Sie“ hat im Mittelalter kein Mensch gesagt.
Die deutsche Sprache hat sich im 4. bis 6. Jahrhundert nach Christus aus den
westeuropäischen germanischen Dialekten entwickelt, also zu Beginn des
Frühmittelalters. In dieser althochdeutschen Form war das Du die einzige Anrede.
Hoch- und Spätmittelalter – Mittelhochdeutsch – Du und Ihr
Im neunten Jahrhundert kam als Anrede für hochgestellte Personen das Ihr dazu – als
Pronomen des PLURALIS MAIESTATIS ‘Eure Gnaden’. Für sich selbst benutzten die Edlen
das Pronomen ‘Wir’ – ‘Unsere Gnaden’. (Vordem – in der Spätantike – hatten nur die
römischen Kaiser den PLURALIS MAIESTATIS für sich in Anspruch genommen.) Das
Mittelhochdeutsche verwendete das Ihr im Hoch- und Spätmittelalter (1000 – 1500)
nicht nur als Anrede für Edle, sondern allgemein auch als respektvolle Anrede für
Fremde.
Neuzeit (vor der französischen Revolution) – Hochdeutsch – Sie und Er
In der Neuzeit – in der hochdeutschen Form also – wurde das Ihr so inflationär, dass es
als Anrede für Hochgestellte zu wenig Respekt ausdrückte. Man führte deshalb das Sie
ein – als Pronomen für den Plural ‘Ihre Gnaden’: Der Herr durfte nicht mehr direkt
angesprochen werden, nur noch über eine anwesende oder gedachte dritte Person. Das
Sie verdrängte dann das Ihr nach und nach. Bei solchen Klassenunterschieden wirkte
auch die Anrede ‘Du’ für Untergebene zu respektvoll. Die Hochgestellten begannen,
diese ebenfalls indirekt anzureden – mit Er – also auch über eine anwesende oder fiktive
dritte Person.
Neuzeit (nach der französischen Revolution) – Hochdeutsch – Sie und Du
Das Er verschwand mit der französischen Revolution; das Sie hingegen wurde als
Anrede für die neuen Herren – die Bürger – übernommen. Im 19. Jahrhundert waren
deshalb nur noch zwei Anreden übrig – das Du für vertraute und das Sie für fremde
Menschen.
Heute ist jede Anrede eine Entscheidung zwischen intimem Duzen und distanzierendem
Siezen. Es gibt das intime Du zwischen Freunden und das kollegiale Du am Arbeitsplatz,
aber auch das respektvolle Du im Emmental und in sozialdemokratischen Parteien.
Dasselbe respektvolle Du hat im Internet Einzug gehalten. Die Duzerei im Fernsehen
dagegen ist inflationär und wirkt zuweilen aufdringlich und deplaziert. Auch das
respektlose Du gegenüber Ausländern ist nicht auszurotten.
Also, ich habe in den späten Fünfzigern für einige Zeit in einem kleinen Dorf in Hessen gewohnt.
Wir Kinder und auch die Jugendlichen sprachen die alten Menschen im Dorf mit Tante/Onkel und „ihr und euch“ an.
Das ging so - Tante Dina, habt ihr noch was zu besorgen?
Onkel Klaus, soll ich euch noch Kaffee eingießen?
Hallo, Kerensa,
Nein nachträglich korrigieren geht so nicht.
Höchstens so: Strg+C - Artikel löschen, „Antwort schreiben“, im Schreibbereich Strg+V - dann kannst Du verbessern und neu abschicken.
Am Besten vor dem Abschicken die Vorschau benutzen.
Aber zum Thema:
Ich kenne das auch. Auf dem Dorf in Franken, wo ich aufwuchs (so in den 40er Jahren), wurden Respektspersonen - und das waren alle älteren Leute - mit „Ihr“ und „Euch“ angesprochen.
Gruß
Eckard
ist ja witzig.
Im westlichen Rheinland ist das ‚Ihrzen‘ eine Zwischenform zwischen Du und Sie.
Wenn man einer Person noch nicht so vertraut ist, daß man sie duzen würde, oder Alters- bzw. Hirarchieunterschiede ein automatisches dutzen verbieten, wird die Person geihrzt. Dann kann die älter/höherstehende Person darauf eingehen und das Du anbieten und alles ist klar. Oder sie bleibt beim Sie und dann ist es auch klar.
Es gibt aber auch Dauerformen des Ihrzen oder Mischformen zwischen Sie und Ihr.
Die Feinheiten sind für Außenstehende kaum vermittelbar
was es bei uns alternativ zum „Ihr-en“ vereinzelt - z.B. von alten Handwerkern- gibt, ist das Er-en bzw Sie-en (gibt´s auch eine richtige Bezeichnung dafür?):
„Braucht er sonst nochwas?“
Klar das „er“ dem Mann direkt gegenübersteht und tief in die Augen schaut…
In der Neuzeit – in der hochdeutschen Form also – wurde das
Ihr so inflationär, dass es
als Anrede für Hochgestellte zu wenig Respekt ausdrückte. Man
führte deshalb das Sie
ein – als Pronomen für den Plural ‘Ihre Gnaden’: Der Herr
durfte nicht mehr direkt
angesprochen werden, nur noch über eine anwesende oder
gedachte dritte Person. Das
Sie verdrängte dann das Ihr nach und nach. Bei solchen
Klassenunterschieden wirkte
auch die Anrede ‘Du’ für Untergebene zu respektvoll.
Wirklich, zu respektvoll? War es nicht eher zu undistanziert?
Im Grunde ist doch genau das Gleiche Phänomen wie bei der Anrede Höhergestellter: Man redete sich nicht mehr direkt, sondern indirekt an.
Für mich klingt dieses ganze indirekte Getue ein bisschen so, als wolle man sich gegenseitig nicht mehr direkt ansprechen, geradezu so, als könne man sich nicht mehr gegenseitig in die Augen schauen.
Es klingt auch so, als wolle man manche Dinge nicht direkt ansprechen, vielleicht auch unter anderem die evtl. ja auch schon damals in Wirklichkeit als ungerecht empfundenen Klassenunterschiede. Ich finde, diese ganze Epoche hat etwas Übertünchendes, die Wirklichkeit Verschleierndes an sich, jedenfalls das Zeitalter des Barock und Rokoko.
aber auch das respektvolle Du im Emmental
Was ist das denn für ein Du? Redet man sich im Emmental mit Du an?
Auch das
respektlose Du gegenüber Ausländern ist nicht auszurotten.
Das kann aber daher kommen, dass manche Ausländer mangels besserer Sprachkenntnisse alle Leute duzen. In einer Fremdsprache vertut man sich da halt sehr leicht, insbesondere wenn man schon froh ist, wenn man überhaupt verstanden wird.