Hühner in Frankreich

Hallo,

habe seit Jahren kein Bresse-Huhn mehr gegessen, hätte aber mal wieder richtig Lust drauf. Da ich jetzt Elsass-nah wohne, fahre ich auch gerne kilometerweit zu einem Restaurant, das aber möglichst keine Schickimicki-Bude sein sollte.

Freue mich auf Antworten und Tipps.

Mit besten Grüssen vom Oberrhein

Schreibman

Giggeler im Alsass
Servus,

im Elsass hat es auch sehr hübsche Poulets, weil man da den Mais eher für Geflügelmast als für Biogasanlagen nimmt. Das Futter kostet auf diese Weise ein paar Cent mehr, aber die Ergebnisse sprechen für sich.

Sicher gibt es Unterschiede, aber die Hauptsache ist, dass man die Gickel ein kleines bissele langsamer schlachtreif macht als in D, so dass man die Knochen nicht mitessen kann. Das wirkt sich sehr aufs Fleisch aus.

Wenn Du magst, kannst Du ja einmal in die „Sept Chênes“ zwischen Langensoultzbach und Goersdorf schauen, das ist das frühere Bahnhofshotel aus der Zeit, als Langensoultzbach ein Bahnhöflein an der heute als Piste Cyclable noch zu erkennenden Nebenbahn nach Lembach hatte. Die Wirtschaft gehört zu der auch in F rar gewordenen Kategorie „gutbürgerlich“ unterhalb der „Grande Cuisine“ und deutlich oberhalb von Steak/Frites - sowas, was es vor vielleicht vierzig oder fünfzig Jahren auch hierzulande in einem ordentlichen Bahnhofshotel gab - Madame ist stolz darauf, dass sie, obwohl man mit den Sept Chênes sicher keine Goldene Nase erwirtschaften kann, immer einen gelernten Koch in der Küche hat.

Ihre Cuisse de Poulet mit einem Rieslingsößlein (öfters Tagesessen an Freitagen), begleitet von einem Fläschlein Clevner, ist die Reise wert.

Gute Chancen auf einen gscheiten Giggeler hat man auch in Jaegerthal (ex Hotel/Restaurant Fischer) und im „Ange“ in Climbach (gleich neben dem vielgerühmten Cheval Blanc).

„- Schang, geh, schass’ mer die Giggeler aus äm Schardä, die mangi mir alli Karotte!“

Schöne Grüße

MM

Poulet de Bresse à l’origine

  • noch eine Adresse: Das Poulet de Bresse gleich neben seiner Herkunft bekommst Du im früheren Lyoner Brotteaux-Bahnhof, in dem die Gruppe Paul Bocuse eine Dependance im Stil einer Brasserie betreibt („l’Est - Cuisine des Voyages“), in der es ein kleines bissele hemdsärmeliger zugeht als sonst bei Bocuse, man den Köchen hinter einer Glassscheibe bei ihrem Handwerk zuschauen kann, unter der Decke als Dekoration ein Spur I - Züglein hin- und herfährt und den „Meilleur Ouvrier“ als Schienenküsser outet, und wo das Poulet de Bresse „à la Bocuse“ - direkt an den Knochen grade noch ein bissle rot - auf den Tisch kommt.

Schöne Grüße

MM

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Na, das sind ja wunderbare Antworten und Tipps, lieber Herr Poisson d’avril. Ganz lieben Dank dafür!

Den Satz „Schang, geh, schass’ mer die Giggeler aus äm Schardä, die mangi mir alli Karotte!“ habe ich übrigens noch von meiner Mutter - Gott hab’ sie selig! - im Ohr. Sie war zwar keine Elsässerin, sondern Badenerin aus dem Schwarzwald, konnte aber sehr gut Französisch, war nach dem Krieg Dolmetscherin „beim Gouverneur“.

Gibt’s gute Giggeler eigentlich auch im Supermarkt?

Danke nochmals!

Schreibman

Statt Karotte
sagte sie allerdings „legüme“ :wink:

Französisches Geflügel im Supermarkt
Servus,

auf der deutschen Seite hat es das Geflügel aus Loué in einige Supermärkte, die verbliebenen Kaufhof-Lebensmittelabteilungen und zu einigen Wochenmarkthändlern geschafft - man darf halt nicht so daran denken, wie ewig weit es gefahren wird, obwohl es eigentlich keine Hexerei ist, gscheite Giggel zu erzeugen. In Loué, einer Kleinstadt im Pays de la Loire, haben sich schon länger bevor das Wort „malbouffe“ erfunden war, die Geflügelerzeuger zu einem Erzeugerring zusammengeschlossen, der unter der Marke „Loué“ langsam und mit Auslauf gemästetes Qualitätsgeflügel erzeugt und vertreibt.

Bei Edeka gibt es Hähnchen und Hähnchenteile mit dem Siegel „Label Rouge“ (bäuerliche Erzeugung aus Frankreich, auch schon etwas älter als die Mode - 1965-), die sich vom Standard auch schon ganz wohltuend absetzen und am Oberrhein im Wortsinn naheliegend aus Elsässer Produktion kommen.

Auf ziemlich vielen Wochenmärkten in Nordbaden und der Pfalz (insgesamt etwa 20) ist der Putenhof Ullrich (Helmstadt-Bargen) vertreten, der mit Getreidefütterung und Freilandmast die Puten wieder aus der Schmuddelecke gebracht hat, in die sie mit der Billigproduktion geraten waren. Ergänzt wird das bei Ullrich durch einen sehr guten Metzger, der aus den Ullrichschen Puten Wurstwaren macht, denen man mit keinem Hauch anschmeckt, dass es sich um „de l’ersatz“ handelt. Eine geschmorte Putenkeule wird da wieder etwas richtig Nettes - man muss da keine Bedenken haben, dass man mit Zwiebelchen, Gemüse, Gewürzen und Wein den Eigengeschmack erschlägt.

Schöne Grüße

MM

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Hans im Schnoogeloch - off topic

  • ja, mit den Legüme funktioniert das natürlich noch schöner!

Falls Du - wie Du andeutest - relativ frisch in der Gegend bist, noch zwei Adressen am Rand zum Thema „Hans im Schnoogeloch“:

Etwas vom Besten über die „Schámpatiss“ (abgesehen von den Elsass-Romanen von René Schickele und den „Deux Mathilde“) ist das relativ junge Tomi-Ungerer-Museum in Strasbourg, wo man nicht nur einen reichen Fundus von Werken Ungerers bewundern kann, sondern auch ein gefilmtes Interview mit Ungerer sehen und hören kann, in dem er beschreibt, wie er - angeblich - zum Zeichnen gekommen ist: In seiner Schulbücherei hätten die Deutschen 1940 alle französischen Bücher entfernt, und dann 1945 die Franzosen alle deutschen Bücher, so dass er keine Gelegenheit mehr hatte, überhaupt etwas zu lesen - und da sei ihm bloß der Zeichenstift geblieben.

Was mich wegen der Unmittelbarkeit aber auch sehr beeindruckt hat, ist eine Sonnenuhr in Reichshoffen (die „Schlacht von Woerth“ 1870 heißt bei Nachbars „Bataille de Reichshoffen“, obwohl sie in Wirklichkeit bei Froeschwiller ausgetragen wurde): Man sieht dort einen geschlagen abziehenden französischen Infanteristen, der von einer Frau und einem Mädchen in elsässer Tracht verabschiedet wird, und dazu den Text „D’ Zît und d’Sonne blîwe nit stehe“ in Fraktur. Das „S“ von „Sonne“ ist dabei so gestaltet, dass man es auch als „H“ lesen kann: „Honne“ = „Hunnen“ hießen im fränkischsprechenden Nordelsass die deutschen Nachbarn, „Schwowe“ sind sie erst ab Haguenau und südlich.

Viele schöne Entdeckungen bei den Waggis wünscht

MM

off topic
„Poisson d’avril“
…übsch.

Es passt zur Leichtigkeit, mit welcher du wie stets gehaltvollste Beiträge präsentierst. Ist einzigartig hier im Forum.

Franz

und ich wünsche mir eine brettübergreifende Suche nach Usern im neuen w-w-w

Allo und merci!
Was „gehaltvollste Beiträge“ betrifft, gebe ich das Kompliment gerne an unseren alleswissenden Aprilscherzer weiter. Ich hab ja nur ne Frage gestellt und er hat so viele Antworten gegeben.

Bonne soirée à tout le monde!

Schreibman

Poulet de Bresse à la Belle Epoque
Salü,

jetzt hab ich noch eine Adresse: Ich hab einen Freund in Lyon gefragt, was er einem Besucher empfehlen würde, wenn im „l’Est“ kein Tisch zu kriegen ist.

Seine Empfehlung (und in dieser Hinsicht ist J. ein valeur sure) ist die Brasserie „Le Français“ in Bourg en Bresse, die seit 1897 eine Reihe von Generationswechseln ohne jeden Schaden erledigt hat und in Bourg „die Adresse“ für gutbürgerliche Brasserieküche ist. Dort nicht bloß das legendäre Poulet, sondern auch die frittierten Frösche aus der Dombes, und das in einem denkmalgeschützten prachtvollen Saal aus der Belle Epoque, ohne dass Preise und Publikum den Rahmen einer Brasserie sprengten.

Guck mal - c’était au temps où Bruxelles rêvait, c’était au temps du cinéma muet…

Schöne Grüße

MM

Bon soir!

Hast mir schon wieder ein Zitat geschickt, das mich an jemand erinnert. Als Jacques Brel 1978 starb, arbeitete ich mit seiner Tochter France zusammen in der gleichen Brüsseler Ecole Berlitz.

Danke für den Tip „Le Français“ in Bourg-en-Bresse, den ich mir aufheben werde, bis es mal wieder in Richtung Midi geht. Die Sache mit den frittierten Fröschen werde ich dann spontan vor Ort entscheiden. Da gibt es sicher noch Alternativen, n’est-ce pas? :wink:

A la prochaine!

Schreibman