Hühnerhaltung: Was ist ein "Ruckschlitz"?

Hallo zusammen;

in einem im Jahr 1900 in Württemberg verfassten Text beschreibt der Autor u. a. zeitgenössische Gepflogenheiten bei der Tierhaltung, die zum Teil recht skurril sind.

In diesem Kontext bin ich auf den für mich rätselhaften Begriff „Ruckschlitz“ gestoßen. Vielleicht ist dies ein Begriff, der (schwäbisch sprechenden) Hühnerhaltern geläufig ist?

"Hat eine Henne sich verlaufen, so muß man eine Schere vor das Fenster legen, dann
kommt sie wieder. Läßt man ein junges Hühnlein durch den Ruckschlitz hinaus
u. dann in den Spiegel sehen, dann bleibt es beim Haus. Damit eine Katze nicht durchgeht, führt man sie 3mal um den Tischfuß herum u. läßt sie in den Spiegel sehen."

Frage: Was ist ein „Ruckschlitz“?

Danke für Eure Mühe!

Es grüßt
Renardo

Das ist, heutzutage, eine besondere Form des Briefkastens. Der hat vorne und hinten ´nen Schlitz. Der hintere ist groß genug um daraus den Briefkasten zu leren.
ramses90

Vermutlich eine Hühnerklappe.
Im Sinne von „Rückkehrschlitz“.

Aus welcher Zeit stammt der Text?

Servus,

auch hier bloß Mutmaßung, mal wieder:

Ein Schlitz im weiteren Sinn ist jede hohe, schmale Öffnung. Da die Hühner vor allem in rauheren Gegenden selten in einem eigenen Stall gehalten wurden, wenn man sie im Kuhstall (mit Sitzstangen unter der Decke und Nestern in Wandnischen) unterbringen konnte, wo sie von der Wärme des Viehs profitieren konnten - das fand erst nach dem zweiten Weltkrieg ein Ende, als der Tuberkulose durch systematisches Unterbrechen der Ansteckungswege zu Leibe gerückt wurde -, würde ich (obwohl ich den Begriff dafür im Schwäbischen nie gehört habe) die hintere Stalltür (die zur Mistlege auf der Rückseite des Hauses führt) vermuten, die halt auch bloß einen Mistkarren breit sein muss und nicht wie das vordere Tor in der Mitte zum Futtergang einen Wagen durchlassen muss.

Schöne Grüße

MM

siehe Frage!

Ups, da war mein Bildschirm zu Ende. :upside_down_face:

Die klingt aber zumindest sehr logisch.

Servus,

die

ist wenig wahrscheinlich, die heißt Hennafälle. („fälle“ wie Falle für Schiebeladen, auch noch erhalten in „Fallenstock“ und „Hosenfalle“).

Schöne Grüße

MM

Ich kenne schwäbische Mundarten zwischen Fünfbronn/Schwarzwald, Besigheim und Aulendorf, stamme aus dem ländlichen Raum und habe meiner Läbdag Kontakt zu landwirtschaftlichen Angelegenheiten.

das kommt daher, dass Schwäbisch in keiner seiner Ausprägungen als Schriftsprache gelten kann.

Und glaub mir: Hühnerklappe ist unter jeder Garantie kein schwäbisches Wort - aber das gehört nicht hierher.

Wohl aber vielleicht noch die Erläuterung, dass mit der Umlautung Falle >> Fälle ein Diminuitiv gebildet wird, eine Falle ist a Falla, aber 's Hennafälle ist Neutrum.

Schöne Grüße

MM

  • ich bin mit meiner Mutmaßung auch nicht besonders glücklich und täte mich freuen, wenn jemand eine bessere Erklärung für das eigenartige Wort hätte, aber das Hennafälle kurzerhand in Ruckschlitz umzubenennen, halte ich für zu kurz gegriffen - zumal man das nicht extra erwähnen müßte: Entweder, es gibt einen extra Hennenstall (wie bereits erwähnt, waren die um 1900 eher selten), dann gibt es nur einen Weg dort hinaus, den man nicht benennen muss, oder die Hennen sind im Kuhstall untergebracht, wie das um jene Zeit üblich war, dann ist der Ruckschlitz irgendeine Öffnung des Kuhstalls.

Schöne Grüße

MM

Es wurde nach der Bedeutung von „Ruckschlitz“ gefragt, nicht nach schwäbischen Synonymen. „Hühnerklappe“ bezeichnet genau das was ich beschrieben habe.

Ich habe nicht gesagt dass „Hennafälle“ falsch ist, nur dass es keine Suchergebnisse liefert, während der Begriff „Hühnerklappe“, dessen Richtigkeit angezweifelt wird, massenweise Suchergebnisse liefert.

Was auch niemand behauptet hat.

Entschuldige - dass der Begriff „Hühnerklappe“ sehr häufig zu finden ist, ist keinerlei Indiz oder Beleg für Deine These, das um die 1900er Jahrhundertwende am nördlichen Albtrauf oder am Neckar verwendete schwäbische Wort Ruckschlitz bedeute Hühnerklappe.

Genau das.

Und Du vermutest, es könnte Hühnerklappe bedeuten - freilich ohne das in irgendeiner Weise zu untermauern, offenbar nur aus Gefühl.

Welche Spielarten des Schwäbischen kennst Du denn?

Schöne Grüße

MM

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Dass der Begriff häufig mit der von mir verwendeten Beschreibung verwendet wird, ist ein eindeutiges Indiz dafür dass meine Beschreibung für den Begriff korrekt ist und das ist doch das was du angezweifelt hast.

Hast du eine Quelle für die Herkunft gefunden oder woher weißt du so sicher dass „Ruckschlitz“ schwäbisch ist? Aus der Fragestellung ist nur bekannt dass der Text von einem Autor in Württemberg geschrieben wurde. Selbst wenn man davon ausgeht dass das Wort aus einem örtlichen Dialekt stammt und nicht vom Autor eingeschleppt wurde, muss das nicht unbedingt ein schwäbischer Dialekt sein.

Ich dachte das wäre eindeutig genug gewesen aber meinetwegen nochmal ausführlich:

Ruck(en)=bewegen
schlitz=Öffnung

Ruckschlitz=eine Öffnung die durch Bewegen von irgendwas geöffnet/geschlossen werden kann.
Öffnungen die mit einem verschiebbaren Brett geöffnet/geschlossen werden können, gab es und gibt es in vielen Bereichen. Bezüglich Hühnerhaltung wäre das dann wohl die Hühnerklappe.

Das Ding heißt heute in der Normalsprache natürlich Hühnerklappe, aber hier geht’s doch um ein Wort, das vor 125 Jahren in Süddeutschland verwendet wurde und das von jemandem, der die Wörter Hühnlein und Tischfuß verwendet. Außerdem fragt der Fragesteller explizit nach jemandem, der des Schwäbischen mächtig ist.

Insgesamt erscheint unwahrscheinlich, dass die Anzahl der Treffer einer Internetsuchmaschine irgendwelche Rückschlüsse darauf zulässt, ob das Wort im Württemberg des frühen 20. Jahrhunderts gebräuchlich bzw. Teil der lokalen Sprachwelt war.

Wie wäre es, wenn Du schlicht und einfach mal die Frage läsest, die @Renardo vorgelegt hat.

Ich hab keine Lust mehr, im Kreis herum zu reden.

Und Tschüs!

MM

Nein. Sondern Deine Erfindung.

Öffnen und schließen heißt dort, wo der Text herkommt, nicht rucka, sondern uff- ond zuamacha.
Und schieben heißt schiaba.

Ich seh schon, Du hast ungefähr so viel Ahnung vom Schwäbischen wie eine Kuh vom Fliegen.

Na dann -

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Hallo zusammen,

ich habe die Lösung des Rätsels gefunden:

Kurz gesagt geht es in Wirklichkeit um einen „Rockschlitz“, nicht um einen „Ruckschlitz“!!!

Zwar hat der Verfasser der Handschrift klar und eindeutig „Ruckschlitz“ geschrieben (siehe 2. Zeile der Handschrift, rot unterstrichen, - zum Vergleich, ebenfalls rot unterstrichen, ein Kurrentschrift-„o“ in „kommt“ sowie zwei Beispiele für „u“ in „durch“ und „hinaus“) …

… das Wort sollte aber eigentlich „Rockschlitz“ heißen, denn:

„[…] Ein neugekauftes Huhn […] lasse [man] dreimal durch den Rockschlitz fallen, ehe man es in den Stall bringt. […] Wenn man sie zum ersten Mal ins Freie läßt, so geschehe das über einen Schurz […] oder über ein Strohband. […]“
[Quelle: Landesstelle für Volkskunde Stuttgart / Württembergisches Landesmuseum Stuttgart: Volkstümliche Überlieferungen in Württemberg. Kommissionsverlag Müller & Gräff, Stuttgart 1980; S. 66.]

Da der Autor über eine sehr klare und gut lesbare Handschrift verfügte, hatte ich einen Lesefehler überhaupt nicht in Erwägung gezogen - und einen solchen Schreibfehler (um den es sich hier ja in Wirklichkeit handelt) natürlich ebensowenig.

Ich danke Euch allen für Euer engagiertes Bemühen um die Lösung dieses Rätsels!

Es grüßt
Renardo

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Hallo Renardo,

hab Dank für die Aufklärung - Grand chapeau ob so disziplinierter Archivarbeit: Für so ein Kuriosum eine Bestätigung in der Literatur aufzutreiben - da gehört etwas dazu, um 1900 hätte man daran einen „Stiftler“ erkannt…

Bei Betrachtung des Schreibfehlers des an sich gewandten Schreibers ein kleiner Schmunzler über die mittlerweile fast ausgestorbene Spezies des Vollblutschwaben: Zumindest nördlich der Donau und außerhalb des Rottenburgischen ist man scho au a bissle stolz darauf, dass man ganz ohne die Anweisungen eines Hochwürden in eigener Verantwortung das gottgefällige Leben eines Christenmenschen führen kann, und diese Selbstkontrolle läuft im Hintergrund permanent mit, so dass das (anompfirsich ganz unverfängliche) Wort „Rockschlitz“ bereits von weitem erkannt und unter Feuer genommen wird, noch lange bevor es Gedanke geworden ist. Und dabei kann dann halt so ein für sich selber unsinniges Konstrukt herauskommen…

Schöne Grüße

MM

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Hallo, Renardo,

bei diesem „Trick“ handelt es sich btw laut Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens - Band 4, S 1157 um einen „Durchziehzauber“:

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Und S 1154:

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Gruß
Kreszenz

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Ich vermute, dass das Wort sich auf Tauber bezieht. Der „Ruckert“ im Mittelhessischen Sprachgebrauch ist der Tauber. Im Märchen übrigens das Ruckediekuu… Blut ist im Schuh etc. Ein Ruckschlitz wäre dann die Öffnung im Taubenschlag für die Rückkehr in den Schlag.
Udo Becker