Hallo Hermann.
Dein Bericht liegt ja nun schon einige Zeit zurück. Was mir wiederfahren ist, ist noch keine 48 Stunden her … -offener Brief an meine Tierärztin-
Kleintierpraxis
-offener Brief an
meine Tierärztin-
14.02.2016
Sehr geehrte Frau N.
Sie haben
Chicco und mir in den zurückligenden Monaten bei der
Augenproblematik sehr geholfen. Auch wenn die Therapie nach
anfänglichem Erfolg leider keine nachhaltige Verbesserung ergab,
haben wir uns vertrauensvoll an Sie gewandt.
Ich habe Ihnen vor
allem auch deshalb vertraut weil ich davon überzeugt war, dass Sie
Ihren Beruf mit ungewöhnlichem Einfühlungsvermögen, Engagement und
Empathie ausüben.
Mit diesem Vertrauen haben wir Sie bei der
schwersten Entscheidung, mit der Hundehalter überhaupt konfrontiert
werden können, mehrfach konsultiert. Noch am Vortag Do, den
11.2.2016 haben meine Frau und ich mit Chicco Ihre Praxis
aufgesucht.
In einem längeren Gespräch verfestigte sich unsere
Überzeugung, dass wir Chicco erlösen wollen um ihm ein längeres
Dahin-siechen zu ersparen. Wir sind es ihm schuldig für die vielen
Jahre Treue, für Freude und Vertrauen, die er uns als Mitglied der
Familie geschenkt hat.
Sie haben erläutert, dass Sie eine
sanftere Methode der Euthanasie bevorzugen; eine zweistufige
Vorgehensweise (zunächst eine i.V. Sedierung und anschließendes
Einschläfern) würde den Hund nur unnötig beunruhigen und außerdem
würde das Mittel stark brennen.
Sie erklärten, wir können
jederzeit, wenn wir soweit sind, in die Praxis kommen. Dann brauchen
wir auch nicht zu warten. Chicco würde sanft innerhalb von 8 Min.
einschlafen. Ihre Worte.
Am Freitag, den 12.02.2016 habe ich
gegen 11:00 ausdrücklich nochmal in Ihrer Praxis angerufen und uns
für den Abend zwischen 17:00 - 17:30 angekündigt. Ich habe mich
ausdrücklich erkundigt, ob etwas dagegen spricht wenn Chicco vorher
noch eine letzte Mahlzeit (…ich habe sogar das Wort Henkersmahlzeit
benutzt) erhalten kann, was ausdrücklich bejaht wurde.
Wir
trafen gegen 17:05 in Ihrer Praxis ein. Außer uns waren keine
Patienten zu sehen. Ich trug Chicco in meinen Armen. Er schlief, wie
er es immer in der letzten Zeit tat, wenn ich ihn vor allem Nachts
stundenlang in der Wohnung umher getragen habe. Ich war ruhig und
gefasst in der sicheren Überzeugung das einzig Richtige zu tun und
in der Überzeugung in guten Händen zu sein.
Wir wurden bei
unserer Ankunft mit den Worten -Frau Nitzko kommt sofort- in einen
Praxisraum geschickt. Dort bin ich mit dem schlafenden Chicco im Arm
umher gewandert. Nach etwa 35 Minuten und der etwa 150igsten Runde um
den Metalltisch -oder war es die 250igste, die 350igste ?-
kam eine Helferin in den Raum um etwas zu holen und kündigte auf
Rückfrage an : Frau Nitzko kommt gleich. Was das heißt, habe ich
zurück gefragt, 5 Minuten ? 10 Minuten ? eine halbe Stunde ?.. Sie
verließ den Raum und murmelte etwas von : …ich frag mal
nach.
Chicco schlief in meinen Armen während ich weiter meine
Runden mit ihm um den Metalltisch drehte. (Eine geeignete
Sitzgelegenheit gab es in dem sehr engen Raum nicht, der zudem mit
vielen Hundeboxen vollgestopft wohl eher als Lagerraum und notbehelfs
OP diente.)
Wahrend der ganzen Zeit hörten wir laute Begrüßungs-
und Verabschiedungsszenen aber um uns kümmerte sich niemand.
Etwa
weitere 10 min. später setzte ich Chicco auf den Metalltisch ab -was
ihn beunruhigte-und besprach mit meiner Frau die Lokalität wohl
besser unverrichteter Dinge zu verlassen, als Sie in dem Augenblick
den Raum betraten. Da im Vorfeld schon alles besprochen war haben wir
den Dingen ihren Lauf gelassen und an dieser Stelle nicht weiter
insistiert.
Ich nahm Chicco wieder vom Metalltisch in meine
Arme, was ihn augenblicklich wieder etwas beruhigte. Während Sie die
Spritze aufzogen haben Sie noch irgendetwas zum verwendeten
Narkotikum gesagt.
Was dann geschah vermag ich nicht hinreichend
zu beschreiben. Ich war gefasst darauf, dass es durchaus
Nebenwirkungen geben kann. Ich war gefasst auf Laute, auf Krämpfe,
auf einen kurzen Todeskampf.
Ich war nicht gefasst auf das
was dann wirklich geschah.
Beim Einstechen der Nadel in
Chicco’s rechte Flanke jaulte dieser sofort auf. Sein Jaulen wurde
während der Verabreichung immer lauter und lauter. Auch als die
Nadel, die ihm starke Schmerzen bereitete wieder herausgezogen wurde,
beruhigte er sich nicht, was normalerweise der Fall war. So hatte er
in seinen 16,5 Jahren noch nie auf eine Spritze reagiert. Noch war
ich der Überzeugung, dass lässt jetzt gleich nach.
Doch
Chicco beruhigte sich nicht. Sein Jaulen wurde immer lauter und ging
in ein noch lauteres, anhaltendes Bellen über. Er konnte bellen,er
konnte auch energisch bellen, aber derartiges hatten wir in
seinem ganzen Leben von ihm noch nie gehört.
Ganz offensichtlich
bereitete ihm das Narkosemittel höllische Schmerzen, während er
hilflos und wehrlos in meinen Armen hing. Blind und unfähig sich
irgendwo abzustützen -so wie ich ihn in den Armen hielt- versuchte
er verzweifelt der Situation zu entkommen.
Er bellte und bellte.
Ratlose Blicke. Sie haben dann schließlich den Raum verlassen und
das Licht irgendwie ausgemacht …Chicco würde sich dann schon
beruhigen. Wir standen im spärlichen Licht einer offen Tür zu einem
Nebenraum quasi im Dunkeln. Licht konnten wir keines machen weil der
einzige Schalter im Raum nicht funktionierte.
Chicco beruhigte
sich nicht. Er bellte und bellte. Er versuchte weiterhin der
Situation zu entkommen. Auch nach 2 Min. bellte er aus Leibeskräften.
Seine Hinterläufe begannen zu krampfen. Ich spürte keine, aber auch
nicht die geringste Wirkung irgendeines Sedativums. Ich habe mich
ernsthaft geprüft, ob ich den Mut aufbringe ihn mit einem beherzten
Schlag gegen die Kante des Metalltisches zu erlösen. Ich habe den
Mut nicht aufgebracht und in Beruhigungsabsicht weiter leise auf ihn
eingeredet. (Es diente wohl eher zu meiner Beruhigung und der meiner
Frau.)
Schließlich nach ca. 5 Min. verließen Chicco langsam
die Kräft. Ganz sicher nicht durch das gespritzte Mittel. Er war
einfach erschöft. Das Bellen ebbte langsam ab und ging in ein
Wimmern über. Sein Atem war kräftig. Sein Herz schlug kräftig. Die
Krämfe an den Hinterläufen ließen nach.
Im Verlauf weiterer 5
Min. verstummte schließlich auch das Wimmern, die Atemamplitute ließ
nach und die Atmung wurde ruhiger. Chicco wurde schwerer in meinen
Armen. Die Atemfrequenz verlangsamte sich und wurde langsam
schwächer. Ich hielt Ihn noch eine Weile, biss ich sicher war dass
er nicht mehr lebte.
Meine Frau und ich brachen in Tränen
aus. Ich war verzweifelt und Hilflos. Ich habe mich bei Chicco wieder
und wieder für dieses Martyrium entschuldigt. Hätte ich auch nur im
Ansatz einen geringsten Hinweis darauf gehabt, was wir da gerade
erlebt hatten, würde Chicco noch leben und ich würde ihn weiter
pflegen bis an sein natürliches Lebensende. -Es war zu spät-
Ihre
anschließenden Ausführungen im Sinne von : „…er hat die
Aufregung“ gespürt, „…es sei nur psychologisch“ u.a.
weise ich zurück. Nein, es hat sich genau so zugetragen wie ich es
oben beschreibe ohne dabei unsachlich zu werden oder die emotionalen
Aspekte, die weit über diese Beschreibung hinausreichen, in den
Vordergrund zu rücken.
(Ich habe 20 Jahre meines Lebens eine
Rettungswache geleitet und weiß sehr wohl mit Extrembelastungen
dieser Art auch im persönlichen, familiären Umfeld umzugehen.)
Ich
kann nur an Sie appellieren : Bitte wenden Sie diese Methode der
Euthanasie nie mehr an ! Nie mehr !
Ich kann mir keine
Indikation vorstellen, bei der diese Methode -nicht einmal im
Notfall- irgendwie zu rechtfertigen wäre. Dabei interessiert es mich
nicht, ob es ein Anwendungsfehler war oder das eingesetzte Mittel
oder irgendetwas anderes als sinnloser Erklärungsversuch herhalten
soll.
Sei es nun die Pharmazie oder Ihr Berufsstand. Jeder der
hier versucht mit erklärenden und/oder verharmlosenden Worten
drumherum zu reden oder zu relativieren macht sich schuldig, zumal es
-wie ich inzwischen weiss, leider zu spät- kein Einzelfall ist (s.
T61). Wer diese Methode weiterhin befürwortet begibt sich m.E. an
den Rand esoterischer Scharlatanerie.
Kein Tier hat es
verdient derart jämmerlich zu krepieren.