wenn Dich das aufregt, stell Dich selber zur Wahl und heul
nicht! Es ist immer einfach, über das Unvermögen anderer von
aussen zu urteilen.
Hallo Jürgen,
urteile ich von außen? Wir stecken doch alle mittendrin.
In einigen Dritten Fernsehprogrammen wird täglich eine Tagesschau von vor 20 Jahren gesendet. Dabei fällt auf, daß viele Probleme, die uns heute beschäftigen, schon damals Thema waren. Werden die gleichen Probleme 20 Jahre lang beklagt, etwa Arbeitslosigkeit, Steuerlast und Sozialversicherungskosten, ist der Verdacht der Unfähigkeit bei den politisch Verantwortlichen wohl nicht mehr von der Hand zu weisen. Politisch verantwortlich ist sicher auch jeder aktiv und passiv wahlberechtigte Bürger.
Ich gebe Dir Recht, selbst etwas tun, statt nur zu meckern, ist der bessere Weg. Ich finde es für mich schade, diese Möglichkeit nicht zu haben. Als Selbständiger wäre politisches Vollzeit-Engagement gleichbedeutend mit der Aufgabe der Existenz.
Ein recht dickes Problem ist seit eh und je die Haushaltslage. Der öffentliche Dienst und Soziales fressen das Budget auf. Andere Dinge sind deshalb nur per Kredit finanzierbar mit entsprechenden Zinslasten. In unserem kleinen Ort gibt es ein kleines Zollamt - eine Jahrhundertwende-Villa voller Bediensteter. Da war ich heute, um eine bei Ebay ersteigerte Lieferung aus den USA abzuholen. Zugegeben, das elektronische Gerät ist etwas Spezielles, das gewiß nicht täglich über den Tresen geht. Zwei Mitarbeiterinnen des Zollamts beschäftigten sich damit und beratschlagten, während sie eine dicke Schwarte durchsuchten, ob sich da wohl eine passende Warengruppe findet. Auf meine früher überwiesenen 99 $ waren 3,7 % Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten. Die Summe von Kaufpreis und Einfuhrumsatz ergibt dann die Bemessungsgrundlage für die zu entrichtende Mehrwertsteuer. Als die passende Warengruppe dann endlich gefunden war, hatten die Damen etwa ein halbes Dutzend Formulare auszufüllen, um den Vorgang abzuwickeln. Alles per Hand mit Kugelschreiber, Lineal und etlichen Stempeln. Alles zusammen dauerte geschlagene 20 Minuten! Zu zahlen hatte ich schließlich 20,06 Euro. What a great deal! Da gibts keinen PC, der nach den ersten eingegebenen Buchstaben sofort die Nummer der Warengruppe zeigt und nach Eingabe des Wertes innerhalb einer Sekunde sämtliche Formulare fertig hat. Das Gebäude ist 100 Jahre alt und genau so arbeiten seine Insassen. Mit nur wenig Simpel-EDV könnte man einen Teil der Bediensteten dieses Amtes nach Hause schicken. Die Menschen werden mit wiederkehrenden, schematisierten Vorgängen beschäftigt, die eine Maschine einfach besser, billiger und schneller kann. Solche Arbeitsweise zieht sich in unterschiedlicher Ausprägung durch sämtliche Behörden und Amtsstuben.
Die teure Ineffizienz verschlingt einen beträchtlichen Teil des gesamten Steueraufkommens. In den Parlamenten sitzen vorwiegend Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, für die das Geld von der Bank kommt, wenn der Monat zu Ende ist. Für diese Menschen ist der Zusammenhang verloren gegangen zwischen dem, was sie im Kühlschrank haben und der dafür zu erbringenden Leistung. Wenn 100 Millionen in ein Staatstheater fließen oder 10.000 Euro in die Künstleraktion eines fliegenden Bratlings, ist den Verantwortlichen völlig abhanden gekommen, daß die 100 Millionen dem Steueraufkommen einer ganzen Industrieregion entsprechen und die 10.000 Spaßeuro waren die Lohnsteuer eines mittleren Verdieners eines ganzen Jahres.
Zum erheblichen Teil verantwortlich für das schwarze Loch, in dem das Steuer- und Abgabenaufkommen unseres Landes verschwindet, sind Politiker ohne den Schatten einer Ahnung von wirtschaftlichen Zusammenhängen. Wenn Herr Özdemir so überdeutlich seine Ahnungslosigkeit demonstriert, war das für mich Anlaß genug, sowohl ihm selbst als auch seiner Fraktionschefin, Frau Müller, einen Brief zu schreiben.
Ich halte das Erstaunen eines Bundestagsabgeordneten über die Tatsache, daß er auf Einkünfte Steuern zahlen muß, für inakzeptabel. Ich bezeichnete es als Dummheit und erkenne darin keine Verunglimpfung. Die Abgeordneten sind 100.000-Euro-Leute. Das sei ihnen gegönnt. Aber die Anforderungen, die man an den Inhaber einer Frittenbude selbstverständlich stellt, sollte man auch an diese Abgeordneten stellen dürfen.
Gruß
Wolfgang