Ich komm darauf nicht klar

HyHy zusammen

Die Überschrift sagt schon „womit“ ich nicht klar komme.
Woher kommt das, dass jetzt so viele sagen: Ich komm darauf nicht klar.
Oder kommt es mir nur so vor, dass es in den letzten 2-3 Jahren viel mehr geworden sind.
Oder sage ich es vielleicht auch falsch? :open_mouth:

Gruss
Karen

Hi,

woher das genau kommt, kann ich dir nicht sagen, aber ich schätze das das Teil des Sprachwandels ist, den unsere Sprache (und alle anderen bestimmt auch) laufend erfährt. Neue Ausdrücke kommen hinzu, werden anders ausgesprochen, etc. In letzter Zeit kann man beobachten, dass Grammatik und korrekte Aussprache in der Alltagssprache zunehmend an bedeutung verlieren.

Viele Sprachwissenschaftler streiten darum, ob man diesen Sprachwandel aufhalten muss/soll/kann, oder ob dieser zur Sprachentwicklung gehört, ähnlich verhält es sich bei Anglizismen.

lg
Tobi (hatte das bis Ostern im Deutsch-LK)

Hallo

In letzter Zeit kann man beobachten, dass Grammatik und korrekte Aussprache in der Alltagssprache zunehmend an Bedeutung verlieren.

Nicht erst in letzter Zeit. Das geht schon ziemlich lange so. Und ich gebe zu, nicht einmal ich (!) beherrsche die korrekten deutschen Formen, wie sie noch um das Jahr 900 jedermann kannte. Da sind schon unsere Vorfahren im frühen und hohen Mittelalter unglaublich schlampig gewesen.

Schauen wir einmal schönes, korrektes Deutsch an:

Ik gihorta dat seggen, ðat sih urhettun ænon muotin, Hiltibrant enti Haðubrant untar heriun tuem.

Welch Wohlklang von Nachsilben, welch Formenreichtum.

Wie hässlich dagegen schon 300 Jahre später:

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von heleden lobebæren, von grozer arebeit.

Wo sind die schönen Vokale der Nachsilben geblieben?

Wobei das immer noch geht, wenn man es mit diesem Sprachpanscher vergleicht:

Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde ruhest du auch.

Da ist ja nun fast gar nichts mehr übrig von den Nachsilben. Man weiss nicht einmal, ob das schlampige Aussprache ist oder fehlende Kenntnis der Grammatik…

Aber nicht nur bei uns spricht man nicht mehr richtig: Die Franzosen z. B. haben das schöne Latein so verhunzt, man kann es kaum noch wiedererkennen. Statt „ego“ sagen sie „je“, statt „hodie“ heisst es erst völlig unnötig aufgebauscht „ad illum diurnum de hodie“, was dann aber als „aujourd’hui“ genuschelt wird; statt „aqua“ sagen sie einfach „o“ und schreiben es dabei „eau“, als ob’s das besser machen würde…

Wobei die Römer nicht besser sind. Hör dich heute mal in Rom um – ist das noch die Sprache von Cicero? Und das war sie schon vor über 1000 Jahren nicht mehr…

Ganz zu schweigen von der Überschwemmung des Türkischen und des Lateinischen in Spanien durch das Arabische und die Entstellung des Arabischen in Malta durch das Italienische (also durch ein seinerseits verhunztes Lateinisch). Und und und …

:wink:

Viele Sprachwissenschaftler streiten darum, ob man diesen Sprachwandel aufhalten muss/soll/kann, oder ob dieser zur Sprachentwicklung gehört, ähnlich verhält es sich bei Anglizismen.

Also mal im Ernst: Man kann, wenn man will, schon die natürliche Sprachentwicklung zumindest teilweise kanalisieren, und hat das auch mitunter mit Erfolg getan: Beispiele sind das Ungarische oder das Isländische, wo man den Wortschatz von Lehnwörtern „gereinigt“ hat, indem man sie durch Lehnübersetzungen oder Neubildungen ersetzt hat. Wobei das wiederum selbst ein Sprachwandel ist, und so hat man nichts „bewahrt“, sondern etwas ganz Neues „erhalten“…

Grundsätzlich entspricht das dem Versuch, einen Strom wie den Amazonas umzuleiten.

Aber vor allem ist es nicht im mindesten die Aufgabe von Sprachwissenschaftlern. Ästhetik hat da nichts verloren, höchstens als Forschungsgegenstand.

Wobei ich persönlich natürlich auch einen Geschmack habe, der unter anderem viele Anglizismen widerlich findet („Den Termin können wir mal penciln.“), der auch diese Managersprache dämlich findet („Das haben wir nicht gut kommuniziert.“), der sich aber wissenschaftlich nicht fundieren lässt und den ich dennoch vertrete. Aber wie gesagt, das hat nichts mit dem Linguisten in mir zu tun, nur mit dem Ästheten…

Komplexes Thema.

Gute Nacht :wink:
dodeka

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Hallo und danke für diesen Artikel, gibt ein Sternchen :wink:,

ich meinte das jetzt im Bezug auf die momentan, bzw. in den letzten Jahren übliche Ausdrucksweise, aber du hast natürlich recht, dass sich die Sprache schon immer verändert hat und wahrscheinlich immer verändern wird.
Mich stört insbesondere auch das, was du „Manangerdeutsch“ nennst, wird übrigens gerne als „Denglisch“ bezeichnet, und „Tschantalle, isch bring disch und deine Bruder zum Oma und da könnt ihr eusch n Eis backen.“ Letzeres allerdings nur, wenn es nich als Jugendsprachdialekt benutzt wird und die Sprecher der „normalen“ Hochsprache einigermaßen mächtig sind, will heißen der Sprache, die man momentan in der Schule lernt.
Sprachwandel ist in Ordnung, solange sich alle Menschen in ihrem Alltag noch zurechtfinden („Service Points“ sorgen gerade bei älteren Menschen gerne mal für Verwirrung, hingegen möchte ich doch gerne mal ne treffende deutsche Übersetzung für „Internet“ sehen).

In der Tat ein sehr komplexes Thema.

lg
Tobi

Jil Sander: deutsche Denglisch-Meisterin
Hi Tobi,

kennst Du dieses wunderschön-schreckliche Beispiel unserer deutschen Modeschöpferin schon?

"Sprachpanscher des Jahres (1997)
[Jil] Sander wurde vom Verein Deutsche Sprache für ihren deutsch-englischen Sprachmix kritisiert und 1997 mit dem Titel bedacht. Der Preis bezog sich auf das folgende Zitat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. März 1996:

„Ich habe vielleicht etwas Weltverbesserndes. Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muß Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Jil_Sander#Ehrungen

Breath-taking, ist es nicht? Und das ist nun schon über 15 Jahre her; ich aske mich, wie die Lady wohl heute talkt.

Pit

2 Like

Hi Pit,

nein, ich muss zugeben, diese denglische Sprachsuppe ist mir bisher unbekannt gewesen. Erstaunlich, zu welchen Leistungen das menschliche Gehirn fähig ist.
Den VDS haben wir allerdings besprochen und sind auf seine Liste der indizierten Anglizismen eingegangen.

lg
Tobi

Danke euch :smile:

OK, jetzt weiss ich auch nicht viel mehr, aber ich bin ein bisschen schlauer :smile:

Danke nochmal
Karen

Zerügge zu denen Wurzalan des Vollwohlklanges
Hallo,

da muss ich doch Matthias Koeppel und seine starckdeutschen Sprachexperimente anführen. Ein paar Lesebeispiele:

Arrckiteikturr
Arr, di Arr, di Arrckitucktn -
jarr, di sünd tautul pfarrucktn.
Pauhn onz euburoll Quaduren,
vo se gurrnücht henngehuren.
Vn demm Hurrz büsz ze denn Ullpn
snd di Häusur steitz di sullpn.
Duch di Arrckitucktn tschumpfn:
Onzre Pauhörrn snd di Tumpfn!
Olle zullte mon kastruren,
düßße auff ze pauhin huren;
odur stott ünn rachtn Winkuln
se dönn pauhin, wi se pinkuln

Ünnschpirattatzjaun
Wüll drr Deuchtar ötwosz deuchtn,
plöllt iss ühm nöcht immbar leuchtn,
dönn di Ünnschpirattatzjäun
kimmt nöcht su vnn gontz arleun.
Nömmnßtde Vaibur, Wuin, Kesungg, -
wörrstde tschlaupp tarvunn ont krunck!
Zicharste Ünnschpirattzjurrn
kimmt vnn Bür müdd Dappulkurrn
http://www.matthiaskoeppel.de/galerie_smk2.htm
(da gibt’s noch mehr)

Purrnogarrapfhü
Purrno, ömma wüdar Purrno,
mall vann hüntn, mall van vurrno, -
eunzigöss Prubleim darpui:
Getschlachtzorrgune geibptz norr zwui.
Bastnpfullz nuch Monndt ont Baussen,
duch dar kimmt nücht pvill pei raußßn.
Hött’ monn pfömpf Getschlachtsorrgunen,
künnt’ monn züch pvill mööhr varwuhnen,
ont die Purrnogarrapfhü
wärr’s su lostigck, vi nuch nüü.
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hitlisten_des_…

Ihre volle Wirkung zeigen diese Gedichte natürlich erst, wenn man sie mit lauter Stimme liest, oder sich vorlesen lässt, so wie hier - ein Gedicht über jeden Monat des Jahres:
http://www.youtube.com/watch?v=ULl08vOHnxI

Pit (klingt jetzt irgendwie ärmlich)

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Guten Tag!

Aber nicht nur bei uns spricht man nicht mehr richtig: Die
Franzosen z. B. haben das schöne Latein so verhunzt, man kann
es kaum noch wiedererkennen. Statt „ego“ sagen sie „je“, statt
„hodie“ heisst es erst völlig unnötig aufgebauscht „ad illum
diurnum de hodie“, was dann aber als „aujourd’hui“ genuschelt
wird; statt „aqua“ sagen sie einfach „o“ und schreiben es
dabei „eau“, als ob’s das besser machen würde…

Wenn ich dich recht verstehe, dann hättest du also nichts dagegen, wenn irgendwelche anderssprachlichen Muttersprachler aus Unverstand mit der deutschen Sprache so ungeniert umgehen würden wie die Obelixe mit der des Cicero?
Ich für meine Person werde mir dennoch keinen Job suchen, in dem ich keine Aufsätze mehr zu korrigieren brauche.
Freundlichen Gruß!
H.