Liebe Experten
Ich verstehe meine Reaktionen nicht.
Von meiner Frau habe ich mich nach zwei Jahren des Zweifelns und
teilweise sogar der Verzweiflung vor einem Jahr getrennt. Seitdem lebe
ich ein lustiges Singleleben, treffe eine Menge Frauen, habe ab und zu
einen One-Night-Stand. Das ist zwar ganz nett und auch ganz gut fürs
Ego, aber im Grunde suche ich schon nach der Richtigen für eine tiefe
Beziehung. Diese glaube ich nun gefunden zu haben. Eine Frau, die
jeden haben kann, die aber fast keiner kriegt. Ich war vom ersten Tag
an ein bisschen verliebt in sie.
Wir treffen uns seit etwa 5 Wochen mehrmals pro Woche und nach jedem
Treffen steigt meine Faszination und Verliebtheit. Sie ist auch sehr interessiert an mir, verhält sich aber abwartend, zögernd, prüfend.
So weit ist alles in Ordnung und schön. Wenn da nicht die
Heimsuchungen aus meiner früheren Beziehung wären.
Bei einem ONS im Dezember hat mir die Dame für eine Nacht am nächsten
Morgen geschmierte Brote und ein kleines Nikolausgeschenk mitgegeben.
Ich habe diese Brote nicht runtergekriegt. Sie blieben mir im Halse
stecken.
Bei einer anderen kleinen Affäre sagte die Frau, dass sie mich jetzt
nach so kurzer Zeit (4 Stunden) schon ganz schön lieb habe. Das war in
dem Moment ganz schmeichelhaft, aber am nächsten Morgen war es, als
packe eine Faust meinen Magen und drücke ihn zusammen wie einen
Schwamm, den man auswringt.
Und auch bei meiner neuen, gegenwärtigen, auf etwas Ernstes
zusteuernden Beziehung vertrage ich derartige Zuneigungen und
Verbindlichkeiten nicht besonders gut. Wenn sie sagt oder durch Gesten
signalisiert „ich will dich nicht verlieren/ich mag dich/ich will
dich“, dann genieße ich das in dem Moment, weil ich mich nach diesen
Signalen sehne, weil ich mir ja eine feste Beziehung mit ihr wünsche.
Aber am nächsten Morgen, allein in meiner Küche, kriege ich mein Müsli
nicht runter und bin zwei drei Stunden durch den Wind, fühle mich
umklammert und erlebe genau die Gefühle, die mich in meiner vorigen
Beziehung quälten.
Am Wochenende als wir uns nicht sahen, war ich ständig beunruhigt aus Sorge, sie könne Schluss machen und ich war total verliebt in sie.
Am Montag Abend sahen wir uns, sie zerstreute diese Sorge überzeugend wobei ich mich glücklich fühlte. Aber am nächsten Tag ging’s mir total schlecht und ICH hatte Gedanken, mit ihr Schluss zu machen, weil ich nicht kann.
Meiner Interpretation nach sind das Flashbacks, die ihre Ursache in
einer Konditionierung haben. Ich befand mich ja damals mit meiner Frau in einem schweren Konflikt, einerseits aus der Beziehung ausbrechen zu wollen und andererseits Angst zu haben, meine Frau zu enttäuschen und zu verletzen. Wenn sie nun Signale wie „ich will dich nicht verlieren/ich mag dich/ich will dich“ sendete, verstärkte sich mein schlechtes Gewissen ganz erheblich und ich bekam richtige Panikattacken.
Das hat meinen Körper darauf konditioniert, mit Panik auf Zuneigungen
einer Frau zu reagieren, ganz egal, ob ich diese Frau will oder nicht.
Es liegt also nicht an ihr, sondern an mir.
Diese Panik oder diese Beklemmungen treten nur auf, wenn ich allein
bin. In ihrer Gegenwart fühle mich großartig und superwohl.
Nun gibt es aber unabhängig von meiner persönlichen Geschichte das
Phänomen „ich liebe dich nur, wenn du mich nicht liebst“. Ich habe
sogar schon mal ein Buch mit diesem Titel gesehen. Ich vermute, dass
dahinter folgendes steckt: So lange eine Beziehung unverbindlich und
locker ist, kann man sich gefahrlos seiner Verliebtheit hingeben. Wird
aber klar, dass die, in die man verliebt ist, auf eine Beziehung aus
ist, dass es also ernst wird, dann scheut man die Verantwortung und
das Commitment und gerät in Panik. Vielleicht liegt es aber auch
daran, dass die Jagd uninteressant wird, wenn die Beute erlegt vor
einem liegt.
Vor der Beziehung zu meiner Frau hatte ich keinerlei Beklemmungen bei
Verliebtheitsbekenntnissen und Verbindlichkeiten. Es ist also nichts,
das meiner Natur innewohnt, sondern eine Folge (eine Beschädigung aus)
dieser Beziehung.
Daher glaube ich, dass diese beiden Erklärungen bei mir nicht zutreffen.
Oder muss ich diese körperlichen Signale ernst nehmen als Warnungen
und so lange suchen, bis ich die Frau gefunden habe, bei der sie nicht
auftreten? Das kann dann aber passieren, weil die Zeit meine
Beschädigungen geheilt hat und nicht etwa weil die Frau die Richtige
ist.
Oder falle ich am Ende gar wieder in mein altes Muster zurück, mit dem
Verstand meine Gefühle überreden zu wollen oder als falsch zu
interpretieren?
Meine Verliebtheit ist nicht immer da. Manchmal denke ich den ganzen
Tag an sie und bin total glücklich und manchmal bin ich überhaupt
nicht verliebt.
Könnt ihr mir helfen, meine Gefühle zu interpretieren und mir einen
Rat geben, was ich tun soll. Ich habe Angst für lange Zeit zu gar
keiner Beziehung fähig zu sein, selbst nicht zu dieser fantastischen
Frau. Aber immer allein zu sein, würde mir gar nicht gefallen.
Ich muss jetzt ja nichts entscheiden. Sie will sowieso ein langsames
Tempo und ist zur Zeit zu keinem Commitment bereit. Vielleicht sollte
ich einfach den Ball flach halten, mich weiter mit ihr treffen, meine
Gefühle beobachten, eventuell auch mal wieder auf Distanz gehen und
entspannen. Dabei ist aber das Problem, dass sie ein sehr starkes
Sicherheitsbedürfnis hat. Sie sagte, sie könne es nicht ertragen, wenn
ich mich jetzt desinteressiert zeige. Ich solle da sein, sie aber zu
nichts drängen. Sie deutete auch an, dass eine Beziehung nur dann
möglich sei, wenn ich ganz überzeugt sei. Ich dürfe keine Zweifel
haben.
Bitte antwortet mir nur, wenn ihr ähnliche Erfahrungen gemacht habt, euch aus therapeutischer Sicht damit auskennt. Ein Wust an Meinungen würde mich nur verunsichern.
Viele Grüße und vielen Dank schon mal, Herbert