Hi!
Zum Thema Beziehung auf Arbeit kann ich meine Erfahrung beitragen: bei mir geht es ganz gut. Mein Freund ist mein Kollege, mittlerweile hierarchisch sogar höher gestellt (allerdings ohne irgendwelche Personalverantwortung für mich - das ginge selbstverständlich gar nicht).
Als wir uns kennenlernten war das freilich ein bisschen schwierig. Es arbeitet sich nicht gut, wenn man das Objekt der Begierde vor der Nase sitzen hat, und Kollegen finden so ein Geturtel auf Dauer auch anstrengend. Mittlerweile haben wir einen ziemlich guten Modus gefunden: wir sind auf Arbeit in der Regel Kollegen. Wir besprechen hier keine privaten Themen, verbringen unsere Pausen meist nicht zusammen (zumindest nicht nur zu zweit zusammen), und mittlerweile sitzen wir auch so, dass wir uns nicht sehen. Ob er da ist oder nicht, ist für meinen Tagesablauf auf Arbeit also relativ unerheblich.
Zu Hause wiederum müssen wir etwas aufpassen: dass man mit der Arbeit ein riesiges gemeinsames Themenfeld hat, ist nicht gut. Es verleitet zu sehr, statt interessanter Gespräche über die neuesten Kollegen, Arbeitsabläufe oder den Chef zu reden. Das ist blöd.
Durch seine Aufgaben weiß er einige Interna. Er ist da zum Glück ziemlich korrekt, und gibt das nicht an mich weiter. In unserem Fall würde es weder wer merken, noch würde es für großes Aufsehen sorgen, hier gibts einen recht gut funktionierenden Buschfunk. Dennoch wäre das nicht in Ordnung und ich möchte es nicht anders handhaben.
Probleme gibt es natürlich immer mal wieder. Wenn wir Zoff haben, fällt es mir deutlich schwerer, das auf Arbeit auszublenden, weil er ist ja da, und theoretisch könnten wir unser Thema sofort klären. Wenn ich die Möglichkeit gar nicht hätte, wäre das Warten bis zum Abend vermutlich leichter.
Vor ein paar Wochen habe ich (das erste Mal seit meiner Schulzeit überhaupt…) verschlafen. Handy mit Wecker über Nacht ausgegangen. Da ich noch eine eigene Wohnung habe, war auch keiner zum Wecken da. Mein Freund hat an der Bahn auf mich gewartet (wir wohnen nur 5 Minuten auseinander), und als ich nicht kam und er mich nicht per Telefon erreichte, hat er die Bahn genommen, um nicht selbst zu spät zu kommen. Das gab Streit und Enttäuschung, weil ich erwartet hätte, dass er bei mir kurz klingelt (2 Minuten zu Fuß von der Haltestelle), um dann halt ne Bahn später zu nehmen (hätte auf Arbeit keinen gejuckt). Solche Erwartungen und demzufolge diesen Streit hätte es nicht gegeben, wenn wir nicht zusammen arbeiten.
Mein Freund hat eine recht gute Freundin. Dass das ebenfalls eine Kollegin ist, mit der ich privat nicht so viel zu tun hab, finde ich nur bedingt toll. Wäre leichter, wenn ich mit ihr außer über meinen Freund keinen Kontakt hätte. So fühle ich mich immer irgendwie ein bisschen unter Zugzwang, nett zu sein und Kontakt zu suchen.
Es ist aber auch schön. Vor einem Monat starb völlig unerwartet mein Opa, den ich wirklich sehr geliebt habe. Dass mein Freund da war, und mich zwischendurch in einer ruhigen Ecke einfach mal in den Arm nehmen und trösten konnte, war schön.
Firmenevents, die es hier sowohl offiziell als auch privat organisiert ziemlich regelmäßig gibt, finden zusammen statt. So hatten wir zusammen schon echt viele lustige Abende in einer Gruppe von Kollegen, in der wir uns wohl fühlen.
Da es hier insgesamt privat viele Kontakte gibt, hat sich auch mittlerweile ein gemeinsamer Freundeskreis ergeben, was wir sehr gut finden, da wir beide gerne unter Leuten sind. Das wäre ohne den Job gar nicht so einfach gewesen, da er erst für den Job nach Leipzig kam und daher hier vor Ort keine gewachsenen Freundschaften hat.
Wenn einer mal nicht so gut drauf ist und die Motivation ein bisschen flöten gegangen ist, kann man sich gegenseitig ein bisschen anspornen. Wir haben regelmäßig kleine Conventions, wer bestimmte Sachen mehr oder besser macht, nur, um uns gegenseitig zu motivieren.
Das Unternehmen, in dem ich arbeite ist noch verhältnismäßig jung, relativ klein (25 MA am Standort, 150 in Deutschland). Wir haben ziemlich flache Hierarchien. Unsere Corporate Identity sagt, wir sind jung, hipp (oder auf neudeutsch: geil) und sehr amerikanisch. Private Freundschaft unter Kollegen wird hier gefördert und gelebt und auch gewollt. Ich bin seit 5 Jahren hier, und stelle fest, dass das im Allgemeinen ganz gut funktioniert. Ich kann mich mit Kollegen abends treffen und am nächsten Tag dennoch effektiv zusammen arbeiten.
Das ist bei einer Beziehung natürlich ganz was anderes, und erfordert eben die eine oder andere Verhaltensregel. Aber es geht.
Meine Mutter arbeitet in einem extrem gegensätzlichen Unternehmen: großes deutsches Traditionunternehmen, stark hierarichisch gegliedert und ultrakonservativ. Wenig Fluktuation, d.h. langjährige Mitarbeiter sind da die Regel. Ehen unter den Mitarbeitern (sowohl gewordene als auch ins Unternehmen „mitgebrachte“) scheinen auch da nicht unüblich zu sein.
Mein Fazit: Beziehung auf Arbeit geht, hängt aber natürlich sehr von den Leuten, dem Unternehmen und den Umständen ab. Man muss es ja nicht herausfordern. Aber wenn es sich nunmal ergibt… ich teile halt mit niemandem mehr gemeinsame Zeit als mit Kollegen. Als Single zumindest.
Es hat Vor- und Nachteile. Aber es gibt Schlimmeres…
Insofern: ich würd mich da nicht so heiß machen. Wie du Kontakt suchst, ist was anderes. Da kann ich mich den Vorpostern nur anschließen: kennenlernen, Kontakt suchen, aber nicht überrennen. Das schreckt ab.
Vg, und alles Gute!
Inka