Ich suche eine tabellarische Aufstellung aller bisherigen Zeitenwenden

Ich bin in Deutschland geboren und habe mit eigenen Augen nichts dergleichen erlebt. Mein Satz gibt die Erzählungen meines Vaters wieder, der wohl Furchtbares erlebt aber vermutlich auch selbst begangen hat. Ich kann mich nur auf Nachrichten und Fernsehberichte beziehen, die meines Vaters Meinung unangenehmerweise bestätigten.

Ich kann mir vorstellen, dass so etwas (nicht nur für Steuerberater) eine außergewöhnliche Besonderheit ist. Und schon fällt mir wieder ein Ausspruch meines Vaters ein: „In Jugoslawien brauchst Du keine Angst zu haben, beklaut zu werden. Das sind ehrliche Menschen!
Aber wenn sie sich in ihrer Ehre angegriffen fühlen, musst Du damit rechnen, umgebracht zu werden!“
So etwas können natürlich nur „statistische“ Aussagen sein, die sich vielleicht auf die Mehrheit der Population beziehen. Einzelne „Ausreißer“ von der Normalverteilung nach unten aber auch nach oben gibt es immer und überall. Die müssen dann gut aufpassen, dass sie nicht mit den anderen in einen Topf geworfen werden.

Vielleicht hat der regelmäßige Verzehr von kleinen Kindern mit Senf ja ausgesprochen besänftigende, ausgleichende Eigenschaften … :nauseated_face:?

Hm, aber welches ist dann noch das eigene Volk, wenn es die ehemalige Staatengemeinschaft nicht mehr gibt, sondern nur noch die kulturell, ethnisch und religiös teils sehr unterschiedlichen Balkanstaaten?
Ich hätte da Skrupel und würde mich fragen, ob der einst geleistete Eid noch Bestand hat. Ähnliches ist doch unseren Brüdern und Schwestern im Osten passiert: Einst mussten sie einen Eid leisten, dass sie die DDR gegen den bösen, imperialistischen Westen verteidigen würden, und heute sind sie selbst Bestandteil dieses ehemaligen Feindes, während sich die DDR aufgelöst hat, bzw. im Rahmen einer feindlichen Übernahme aufgelöst wurde.

Man kann gar nicht so schnell um die Ecke denken, wie sich das Leben plötzlich und unerwartet vollständig verändern kann. Deshalb empfehle ich (zumindest mir selbst) immer gern möglichst opportunistisches Verhalten. Das Leben ist so kurz und nicht selten auch besch****, dass man es sich nicht auch noch unnötig schwerer machen sollte. Besser ist es meiner Meinung nach, irgendwie mit’m Ars** an der Wand lang zu kommen und aus allen Gegebenheiten das Beste für sich zu machen - wenn’s irgendwie geht.
An einen Eid, den ich unter Zwang leisten musste, würde ich mich sowieso nicht gebunden fühlen. Was anderes ist es, wenn ich ihn mit Begeisterung freiwillig geleistet habe. Aber selbst da, kann sich im Lauf des Lebens die eigene Einstellung grundlegend ändern.

Ja, das Leben kann einem auch ganz übel mitspielen, wobei der eigene Anteil daran nicht immer so eindeutig zu bestimmen ist. Vielleicht hätte er doch nicht so viel Senf auf die Kinder tun sollen … :lying_face:

Dem schließe ich mich an!

Viele Grüße
FatzManiac

Wo ist die Badewanne? Wir müssen ein Kind ausschütten!

Das der Begriff „Zeitenwende“ manchmal fragwürdig verwendet wird, heißt nicht, dass seine Verwendung sinnlos ist.

So völlig unterschiedlich waren die Kriege allerdings nicht - die Ereignisse lagen nur zeitlich dichter zusammen.

Im Grunde war es aber eine ähnlich Geschichte: Ein Staat löst sich von seinem ehemaligen Mutterstaat und erklärt sich für unabhängig, der Mutterstaat will das aber nicht akzeptieren und marschiert dort ein/liefert Waffen an Millizen, vorgeblich zum Schutz der eigenen Minderheit im Land.

In der Ukraine haben sich die Ereignisse halt nur über 30 Jahre hingezogen, während es in Kroatien oder Slowenien innerhalb weniger Monate passiert ist.

Gruß,
Max

Die Ukraine hat sich nicht für unabhängig erklärt, sondern es gab ein gemeinsames Abkommen von Russland, der Ukraine und Belarus, das u.a. das Ende der Sowjetunion und die Eigenständigkeit der drei Staaten bestimmt. Und es gab auch keinen Mutterstaat, der das nicht akzeptieren wollte, sondern ein multilaterales Abkommen, in dem der sog. Mutterstaat klare Sicherheitsgarantien für die Ukraine abgegeben hat.

31 Jahre nach dem ersten und 28 Jahre nach dem zweiten Vertrag fiel nun Zar Putin I. ein, dass Russland das damals gar nicht so gemeint hat und er das großrussische Reich mit Gewalt wiederherstellen und die ukrainische Kultur, Sprache und Bevölkerung vernichten muss.

Und genau deswegen sind dieser Vorgang mit dem Zerfall Jugoslawiens und den daraus folgenden Kriegen nicht gleichzusetzen bzw. nicht einmal ähnlich.

Gruß
C.

1 Like

Ich finde nicht, dass man die Kriege in Jugoslavien kleinreden sollte. Der Internationale Gerichtshof für Jugoslavien vertrat zum Beispiel die Ansicht, das es sich ab einem bestimmten Zeitpunkt 1991 um einen Krieg zwischen zwei Staaten gehandelt hat und mitnichten um einen Bürgerkrieg. „Gewaltsame Erbauseinandersetzung“ verharmlost das in meinen Augen deutlich.

nicht einmal ähnlich.

Das finde ich ziemlich gewagt. Ja, es gibt deutliche Unterschiede, aber jede Ähnlichkeit zu leignen, halte ich für vermessen.

Es hat uns weiger betroffen, weil wir von Jugoslavien nicht wirtschaftlich abhängig waren und Milosevic keine Atombombe hatte. Aber gestorben sind die Menschen trotzdem.

Gruß,
Max

Aber gebrodelt hat es im ganzen Balkan schon viele Jahrzehnte bzw. schon mehr als ein Jahrhundert. Die ethnisch, kulturell, sprachlich und religiös sehr unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen waren sich nie wirklich grün, sondern dermaßen unbewusst*, dass sich ihr persönliches und kollektives Feindbild in die jeweils anderen Gruppen projizierte. Da war einer des anderen Deibel.
*) je südlicher, desto unbewusster

Nur der starke Mann, Tito, konnte nach dem letzten Weltkrieg - mit harter bis brutaler Hand - verhindern, dass sich die Jugoslawen gegenseitig die Köpfe einschlugen. Aber seit er tot ist, geht’s da nach und nach immer mehr den Bach runter.

Gruß von Fatz, dem Maniac

Dabei aber möglichst darauf achten, dass das Kind nicht mit dem Kopf auf dem Beton aufschlägt!

Stimmt, sinnlos nicht, aber völlig unbestimmt. Für den einen ist schon die Pubertät eine bedeutsame Zeitenwende, für andere der Einzug zum Wehrdienst oder wenn die Heimmannschaft Weltmeister wurde.
Der Begriff „Zeitenwende“ kann ähnlich wie der Begriff „Liebe“ von tausend verschiedenen Fuzzys auf tausen verschiedene Arten verstanden werden.

Solange nicht klar definiert wird (mindestens auf Wikipedia), was alles im Einzelnen gegeben sein muss, um es offiziell als „Zeitenwende“ bezeichnen zu dürfen, schlage ich vor, darauf zu verzichten und jeweils detailliert zu beschreiben, was gemeint ist.

Beispiel „Liebe“. Man sollte besser sagen: „Ich bin gern in Deiner Nähe. Ich lasse mich gern von Dir bedienen. Ich begehre Dich. Ich fasse Dich gern an. Ich f**** gern mit Dir.“ Oder meinetwegen auch: „Aufgrund Deiner letzten gentechnischen Analyse, will ich mich am liebsten mit Dir zusammen fortpflanzen. Wir könnten Glück haben und möglicherweise keine weiteren Idioten zeugen, obwohl ich’s ja nicht so mit dem logischen Denken habe …“ usw. usf.

Bestimmt finden sich ähnlich klare Beschreibungen auch an Stelle von „Zeitenwende“. Zum Beispiel: „Gerade wenden wir uns mal wieder einem Weltkrieg zu. Ist das nicht wunderbar?“ Oder: „Die Entwicklung des Weltklimas wendet sich heute Nacht! Ab morgen herrschen hier Trockenheit, Sandstürme und 75 °C im Schatten. Lasst uns ein letztes Mal jubeln, denn wir haben das große gottgegebene Ziel erreicht: Endlich haben wir uns selbst und das ganze Leben auf diesem Planeten abgeschafft.“

Gruß vom Fatz

„… verreckt“ trifft es besser.
Aber - na ja - Hauptsache es hatte keine direkten Auswirkungen auf uns und unseren Komfort!

Nein. Das sind gänzlich persönliche, individuelle Wendungen in einer Biographie. Dem Wort Zeitenwende lässt sich leicht auch ohne Tante Wiki entnehmen, dass mit diesem Wort keine Lebenswenden bezeichnet werden.

Schöne Grüße

MM

1 Like

Es geht nicht ums Kleinreden oder Verharmlosen, sondern darum:

Russland hat ein Land überfallen, für dessen Sicherheit es garantierte. Russland hat ein Land überfallen, das nicht seine Unabhängigkeit erklärte, sondern das zusammen mit Russland und Belarus Jahrzehnte zuvor gleichberechtigt die post-Sowjet-Ordnung geregelt hat.

Wenn der Angriff Russlands mit irgendetwas in der jüngeren europäischen Vergangenheit vergleichbar ist, dann allenfalls noch mit dem Angriff Deutschlands auf Polens, der quasi noch im Schatten eines gerade mit fadenscheinigen Gründen gekündigten Nichtangriffspaktes geschah und mit dem Zweck, sich polnisches Territorium anzueignen, um Lebensraum für Deutsche zu schaffen.

Genau das meine ich. Das war nämlich mit dem Ende des Ostblocks keineswegs der Fall, wie die diversen „Erbauseinandersetzungen“ (um mal bei dem Wort zu bleiben) gezeigt haben. Russland hat, vor allem unter Putin, da immer wieder deutlich hegemoniale Ansprüche gezeigt. Und das es in den verschiedenen Jugoslavienkriegen nicht darum ging, mit dem Recht des Stärkeren über Grenzen in Europa, Leben und Tod, Frieden und Krieg zu bestimme, kann man meines Erachtens auch nicht behaupten.

Dass der Ukrainekrieg eine neue Dimension hat, da gebe ich dir ja unumwunden recht. Diese neue Dimension ergibt sich aus den Verträgen und Sicherheiten, die Russland gegeben hat, und aus dem langen Zeitraum, der zwischen der Unabhängigkeit und dem Wiedererwachen der russischen Machtansprüche vergangen ist. Aber das Grundmuster - da will ein mächtiger Staat(smann) auf Dauer nicht akzeptieren, dass der Vasall kein Vasall mehr ist - lag seit dem Zerfall des Ostblocks sehr vielen Konfikten zugrunde. Mag sein, dass sich da manche die Welt schön gesoffen haben in dieser Hinsicht.

Der Ukraine-Krieg ist eine weitere, bedrohliche Eskalationsstufe, gerade wegen der offenen Missachtung des internationalen Rechts. Aber eine Zeitenwende ist er ebensowenig wie der Überfall auf Polen, sondern der Gipfelpunkt einer über Jahre eskalierenden Entwicklung.

Gruß,
Max

Was für mich ein Teil der Definition einer Zeitenwende in Europa wäre. Aber gut: das mögen andere anders sehen. Worum ging es noch in der Ausgangsfrage? Ach ja: hat im Februar 2022 etwas besonderes stattgefunden, was die Bezeichnung Zeitenwende verdient? Antwort: manche sagen so, manche sagen und manche sagen „ja, aber damals in Jugoslawien“.

Es ist vermutlich Ansichtssache, was man am Ende als zielführend betrachtet.

Andererseits wurden die von dir erwähnten Abkommen und Sicherheitsgarantien von Russland bereits 2014 missachtet, als die Krim besetzt wurde.

Gruß,
Max

Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen einer „Zeitenwende“ und einer „Wendezeit“?
In beiden Fällen wendet sich doch etwas, und in beiden Fällen geht es darum, dass diese Wende zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindet.

Hat dies möglicherweise nur mit dem Umfang der Involvierten zu tun? „Zeitenwende“ wenn es mehrere Staaten (oder die ganze Welt) betrifft und „Wendezeit“, wenn es nur ein Land betrifft - wie annodazumal, als die feindliche Übernahme der DDR durch die BRD erfolgte?

Davon gehe ich aus. Mit einem genauen Datum kann man sowas auch nicht versehen, wie wollte man das machen beim Wechsel von der Steinzeit zur Bronzezeit?
Oder andere Kulturwenden, wie z.B. der Wechsel von der händischen Herstellung von Keramikbehältern zur Drehscheibe. Auch für religiöse Umwälzungen taugt der Begriff nicht wirklich.
Und diese Frage so eurozentristisch anzugehen wie hier darüber geschrieben wird, halte ich auch für falsch.
Aktuell könnte ich mir nur ein Ereignis vorstellen das diese Bezeichnung verdienen und gleichzeitig mit Datum genau festgehalten würde (aber nicht wirklich realistisch ist) ist die Ausrufung einer zentralen, demokratischen Weltregierung.

Ja, das wäre einfach zu schön! Aber die bloße Ausrufung wäre noch kein Garant für ein friedliches Miteinander, denn leider gehört zur Demokratie ja auch, dass auch radikale Fundmentalisten, Verschwörungstheoretiker, Umstürzler und ähnliches Kroppzeug ihre Ansichten lautstark herausschreien dürfen. Solange keine elegante und rechtssichere Methode gefunden wird, solche demokratiezerstörenden Elemente von der Demokratie auszunehmen und wegzusperren, wird auch eine Weltdemokratie ständig in der Gefahr stehen, zerstört zu werden.
Seufz! :frowning_face:

Naja, das einzige Beständige ist ja wohl die Unbeständigkeit.
Damit wäre dann auch die nächste „Zeitenwende“ vorprogrammiert.