Ich verstehe das Urteil nicht!

Genau so wird es aber allzu oft verwendet sowie undifferenziert in der Presse und von Politikern verbreitet.
Mir hingegen ist die tatsächliche Bedeutung der fdGo durchaus geläufig und ich meine auch, das Urteil richtig verstanden zu haben.

Die Realitäten haben sich in diesen 60 Jahren massivst verändert. Die Republik hat kein direktes Konkurrenzmodell an ihrer Seite, das sie schlucken will und wg. des grossen Bruders auch könnte. Die Mehrheit ihrer Mitglieder wurde in einem tatsächlich demokratischen System geboren und sozialisiert oder hat dort bereits Jahrzehnte gelebt. Der Staat ist bedeutend eingebundener in die Völkergemeinschaft als damals.

Und gerade die auch völkerrechtl. internationale Ein"bindung" ist IMHO zu erheblichen Teilen dafür verantwortlich, dass die damals durchaus berechtigte Härte von 1952 und 1956 aufgeweicht werden musste. Vgl. den Artikel in der ZEIT und dann noch einmal den Leitsatz Nr. 8 zum Urteil.

Die dargelegten Anforderungen an die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei sind mit den Vorgaben, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung zu Parteiverboten aus der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) abgeleitet hat, vereinbar.

Man kann nicht wehrhafte Demokratie nach eigenem Gusto haben und gleichzeitig die Vorgaben, denen man sich verpflichtet hat, ignorieren sobald es genehm scheint.

Da bleiben zwei Möglichkeiten zur Auswahl:

Entweder eine marginalisiert NPD ertragen und erst verbieten, wenn sie auch nur ansatzweise in die Nähe der Schwelle zur umstürzlerischen Handlungsfähigkeit heranreicht oder aus dem Europarat austreten und die Konvention ablehnen. Dumm nur, dass dies auf längere Sicht auch Probleme mit der EU brächte, https://dejure.org/gesetze/EU/6.html

(2) Die Union tritt der Europäischen Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten bei. Dieser Beitritt ändert nicht die
in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union.
(3) Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie
sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der
Mitgliedstaaten ergeben, sind als allgemeine Grundsätze Teil des
Unionsrechts.

Genaugenommen hat die NPD nicht die geringste Chance. Musst Du Dir einen neuen Europarat basteln (wählen), der die ERMK modifiziert.

Ach, jetzt warst Du dermassen echauffiert, dass Du glatt vergessen hattest, meine Frage zu beantworten. :smirk:

Ich hatte übrigens bereits von Beginn an immer wieder darauf hingewiesen, dass das NPD-Verbot genau deswegen platzen könnte (also der mangelnden Befähigung zur Umsetzung ihrer Ziele). Aber ich war mir nicht so sicher, dass ich eine Wette eingegangen wäre.

Gruß
vdmaster

Würde ich als Nebengeräusch abtun. Die erste Konsequenz wäre, dass die Vergabe von Zuschüssen strengeren Regeln und Kontrollen unterworfen wird, also „begründet und geprüft“ werden müsste. Und diese Prüfung, ob eine Partei überhaupt und wenn ja, in welcher Höhe Zuschüsse erhalten wird, kann objektiv gar nicht bestimmt werden.

Das BVerfG hat da m.E. populistischen Unsinn ins Spiel gebracht (zur Rechtfertigung des nach wie vor ominösen Urteils), der zwei Tage diskutiert, aber dann fallen gelassen wird.

Franz

Ab welcher Obergrenze wird denn nun ein Verbot ausgesprochen?

Scheint nicht so zu sein. "Allein der Umstand, dass eine Partei „verfassungsfeindliche“ Ziele verfolgt, ist kein ausreichender Grund. Gegen welche Teile der Verfassung richten sich die Ziele? " und „Denn jede Änderung richtet sich gegen die derzeitige Ausformung der Verfassung und kann als verfassungsfeindlich bezeichnet werden.“ sind nicht Auffassungen von irgendwem, sondern du hast sie geschrieben und sogar noch fett markiert und die Bezeichnung „verfassungsfeindlich“ als Etikett bezeichnet.

Verfassungsfeindlichkeit im eigentlichen Sinn ist aber eben genau nicht dieses schwammige, was Lieschen Müller oder vdmaster so dahin blubbert. Damit ist es auch nicht irgendein Etikett.
Verfassungsfeindlichkeit könnte also völlig problemlos als Kriterium reichen.

Wie schwierig dieses Urteil m.E. ist, habe ich bereits ausgeführt. Inhaltlich hast du dem noch nichts entgegen zu setzen gehabt.

Es ist nicht die Aufgabe des BVerfG diese so konkret wie einen Zahlenwert auszudrücken, wie Du hier suggerieren möchtest. :smirk:

Beim nächsten Anlauf zum Verbot einer Partei wird es vielleicht anhand des Falls weiter präzisiert werden.

Entscheidend für die Frage wann dies geschieht, dürfte einige Variablen sein. Also bspw. Empörungs- bzw. Symbollevel multipliziert mit dem Durchschnitts-IQ derer, die die Mehrheit in den [antragsberechtigten Organen][1] innehaben. Da zu befürchten steht, dass wir auf dem besten Wege in eine Idiokratie sind, sollte es nicht mehr 60 Jahre bis zum nächsten Antrag dauern.

Gruß
vdmaster
[1]: https://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/__43.html

Du scheinst nicht zu verstehen, dass ich selbst mir nicht den Begriff der Verfassungsfeindlichkeit in dem Sinne zueigen machte, in welchem ich ihn in seiner „Verwendung als pol. Kambegriff“ demonstrierte.

Du erwartest also Kontinuität in der höchstinstanzlichen Rechtsprechung? Bitte:

„Sie neigen, wie die Erfahrung zeigt, zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und Betrügereien, es fehlen ihnen vielfach die sittlichen Antriebe der Achtung vor fremdem Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist.“ :arrow_right: Offizielle Rechtsprechung des BGH.

„Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz. Auch auf dem Gebiet des geschlechtlichen Lebens fordert die Gesellschaft von ihren Mitgliedern die Einhaltung bestimmter Regeln; Verstöße hiergegen werden als unsittlich empfunden und mißbilligt. Allerdings bestehen Schwierigkeiten, die Geltung eines Sittengesetzes festzustellen. Das persönliche sittliche Gefühl des Richters kann hierfür nicht maßgebend sein; ebensowenig kann die Auffassung einzelner Volksteile ausreichen. Von größerem Gewicht ist, daß die öffentliche Religionsgesellschaften, insbesondere die beiden großen christlichen Konfessionen, aus deren Lehren große Teile des Volkes die Maßstäbe für ihr sittliches Verhalten entnehmen, die gleichgeschlechtliche Unzucht als unsittlich verurteilen. Der Beschwerdeführer hält zwar die Verurteilung der Homosexualität durch die Lehren der christlichen Theologie für unbeachtlich: sie sei aus alttestamentlichen Vorschriften der jüdischen Religion übernommen, die nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft aus bevölkerungspolitischen Erwägungen als zeitbedingte Notmaßnahme entstanden seien. Ob diese Deutung den geschichtlichen Vorgängen gerecht wird, mag dahinstehen: Nicht darauf kommt es an, auf Grund welcher geschichtlichen Erfahrungen ein sittliches Werturteil sich gebildet hat, sondern nur darauf, ob es allgemein anerkannt wird und als Sittengesetz gilt.“ :arrow_right: Offizielle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Bäm! - Alter, Bäm!

…scnr! :disappointed:


:stuck_out_tongue_closed_eyes:

Du hast die Grünen ganz vergessen. Die waren damals gegen KKW und für Umweltschutz, also erwiesenermassen gegen die damaligen Gesetze und Verordnungen.

Ohne ein gewisses Mass an Verfassungsfeindlichkeit in den Parteizielen kann sich ein Staat nicht weiter entwickeln.

Die grosse Frage ist dann immer auch, mit welchen Methoden versucht wird diese Ziele umzusetzen.

Die RAF wäre als Partei sicher als kriminelle verfassungsfeindliche Vereinigung verstanden und verboten worden.

MfG Peter(TOO)

Ich hätte mich hier noch deutlicher ausdrücken sollen, ging aber davon aus, dass es aus dem Kontext heraus verständlich wäre.

kann (agitativ-populistisch) als „verfassungsfeindlich“ bezeichnet werden, um das Anliegen zu diskreditieren. Also in der Verwendung als pol. Kampfbegriff, nicht als tatsächliche jur. Kategorie.

Gruß
vdmaster