Ich will wissen,

wie Musik auf die Identitätsbildung wirkt. Habe ich das Radio an, und lese, esse oder arbeite neben-zu, höre ich der Musik im Radio ja gar nicht bewusst zu, trotzdem beeinflusst es mich: Radio geht ins Ohr, bleibt im Kopf!

Jetzt ist eines der meist diskutierten Probleme der heutigen Philosophie die so genannte „Qualia“ (willst du wissen, was ist, glotzt du Wikipedia), will sagen, wir wissen nicht, welche Bedeutung eine Musik auf unser Bewusstsein (Unterbewusstsein) hat. Erstens verarbeitet jeder Mensch einen bestimmten Titel ganz verschieden zwischen seinen Ohren. Zweitens verarbeitet ein und derselbe Mensch dieselbe Musik ewig immer wieder anders, je nach dem jeweiligen Umfeld und der augenblicklichen Stimmung. Und drittens weiß man selber nicht, wie man was verarbeitet.

Zum Beispiel kann ich sagen: So ein Scheiß! So eine Musik nervt einen in qualitativen Unterschieden, von leicht gereizt über schmerzhafte Vibrationen und Körperempfindungen bis hin zu fast Todesqualen. Dann wiederum kann ich sagen: Oh, das ist aber mal ein schöner Titel, wie heißt er denn, wer ist der Interpret, usw. Das heißt, ich zeige Interesse für eine bestimmte Musik, ob als Einzelstück oder für ganze Modetrends, ist mir gerade mal wurscht. Ja, und dann gibt es bei dieser positiven Wertung vom bloßen oberflächlichen Interesse viele graduelle Abstufungen.

Ich will wissen, ob Musik zur Identitätsbildung (was ich glaube!) in einer Kultur wesentlichen Einfluss hat, und wie man darüber diskutieren kann. Ich denke zum Beispiel an die Barockmusik, die zu ihrer Zeit ja ganze Gesellschaften prägte, nicht nur über die Ohren und in den Kopf, sondern auch ins Herz und in die Genitalien bis zu den Füßen hinunter und am Rückgrat wieder nach oben über den Kopf hinaus, in spirituelle Gefilde, wenn man denn so gläubig sein will (ich bin nicht so anfällig dafür). Oder, denke man an Elvis, der nicht nur die Tänze der halben Welt veränderte, mit seinem Rock 'n Roll, auch Kleidung und Frisuren einer ganzen Generation wurde durch ihn beeinflusst und als Befreiung erlebt. Dasselbe Phänomen wieder, aber wieder anders, waren die Beatles und auch die Technos und Rapper usw. Musik ist sowohl politisch als auch sozialpsychologisch wirksam, verhilft zu einer neuen Identität der Jugend.

Wer kann ein paar Gedanken zur Diskussion einer „neuen“ Musiktheorie einbringen?

Danke für jeden Beitrag vorab (mich interessiert aus philosophischer Sicht die Identität, die Kunst ganz allgemein bewirken kann, also ihre Präge-Qualität, die ja schon im Totemismus die Identität von Kulturen bildete).

CJW

mich interessiert aus

philosophischer Sicht die Identität, die Kunst ganz allgemein
bewirken kann

Hallo Claus,
dann würde ich dir einen Text von Wolfgang Welsch empfehlen: Identität im Übergang" (im schmalen Reclam-Bändchen „Ästhetisches Denken“ (von 1990, also nicht ultraneu aber immer noch aktuell, wie ich finde).
Gruß,
lynndinn