Hallo sportsman,
reicht es, wenn ich zur Wahl gehe und meinen Wahlschein
vorlege?
Theoretisch hat der Wahlvorstand das Recht einen Ausweiss
mit Addresse (in der Regel den Perso) einzusehen. Nur tun
das die wenigsten und ich erinnere mich nach 30 Jahren als
Wahlvorsteher an nur 3 oder 4 Fälle wo ich darauf bestanden
habe, weil mir etwas eigenartig vorkam.
… reicht ein kleiner Schein (…), den mir theoretisch jeder
aus dem Briefkasten klauen kann bzw den jeder Postbote bereits
im Vorfeld verschwinden lassen kann und, wenn die Identität
nicht überprüft wird, vielleicht auch mehrmals wählen gehen kann?!?
Ich vermute, du meinst jetzt die Wahlbenachrichtigungskarte und
nicht den Wahlschein. Einen Wahlschein bekommst du nur auf Antrag
um Briefwahl zu machen oder um in einem anderen Wahllokal deines
Wahlkreises zu wählen.
Mit der Wahlbenachrichtigungskarte MUSS der Dieb im Wahllokal
wählen gehen - oder für die aufgedruckte Person an die aufge-
druckte Addresse Briefwahlunterlagen bestellen. Diese kann er
dann auch wieder stehlen - aber das ist ein anderes Thema und
von den ‚verlorengegangenen‘ Wahlscheinen liegt in jedem Wahl-
lokal eine tagesaktuelle Liste vor!
Das Problem für so einen Räuber ist, dass er (oder sonst jemand,
was aber nichts ändert) persönlich im Wahllokal erscheinen
muss und nie genau weiss ob dort jemand sitzt, der ihn kennt,
oder das der Diebstahl gemeldet wurde und der Wahlvorstand
daher extrem aufmerksam wird.
Wenn der Wahlvorstand richtig arbeitet, darf niemand eine
Stimme in die Urne werfen, bevor sein ‚Stimmabgabevermerk‘
kurz Häckchen, im Wählerverzeichnis gemacht ist. In diesem
sind alle zulässigen Wählen einzeln aufgeführt und dort
steht auch drin, wenn eine Benachrichtigungskarte als ver-
loren oder gestohlen gemeldet wurde. Bei so einem Vermerk,
oder wenn der Richtige schon nur mit Perso (also ohne die
Wahlbenachrichtigungskarte) wählen war, fällt das auf. Und
dann wird es schnell eng / peinlich.
Interessanter ist es bei der Briefwahl und da kam es mWn
schon zu Betrugsfällen. Wenn in meinem Wahlbezirk (mit
großem Altenheim!) 30 % der Briefwähler ‚Die Violetten‘
gewählt haben sollten, wäre es Zeit die Zivildienstler
in dem Altenheim mal zu überprüfen *fg*
Das Problem ist grundsätzlich, dass bei der Briefwahl der
Wähler seine Stimme quasi anonym abgibt und man nie (trotz
der Unterschrift auf dem Wahlschein) sicher sein kann,
das der Wähler geheim, allein, selbst und unbeeinflusst
sein Kreuzchen gemacht hat. Daher ist die Briefwahl relativ
bedenklich und das Bundesverfassungsgericht hat sie nur
bedingt als zulässig bezeichnet.
Dazu ist es relativ unwahrscheinlich, dass sowas eine Wahl
nennenswert beeinflusst. Entweder es passiert in kleinstem
Rahmen - dann ist es demokratisch unkritisch. Oder es ist
groß organisiert - dann fällt es leicht auf und es gibt
den üblichen Sumpf von Mitwissern/Erpressern.
Ausserdem riskiert man dadurch für sich persönlich (z.B. als
Briefträger) und politisch ziemlich viel. Wenn es auffliegt,
dass in ABC für die Partei XYZ betrogen wurde, schadet es
dieser Partei wesentlich mehr, als die paar Stimmen nutzen
könnten.
Gibt es keine Regelungen die vorschreiben, dass die Identität
überprüft werden MUSS?
Nein - dann würden die heutigen Wahllokale zusammenbrechen.
Hier in Frankfurt am Main haben wir so ~ 1.300 Wähler und
bei einer hohen Wahlbeteiligung ist jetzt schon zu Stosszeiten
das Gemaule der Wähler über Wartezeiten groß.
Viele Grüße
Jake