Der Sufismus, nicht der Islam
Hallo,
eine Seitenangabe macht i.d.R. natürlich nur Sinn, wenn klar ist, auf welche Edition sie sich bezieht
Die Abhandlung
„Zur Lehre der Verneinung des Willens zum Leben“
gehört zu den „Ergänzungen“ zum 4. Buch der WWV und bezieht sich dort auf §68.
In „Sämtliche Werke“, Stuttgart, Frankfurt 1968 (Repro: Darmstadt 1989-82) im II. Bd.
ebendort ab S. 772.
Diese Abhandlung fokussiert einerseits auf den Unterschied zwischen den Denkwegen der Philosophie und der Mystik, andererseits auf den Unterschied von Theismus und Mystik. Obwohl er programmatisch sich zwischen bzw über die Alternative philosophischer und mystischer Bemühungen stellt, zeigt er sich hier gegenüber den von im unter „Mystik“ gefaßten Wegen positiv.
Er zählt (z.B. op. cit. S. 784) unter diese
- die Upanishads (er diskutiert sie unter der persischen bzw sassanidischen Bezeichnung „Oupnekhat“, woraus ersichtlich ist, dass er als Quelle Duperrons lateinische Übersetzung der in Indien verfaßten persischen Übersetzung benutzte), ferner
- die Enneaden des Plotin
- die Hauptschrift „Peri Physeon“ des Johannes Scottus Eriugena (den er als „Scotus Erigena“ zitiert)
- Jakob Böhme
- den „Cherubinischen Wandersmann“ des Angelus Silesius
und last but not least die Deutschen Predigten des Meister Eckhart. Interessanterweise nimmt er den bedeutendsten spätantiken Mystiker Pseudo-Dionysius Areopagita nicht zur Kenntnis.
Aber ganz besonders hebt er - hier und andernorts - den Sufismus hervor. Also jene moslemische Mystik, die sich unter anderem aus dem Islam herausgebildet hatte (aber keineswegs in allen islamischen Schulen respektiert wurde und wird!). Es ist nicht „der Islam“, sondern (teils sogar im Gegensatz zu diesem) eben die Lehrtradition der Sufis, denen er vorzügliche Achtung beschert.
Dazu op. cit. S. 785 zum Beispiel:
„Eben diesem Geiste gemäß äußert sich durchgängig auch die Mystik der Sufis hauptsächlich als ein Schwelgen in dem Bewußtsein, daß man selbst der Kern der Welt und die Quelle alles Daseins ist, zu der alles zurückkehrt […] Dieser Verschiedenheit der Auffassung entsprechend hat die mohammedanische Mystik [Anm. von mir: Also der Sufismus, aber nicht der Islam] einen sehr heiteren Charakter, die christliche einen düstern und schmerzlichen; die der Hindu, über beiden stehend, hält sich auch in dieser Hinsicht die Mitte.“
Gruß
Metapher