Informationsauftrag der Medien

Hallo Mitmenschen!!
Folgende hypothetische Situation:

Ein Deutscher Staatsangehöriger zB türkischer Herkunft hat den Türsteher einer Bar (oder was ähnliches) mit dem Messer angegriffen. Eine Zeitung möchte einen Artikel darüber publizieren.

Nun möchte ich euch fragen, ob im Artikel die Herkunft des Täters genannt oder nicht genannt werden sollte. Es wäre schön, wenn ihr eure Meinung begründen würdet.

Gut Morgen Auchmitmensch -

meine (eigentlich naheliegende) Antwort wäre:

Die Herkunft des Täters wäre m.E. dann sinnvoll zu nennen, wenn dies mit der eigentlichen Mitteilung definitiv zu tun hat. Sagen wir: der Türsteher hat sich rassistisch geäußert/verhalten, und davon fühlte sich der Türkischherkünftige provoziert. Die Meldung sollte das dann insgesamt klar darstellen.

Die Herkunft des Täters wäre m.E. dann NICHT zu nennen sinnvoll, wenn ein solcher Bezug eben nicht vorliegt. Zum einen mag es einen ganz anderen Grund für die Tat gegeben haben, der damit rein gar nichts zu tun hat (vielleicht ging’s um Geld oder Falschparken oder was auch immer), oder der Grund ist dem Redakteur einfach nicht bekannt. Dann würde durch die explizite Nennung der Herkunft mit der Meldung impliziert, dies sei der Grund der Auseinandersetzung: dann würde daraus zwar noch keine Falschmeldung, aber dennoch eine mit hoher Vermutlichkeit irreführende Meldung: der Leser wird verleitet, dies im Rahmen der Meldung für eine sachbezogene Information zu handeln.

Redakteure sind dabei eben auch nur Menschen: sie unterliegen Formatierungsvorgaben (hier muß noch ein Adjektiv rein, sonst stimmt die Länge nicht), Zeitlimits (die Meldung muß in drei Minuten bei der Schlußredaktion sein), und natürlich haben sie eigene - nicht immer bewußte - Meinungsbilder: ein Redakteur, welcher der Meinung ist ‚Alle Türken sind sehr gewaltbereit‘ wird dieses Detail vielleicht eher nennen als einer, der dieses Vorurteil nicht hat.

Selbstverständlich besteht auch die Option bewusster Leserirreführung durch solche rhetorischen Mittel, was in politisch unausgeglichenen Kontexten ausgiebigst zelebriert wird: Vorurteile werden geschaffen oder verstärkt, Personen verunglimpft. Genaues und kritisches Hinlesen ist daher stets wichtig, besonders in solchen journalistischen und juristischen Grauzonen (denn als evtl. Betroffener im Extremfall einer Zeitung auf diesem Wege Rufmord nachzuweisen, ist sicherlich äußerst vertrackt).

Das ist die subtile Macht der Medien, und wie jede Macht wird auch sie häufig beiläufig, unbedacht und in Kleinigkeiten schlampig angewandt.

Ein Gruß vom Pengoblin,
mehrfach Vorbestrafter*

[*dies nur als Beispiel - Du siehst selbst: die angehängte Information hat mit der Meinungsäußerung hier rein gar nichts zu tun, könnte sie aber durchaus für manche - kurzzeitig oder dauerhaft - in ein anderes Licht setzen. Abgesehen davon bin ich nicht vorbestraft.]

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Presse-Kodex
Hallo dePat,

guckstu:
http://www.presserat.de/Pressekodex.pressekodex.0.html
und da insbesondere zu Ziffer 8 - Persönlichkeitsrechte:
http://www.presserat.de/Richtlinien-zu-Ziffer.76.0.html
Für alle, die nicht hinsurfen wollen, sei auszugsweise zitiert:

(1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.

(2) Opfer von Unglücksfällen oder von Straftaten haben Anspruch auf besonderen Schutz ihres Namens. Für das Verständnis des Unfallgeschehens bzw. des Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Ausnahmen können bei Personen der Zeitgeschichte oder bei besonderen Begleitumständen gerechtfertigt sein.

(3) Bei Familienangehörigen und sonstigen durch die Veröffentlichung mittelbar Betroffenen, die mit dem Unglücksfall oder der Straftat nichts zu tun haben, sind Namensnennung und Abbildung grundsätzlich unzulässig.

(4) Die Nennung des vollständigen Namens und/oder die Abbildung von Tatverdächtigen, die eines Kapitalverbrechens beschuldigt werden, ist ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn dies im Interesse der Verbrechensaufklärung liegt und Haftbefehl beantragt ist oder wenn das Verbrechen unter den Augen der Öffentlichkeit begangen wird.
Liegen Anhaltspunkte für eine mögliche Schuldunfähigkeit eines Täters oder Tatverdächtigen vor, sollen Namensnennung und Abbildung unterbleiben.

(5) Bei Amts- und Mandatsträgern können Namensnennung und Abbildung zulässig sein, wenn ein Zusammenhang zwischen Amt und Mandat und einer Straftat gegeben ist. Gleiches trifft auf Personen der Zeitgeschichte zu, wenn die ihnen zur Last gelegte Tat im Widerspruch steht zu dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihnen hat.

(6) Namen und Fotos Vermisster dürfen veröffentlicht werden, jedoch nur in Absprache mit den zuständigen Behörden.

Falls Du selbst Journalist bist -
mach Dir den Kodex schleunigst zu eigen.

mfg:stuck_out_tongue:it
[manchmal.dschurnalistchen]

Danke ihr beiden,

also der Grund, warum ich die Frage gestellt habe, ist folgender:
Ich habe letztens zwei Artikel in zwei verschiedenen Zeitungen gelesen, die über dieselbe Straftat berichtet haben. Die eine Zeitung berichtete von einem 41 Jahre alten Frankfurter, der den Türsteher eines Lokals mit einem Messer attackiert habe, da er aus dem Lokal gewiesen worden sei. Die andere Zeitung dagegen berichtete von einem 41 Jahre alten Türken, der den Türsteher einer Schwulen-Kneipe mit dem Messer…usw.
Also rein informell hat der zweite Artikel sogar einen höheren Wert, wie ich finde. Es werden mehr Fakten genannt, die möglicherweise dazu beitragen können, die Straftat besser klassifizieren zu können, um mögliche gesellschaftliche Defizite vielleicht sogar zu offenbaren.
Auf der anderen Seite jedoch gebe ich Dir, Pengoblin, vollkommen Recht. So entstehen Vorurteile oder werden verschärft. Das Problem ist, dass von 100 Menschen vielleicht einer vernünftig genug ist, um den Informationsgehalt vorurteilslos zu deuten; der Rest denkt sich wahrscheinlich entweder sch*** Türken oder sch*** Nazi-Zeitung.
Die deutsche Öffentlichkeit kann m.E. mit der Wahrheit (is jetzt nicht unbedingt auf diesen Zeitungsartikel bezogen) noch nicht vernünftig genug umgehen, weswegen die erste Zeitung wahrscheinlich auch als die „seriösere“ eingestuft wird.

MfG, Patrick.