Roma-Banden und Menschenhandel
Hi Desperado.
Da diese Dokumentation eines staatlichen Senders wie der BBC
ein extrem einseitiges Bild zeigt fragt man sich wieso ein
Sender der von der Oeffentlichkeit finanziert wird nicht
moralisch verpflichtet sein sollte ein ausgewogenes Bild zu
zeigen.
(Das Thema scheint nicht philosophisch zu sein, aber da es unter praktische Ethik (bzw. Unethik) fällt, möchte ich auf einen Punkt hinweisen, der unbedingt erwähnt werden sollte)
Du forderst ein „ausgewogenes Bild“. Wovon? Das Thema der Doku ist die von vielen Roma-Banden verübte Kriminalität. Dem scheint sie einigermaßen gerecht zu werden. Würde eine Doku nur
eine gut integrierte Romafamilie … zeigen, die mit Rassismus zu kaempfen hat
… würdest du dann beanstanden, dass dieses Bild zu unausgewogen sei? Wohl kaum. Aber es wäre unausgewogen.
Was findet ihr, ist es moralisch erlaubt solch Propaganda
(dazu noch auf Kosten des Steuerzahlers) zu betreiben oder
sollte die Oeffentlichkeit Sender wie die BBC dazu draengen
auf Rassismus zu verzichten und ausgewogen zu berichten?
Du klagst eine Doku, die Menschenhandel anprangert, als unmoralisch an. Da kann ich nicht folgen.
Sehen wir´s doch mal im Zusammenhang.
Es geht in der Doku um „Romanian gypsies“, also um Roma aus Rumänien. Rumänien ist, noch vor Bulgarien und Albanien, das europäische Zentrum für Menschenhandel. Fakt ist, dass viele (vermutlich die meisten) der Bettelkinder von rumänischen Menschenhändlern an die Roma-Banden verkauft bzw. „vermietet“ wurden. Experten wie Boris Mesaric zufolge (er ist Geschäftsführer der Schweizerischen Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel) werden die gekauften Kinder dann in Roma-Lagern zu Bettlern und Dieben ausgebildet. Dabei lernen sie auch, dass es Schläge setzt, wenn sie von ihrer Tour erfolglos zurückkehren.
Das Problem steht also in engen Zusammenhang mit einem der schlimmsten aller Delikte: der Entführung und Ausbeutung von Menschen.
Laut Statistik des BKA für das Jahr 2011 waren von 560 in der BRD bekannt gewordenen Menschenhandelsopfern 160 Personen von rumänischen Menschenhändlern verschleppt und verkauft worden - der mit Abstand größte Anteil.
In Rumänien werden die ca. 2 Mio Roma rücksichtslos unterdrückt, und zwar von Seiten der Behörden und der Bevölkerung, was nicht verwundert, da die menschenrechtliche Lage in Rumänien ganz allgemein verheerend ist. Politik, Justiz und Polizei sind korrupt, d.h. mit kriminellen Gruppen verbandelt. Menschenhändler haben dort leichtes Spiel. Es gibt Tausende von z.T. drogenabhängigen Straßenkindern allein in Bukarest, die keiner vermisst, wenn sie an Roma-Banden verkauft werden.
Ein noch viel größeres Problem - an dem auch Roma-Banden beteiligt sind - ist der Menschenhandel mit jungen Frauen, die an ausländische Bordelle verkauft werden, so geschehen mit einer 16jährigen Schülerin, die in Rumänien nach der Schule entführt, verprügelt und zur Prostitution gezwungen wurde.
Ähnliches geschieht etwa 120 (=hundertzwanzig) Tausend Frauen und Mädchen, die laut EU-Schätzung jährlich (!) als Zwangsprostituierte nach Westeuropa geschleust werden. Etwa 30.000 davon stammen aus Rumänien. Nicht alle wurden entführt, die meisten werden unter Vorspiegelung von Hostessenjobs ins Ausland gelockt (d.h. illegal geschleust). Dort aber präsentiert man ihnen eine fünfstellige Rechnung und fordert, die Schulden durch Sexdienstleistungen abzuarbeiten. Bei Weigerung setzt es Schläge. Allein in Belgien sind 70 Prozent aller Prostituierten verschleppte Bulgarierinnen.
Ich will mit all dem sagen, dass man das Problem „Roma und Bettelkinder“ nicht lösgelöst von dem allgemeinen Problem des Menschenhandelns, speziell in seiner Balkan-Variante, betrachten kann. Dass ein Doku das Thema anreißt, ist für mich absolut in Ordnung - egal ob ´ausgewogen´ oder nicht.
Chan