Guten Abend!
Weil E-Ingenieure (wie auch Ingenieure anderer Fachrichtungen, insbesondere des Maschinenbaus) in buchstäblich allen Bereichen tätig sind, muss jede Aufzählung auch nur der häufigsten Tätigkeitsfelder lückenhaft bleiben. Außerdem geht es in der Praxis zwischen den Fachrichtungen personell bunt durcheinander. So findet man Physiker in fast allen Bereichen und der von Opel kommende Maschinenbau-Ing., der in der Entwicklung von Nachtsichtkameras tätig ist, ist keineswegs eine Ausnahme. Die Aufgaben sind oft interdisziplinärer Natur, so dass eine strikte Aufgabentrennung nach ursprünglicher Studienrichtung gar nicht möglich ist.
Neben den klassischen Entwicklungsstellen sind viele Ingenieure in der Projektierung tätig. Das reicht vom Straßenbau (dort auch E-Ings) bis zum Hochbau. Ein riesiges Betätigungsfeld ist auch der Vertrieb. Darunter sind keine klinkenputzenden Leute mit Musterkoffer zu verstehen, sondern Ingenieure, zuweilen promovierte Leute, die ihr Fachwissen brauchen, um beratend das für den Industriekunden geeignete Produkt zu verkaufen oder den Kundenwunsch in ein spezielles Angebot umzusetzen. Auch die Bereiche Fertigung und Qualitätswesen beschäftigen viele Ingenieure. Die Entwicklung eines Produkts ist eine Sache, das Reproduzieren in gesicherter Qualität eine andere.
Sitzt er am PC und erfindet?
Ja. Wobei erfinden vorkommt, aber in Richtung zufälliger Entdeckung missverstanden werden kann. In aller Regel handelt es sich in der Industrie um zielgerichtete Entwicklung. Und schließlich rutschen viele Ingenieure über Personalverantwortung immer mehr in den Verwaltungsbereich.
Oder ist er in einem Labor und probiert aus, ob das funktioniert, was :er sich vorstellt?
Ja, am praktischen Aufbau führt letztendlich kein Weg vorbei, obwohl sehr viel am Rechner simuliert wird. Die heutigen Rechen- und Konstruktionsmöglichkeiten haben die Arbeit in der Entwicklung innerhalb der letzten 2 bis 3 Jahrzehnte deutlich verändert.
Baut er den Prototyp am Ende sogar selber zusammen?
Kann passieren, ist aber sehr von der Art der Arbeit und von der Organisation im Unternehmen abhängig. Und natürlich von wirtschaftlichen Überlegungen. Niemand beschäftigt einen Menschen mit 50 bis 100 T€ Jahressalär über längere Zeit mit irgendwelcher Schrauberei, die man auch von halb so teuren Kräften durchführen lassen könnte.
Läuft er in der Firma rum und gibt Anweisungen?
Kann passieren. Nicht wenige Ingenieure sind Betriebsleiter.
Guckt er, ob die Arbeiter, die seine Erfindung bauen, alles richtig :machen? Erfindet er was mit anderen Leuten zusammen?
Reden wir besser von Entwicklung, statt von nach Daniel Düsentrieb riechender Erfindung (obwohl das Patentrecht von Erfindung spricht). Und ja, das Team ist der Regelfall. Der alleinige Ingenieur in einem Entwicklung treibenden Unternehmen ist eine seltene Ausnahme. Nur ein einziger Ingenieur, der den Betrieb oder Betriebsteil leitet, kommt aber im Mittelstand durchaus vor.
Also, ich will natürlich nur wissen, was vorwiegend der Fall
ist …
Da muss ich dich enttäuschen. Den vorwiegenden Einsatz- und Aufgabenbereich gibt es für Ingenieure nicht. Darin liegt ein deutlicher Unterschied zu den Alsolventen gewerblicher Ausbildungen. Wer eine gewerbliche Ausbildung welcher Art auch immer durchlief, ist hinsichtlich Branche und Tätigkeit weitgehend festgelegt. Das ist bei Ingenieuren überhaupt nicht der Fall. Das liegt an der Art der Ausbildung.
Nach einer Lehre kann ein Friseur sofort als solcher arbeiten, ein Dachdeckergeselle kann ein Dach decken und ein E-Installateur bekommt eine Hausinstallation zustande. Im Gegensatz dazu kann ein frisch gebackener Ingenieur, der gerade die Hochschule verlassen hat, noch nichts praktisch Verwertbares. Der frisch von der Hochschule kommende E-Ing. kann keine Steckdose installieren. Man müsste eher befürchten, dass er sich mit Werkzeugen selbst verstümmelt. Statt praktischer Fertigkeiten mit speziellen Kenntnissen hat er theoretisches Rüstzeug, das ihn befähigt, sich in irgendein vorzugsweise technisches Aufgabengebiet einzuarbeiten.
Gruß
Wolfgang