Ingenieur ohne vorherige Ausbildung

Hallo,

mich quält schon seit längerem folgende Frage:

Ist ein Ingenieur ohne Ausbildung generell ein „schlechterer“ Ingenieur bzw.
wie wichtig ist eine Ausbildung wirklich für die Ingenieurslaufbahn, wenn man
zum Teil hobbymäßig diese Tätigkeiten ausübt?

Konkretes Problem bzw. Fragestellung:

Ich habe nach dem (allgemeinen) Abitur ein (duales praxisintegriertes) Maschinenbaustudium absolviert (Bachelor mit 1,9), jedoch ohne vorher eine Ausbildung in einem einschlägigen Beruf (Industriemechaniker/Mechatroniker) zu durchlaufen, obwohl es mich schon sehr interessiert hätte. Damals stand ich vor der Entscheidung, ob Ausbildung oder Studium und habe mir gedacht bzw. ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nach einer Ausbildung kein Studium mehr angefangen und/oder auch mit einem so guten Notenschnitt geschafft hätte.

An der FH wurde ich dann von vielen Komilitonen aufgrund keiner abgeschlossener Ausbildung immer nur als Theoretiker beschimpft/bezeichnet, obwohl ich das meiner Meinung nach nicht bin. Ich schweiße, flexe, bohre und repariere zum Teil meine Autos zuhause sehr gern bzw. auch oft aus der Not heraus aufgrund fehlender finanzieller Mittel als Schüler/Student.
Es ist halt nur auf Hobbyniveau. Das ich einem Industriemechaniker mit 3 Monaten Schweißlehrgang oder eine KFZ-Werkstatt nicht das Wasser reichen kann, ist mir schon klar aber das benötigt ein Ingenieur in seinem späteren Werdegang doch sowieso nie mehr oder wie seht ihr das? Es reicht doch, wenn ich die grundlegenden praktischen Arbeitsabläufe von zuhause aus kenne. Im Betrieb eignet man sich die dortigen Abläufe doch sehr schnell an meiner Meinung nach.

Wie seht ihr das?
Waren die Komilitonen zum Teil nur neidisch, das ich 3 Jahre eher fertig war, als sie?
Was zählt bei einem Einstellungsgespräch später in der Industrie?
Wie weise ich im Lebenslauf am besten darauf hin, dass ich keineswegs reiner Theoretiker bin, aber keine Schlagwörter wie „Ausbildung“ oder „Facharbeiter“ vorweisen kann?
Sind hier vielleicht Personaler, die sich dazu mal äußeren wollen?

Vielen Dank!

Hi!
Das Wichtigste ist doch, dass Du Dich in der Praxis auskennst und durch Dein Hobby einen Bezug dazu hast. Ich habe Kollegen Mitingenieure, die noch nicht einmal mit einem Schraubendreher zurecht kommen. Schlimm ist es das diese Leute Dinge entwickeln ohne zu merken das man diese so nicht umsetzen kann. Die Ausbildung ist ja quasi nur der offizielle Nachweis, dass Du Ahnung von der praktischen Anwendung hast.
Ziel eines Ingenieurs ist es zu konstruieren und zu planen, und nicht die Maschine selbst zu bauen. Sicherlich muss man je nach Situation auch mal selbst Hand anlegen können, aber die Schwerpunkte liegen nicht im Handwerk. Einen schlechtern Ingenieur zeichnen andere Dinge aus, als einen nicht vorhandenen Gesellenbrief.
Das wäre meine Meinung dazu.
Grüße j

Ingenieur ohne Facharbeiterausbildung
Hallo Namenloser

Ist ein Ingenieur ohne Ausbildung (zum Facharbeiter) generell ein „schlechterer“ Ingenieur bzw. wie wichtig ist eine Ausbildung wirklich für die Ingenieurslaufbahn.

Das kommt auf die Fachrichtung bzw. das Arbeitsgebiet an.

Ich habe Erfahrung als Ingenieur derSteuerungstechnik im Anlagenbau (siehe mein Profil) und ich habe beim Bau und der Inbetriebnahme von Anlagen sehr von meiner Erfahrung als Betriebsschlosser profitiert. Ich konnte bei Projektbesprechungen nicht so leicht von meinen Partnern, welche die Mechanik lieferten, über den Tisch gezogen werden. Und die wussten das.

Ich habe …ein (duales praxisintegriertes) Maschinenbaustudium absolviert, jedoch ohne vorher eine Ausbildung in einem einschlägigen Beruf (Industriemechaniker/Mechatroniker) zu durchlaufen.

An der FH wurde ich dann von vielen Kommilitonen aufgrund keiner abgeschlossener Ausbildung immer nur als Theoretiker beschimpft/bezeichnet, obwohl ich das meiner Meinung nach nicht bin. Ich schweiße, flexe, bohre und repariere zum Teil meine Autos zuhause sehr gern.

Du lässt Dich zu leicht verunsichern. Man sollte in solchen Fällen immer daran denken, das das Herabsetzen und Verunsichern von Konkurrenten eine (miese) Strategie ist, das eigene Ego aufzuwerten.

Ich habe mich nach der Ausbildung zum Elektrotechniker in der Anfangszeit bei der AEG den diplomierten Ingenieuren auch unterlegen gefühlt (bin allerdings nicht beschimpft worden). Das hat schnell nachgelassen.

Ein Kollege, mit dem ich ein Büro geteilt habe, sagte mir folgendes: „Es dauert zwei Jahre, bis Du voll einsetzbar bist, und dann kommt es darauf an, was Du bei der Arbeit lernst. Deine frühere Ausbildung wird von Jahr zu Jahr unwichtiger, denn das Wissen in der Elektrotechnik verdoppelt sich alle 10 Jahre (1970) und vieles, was Du irgendwann gelernt hast, veraltet. in Zukunft wirst Du Dich immer mehr spezialisieren und auf das verlassen müssen, was Du Dir auf deinem Spezialgebiet selbst erarbeitest.“

Und ich habe es weit gebracht. Warum sollte Dir das nicht auch gelingen?

Viel Erfolg wünscht
merimies

Hallo,

ich habe vor dem Studium Kfz-Mechanikus bei Benz gemacht.

Es spielt aber absolut keine Rolle ob der Ing. mit oder ohne vorheriger Lehre gemacht wurde.

Ich schweiße, flexe, bohre und repariere zum Teil
meine Autos zuhause sehr gern bzw. auch oft aus der Not heraus
aufgrund fehlender finanzieller Mittel als Schüler/Student.

Das ist doch gut. Somit hast Du doch den Praxisbezug und bist den Großmäulern noch einiges voraus. Du hast es Dir selbst angeeignet und die haben es vorgekaut bekommen.

Es ist halt nur auf Hobbyniveau.

Spielt keine Rolle und ist zudem noch ausbaufähig.

Kopf hoch und orientiere Dich an Deinen Zielen und sonst nichts anderes. Die anderen können Dir am Heck lang gehen.

Gruß vom Raben

Hallo,

mich quält schon seit längerem folgende Frage:
Ist ein Ingenieur ohne Ausbildung generell ein „schlechterer“
Ingenieur bzw.

auch das Studium ist „Ausbildung“.
Generell:Ein guter Ingenieur läßt nicht locker bis alle Zweifel beseitigt sind.
Hilfreich ist dazu natürlich das Gefühl für „Machbarkeit“, welches in einem
praktischen Beruf vermittelt werden kann.
Tatsache ist, daß manche Ingenieure, welche nur Studium haben, an ihre angelernten
„Erkenntnisse“ glauben, zu wenig „Zweifel“ haben.

An der FH wurde ich dann von vielen Kommilitonen aufgrund
keiner abgeschlossener Ausbildung immer nur als Theoretiker
beschimpft/bezeichnet, obwohl ich das meiner Meinung nach
nicht bin.

Richtig ist, das, bevor man in Konstruktion arbeitet, entsprechendes
Praktikum durchlaufen sollte.
Große (oder auch andere ) Firmen werden ihr junges Ingenieurpersonal
von der Schule wohl erst mal vor Ort „nach schulen“.

Wie seht ihr das?
Waren die Kommilitonen zum Teil nur neidisch, daß ich 3 Jahre
eher fertig war, als sie?

Kaum,eventuell nur überheblich.Aber auch deren „Ausbildung“ kann eventuell für die
spätere Praxis ungenügend sein.
Gruß VIKTOR

Theorie, Praxis und Realität
Hallöchen,

Eine duale Ausbildung in sich ist auch keine Garantie für Kompetenz, denn nicht jeder, der sowohl einen Schraubenzieher halten als auch die Newtons welche auf die Schraube wirken berechnen kann, ist ein guter Kandidat, um einen Flugzeugträger zu konstruieren.

Die gesamte Ausbildungsphase ist kein automatischer Beweis für Erfolg im späteren Berufsleben, sondern beides sind eher Facetten, welche als Indizien für potentielle Eignung herangezogen werden. Dazu kommen dann noch Softskills und die generelle Lernfähigkeit, Kreativität und Abstraktionsvermögen etc. etc.

Es gibt Leute, die bringen Talent mit und brauchen deswegen weniger zu erlernen, um gut zu arbeiten.
Es gibt Leute, die haben Theorie und Praxis so weit gelernt, dass sie routinemäßig gut arbeiten.
Und es gibt Leute, die haben „Untalent“ und werden trotz dualer Ausbildung niemals wirklich qualifiziert sein.

Gruß,
Michael

Vielen Dank für die Antworten bisher.
Das beruhigt mich ein wenig. 

Wahrscheinlich lasse ich mich wirklich zu schnell verunsichern.
Und/Oder ich bin vielleicht einfach ein wenig „neidisch“, weil ich keine 
Ausbildung durchlaufen habe, obwohl ich das vielleicht gerne
getan hätte. 

Noch eine Frage:

Was haltet ihr für wichtiger bzw. sinnvoller? 
Eventuell nach der Vertragsbindung (3 Jahre) an mein jetziges Unternehmen noch
den Master anzuhängen oder eher „durchzuarbeiten“ und den Bachelor
mit Zusatzqualifikationen „aufwerten“ (also z.B. Prüfingenieur,
Schweißfachingenieur oder Auditor im Rahmen des QM-Systems etc. …)

Mit welchem Werdegang werde ich wohl bessere Karten haben, falls ich
mich später eventuell woanders bewerben will?