Hallo wwwwombat,
wir müssen die GEdichte erklären und auch verdeutlichen an
welchen Textstellen man welche Motive (in diesem Fall Kritik)
dieser „Literaturepoche“ erkennen kann und was diese bedeuten.
wäre dir sehr dankbar wenn du mir das GEdicht ein bisschen
näherbringen würdest 
Ach Du Schreck, meine Schulzeit ist schon ewig vorbei
Ein paar Hinweise wenigstens. Du musst bedenken, daß dies nur ein Gedicht aus einem ganzen Zyklus ist, wie schon aus dem Titel „einundzwanzig variationen über das thema »die post«“ hervorgeht. Man müsste also alle lesen, um sozusagen die „Summe“ der ganzen Aussage zu erhalten. Aber einige Hinweise zu diesem Gedicht:
_Brief du
zweimillimeteröffnung
der tür zur welt du
geöffnete öffnung du
lichtschein,
durchleuchtet _
Offiziell bestand zwar das Briefgeheimnis in der DDR, aber jeder wußte, oder ahnte zumindest, daß „verdächtige“ Briefe von der Stasi geöffnet („du geöffnete Öffnung“) und gelesen, „durchleuchtet“ wurden.
_O aus
einem fremden land , sieh
die marken … Wie
heißt das land?
Deutschland , tochter_
Dieser Teil Deutschlands, die Bundesrepublik (Absendeort wird durch die Briefmarken klar), für Normal-DDR-Bürger, also Deutsche, zu dieser Zeit ein „fremdes Land“, unerreichbar wie der Mond, exotisches Ziel höchstens von Sehnsüchten und Träumereien. Und dann, verstärkend, der Landesname „Deutschland“, ein zu dieser Zeit in der DDR fast tabuisiertes Wort. Man rang um die Anerkennung der DDR, sprach von zwei verschiedenen Staaten, der DDR und Westdeutschland, bestenfalls von der BRD. Das Wort „Deutschland“, als einigender Begriff, wurde folgerichtig geradezu vermieden und aus dem Sprachgebrauch verbannt. In der DDR-Nationalhymne hiess es z.B. „Deutschland, einig Vaterland“, das war nun ganz und gar nicht mehr genehm und entsprach keinesfalls der „SED-Parteilinie“, so wurde die Hymne einfach nicht mehr gesungen, sondern nur noch die Melodie gespielt. Überhaupt verschwand das Wort „Deutschland“ aus dem offiziellen Sprachgebrauch. So hieß z.B. ein großes Hotel in Leipzig „Hotel Deutschland“ und wurde in „Hotel am Ring“ umbenannt. Nur der SED und ihrem Zentralorgan, dem „Neuen Deutschland“ verblieben der Begriff „Deutschland“. Ersteres wurde vielleicht als nicht so kritisch angesehen, da ohnehin kaum jemand „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“, sondern immer nur kurz SED sagte und bei zweitem war eine Umbennung vermutlich schwierig und immerhin war es eben ein Neues Deutschland, das mochte als Abgrenzung zum „alten“, „morschen“ und „imperialistischen“ Deutschland genügen. In diesem Zusammenhang wird klar, daß selbst die bloße Erwähnung des Wortes „Deutschland“ im Gedicht ein Politikum, eine Art Provokation darstellte.
_… der wolf ist tot!
Im märchen, tochter, nur
im märchen_
Ja, im Märchen, nur im Märchen war der Wolf tot, in der DDR lebte und existierte er noch in vielfacher Gestalt. Es handelt sich ja um das Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“, in dem der Wolf in verschiedenen Verkleidungen versucht, sich in das Vertrauen einzuschleichen. Im Zusammenhang mit den Eingangszeilen vom durchleuchteten Brief stellt sich da die Assoziation zu den Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi ein, die sich als Gesinnungsgenosse ausgeben, dich in der Gestalt von vermeintlichen Freunden und Kollegen aushorchen und ausspionieren und so dazu beitragen, daß Du im schlimmsten Fall im Rachen und Bauch (Gefängnis) der Stasi verschwindest. Der Wolf hat Kreide gefressen, sprich, er macht mit in deiner oppositionellen Gruppe, aber eben nur zur Täuschung, damit die Stasi besser Bescheid weiss und den entscheidenden Zeitpunkt zum Zugriff nicht verpasst…
Auf einer anderen Ebene mag man auch an den Wolf denken, der mit den Wölfen heult, Sinnbild für viele in der DDR, die „einfach mitgemacht, mit der Meute geheult haben“, ohne Überzeugung die offiziellen Parolen und wechselnden Losungen mitverkündet haben und mitmarschiert sind, um ihres privaten Friedens oder ihrer Karriere willen. Zu jedem offiziellen Anlass (Parteitage, zu „Republikgeburtstagen“ wie es so schön hieß), waren die Medien voll von Selbstverpflichtungen zu noch besseren Planerfüllungen, von Lobpreisungen dankbarer Werktätiger an die Partei- und Staatsführung usw. usw.
Welch ein ansehlicher Chor von „Wölfen, die mit den Wölfen heulen…“ Wahrlich, diese Wölfe waren nur im Märchen tot, in der DDR liefen sie rudelweise umher.
eine frage noch am Rande: hat sich die „innere Emigration“
auch auf die Kunst (also Bildmalerei) ausgewirkt und wenn ja,
welche bekannten bilder gibt es zu dieser epoche?
Oh ja, auch dort gibt es Beispiele. Mir fällt da z.B. das Bild „Die Ausgezeichnete“ von Wolfgang Mattheuer ein
http://www.foederales-programm.de/templates/seiten/f…
oder „Brigadefeier - Gerüstbauer“ von Sighard Gille
http://www.bildindex.de/bilder/ng2635_010b.jpg
die beide durchaus nicht dem üblichen Bild vom „sozialistischen Arbeitshelden“ entsprechen. Ob man Mattheuer als „in der inneren Emigration befindend“ bezeichnen kann möchte ich nicht entscheiden, bezweifle es auch etwas. Aber für S. Gille trifft es wohl eher zu. Auch die Bilder meines Lieblingsmalers, des Leipzigers Arno Rink, gehören dazu. Nur als Beispiel das Gemälde „Bedrohte Landschaft“
http://www.galerie-schwind.de/733.0.html?&tx_chgalle…
das ziemlich unverschlüsselt die Umweltzerstörung in der DDR anprangert, exemplarisch am Leipziger Umland, das nicht nur von zahlreichen Braunkohlengruben zerpflügt und zernarbt wurde, bis hin zur totalen Gesundheitsbedrohung, im benachbarten Bitterfeld am besten spür- und riechbar…
http://www.horch-und-guck.info/hug/archiv/2008-2009/…
Gut, es liesse sich noch vielmehr schreiben, aber das soll genügen. Mehr musst Du jetzt selbst draus machen, ich hoffe nur, meine Anmerkungen kommen nicht zu spät.
Viele Grüße
Marvin