Inquisition und Hexen

Hallo,

ich habe mich gestern mit einer Arbeitskollegin über das oben genannte Thema unterhalten und da meinte sie, dass ihr in einer Ausstellung zu Hexen folgendes zu wenig thematisiert worden sei:

Die Inquisition hätte nur die Ängste und Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber sogenannten Hexen umgesetzt, wenn es nicht anders ging. Hexenverbrennung sei kein erklärtes Ziel der Inquisition gewesen, sondern war sozusagen eine Volksbewegung. Das hätte die Forschung mittlerweile zu Tage gebracht.

Mal eine Frage an die, die sich damit befasst haben: Könnt ihr das bestätigen? Ich höre das zum ersten Mal.

Gruß,
Spiff

Nun, Inquisition und Hexenverfolgung hatten recht wenig miteinander zu tun. In den Ländern, in denen die Inquisition eine bedeutende Rolle spielte (Spanien, Italien), gab es nur wenige Hexenprozesse, umgekehrt fanden sehr viele Hexenprozesse auch in protestantischen Gegenden statt.

In den Ländern, in denen die Inquisition
eine bedeutende Rolle spielte (Spanien, Italien), gab es nur
wenige Hexenprozesse, umgekehrt fanden sehr viele
Hexenprozesse auch in protestantischen Gegenden statt.

Nicht auch, sondern gerade in protestantischen Ländern scheint Hexenverfolgung als solche eine übliche Erscheinung gewesen zu sein.
Die römisch-katholische Kirche verfolgte offenbar eher die sogenannten Ketzer, wobei keine Unterscheidung nach Geschlecht und Ausrichtung der vorgeworfenen Untaten getroffen wurde. So in der Art habe ich es jedenfalls schon gelesen.

Grüße,
RH

Hallo Spiff_in_Space,

Die Inquisition hätte nur die Ängste und Vorbehalte der Bevölkerung
gegenüber sogenannten Hexen umgesetzt, wenn es nicht anders ging

Die Inquisition hat bisweilen Ketzer (-innen) untersucht und verurteilt, die als Hexen angezeigt worden waren, sie hat aber den Masstab bei der Häresie (öffentlichem Beharren auf Dingen, die der kirchlichen Lehre widersprachen) angesetzt, R. Holzer hat folgerichtig von den Ketzern gesprochen, verurteilt ohne Unterschied von Geschlecht oder Herkunft. Umgesetzt hat die Inquisition also lediglich Anzeigen, die zu Anklagen, Untersuchungen und Urteilen führten. Ein prozessuales Merkmal, das die Inquisition von vielen Gerichten unserer Zeit unterscheidet, ist dass Richter und Ankläger in einer Person zusammenfielen (vereinzelt gibt es das allerdings auch heute), ein weiteres war, dass man zeitweise gewisse Arten von Folter zuliess (leider heute auch in einzelnen Staaten Gesetz, vgl. Guantànamo). Materiell war die Aufgabe der Inquisition allerdings darauf beschränkt, festzustellen, ob jemand Häretiker (bzw. Schismatiker oder Apostat) war.

Ausgeführt wurden die Urteile durch die weltliche Obrigkeit.

Gruss
Mike

Hallo,

Die Inquisition hätte nur die Ängste und Vorbehalte der
Bevölkerung gegenüber sogenannten Hexen umgesetzt, wenn es
nicht anders ging. Hexenverbrennung sei kein erklärtes Ziel
der Inquisition gewesen

ja, dies wurde Dir ja schon in den anderen Beiträgen gesagt.
Inquisition und Hexenverbrennung haben im Prinzip nichts
miteinander zu tun.
Eine etwas ausführliche Behandlung des Themas findest Du auch hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung
Gruß

Hallo,

auch ganz interessant:

http://www.denk-mit.info/kirche/papstratzingernachfo…

Grüße
K.

Hallo!

Inquisition und Hexenverbrennung haben im Prinzip nichts
miteinander zu tun.

Mich interessiert in diesem Zusammenhang, ob nur in Ländern mit organisierter Inquisition (mit observierender Geheimpolizei), z. B. Spanien, oder auch in solchen, in denen nur auf Anzeige vorgegangen wurde (z. B. Deutschland) auch Geldstrafen verhängt wurden.
Man findet bei
Sciascia, Leonardo: Morte dell’Inquisitore. Milano (Adelphi) 1992, S. 11
eine Bittschrift des Senats von Palermo, wo es eine Dienststelle des Sant’Uffizio gab, an den Gesandten bei Karl V., Antonello Lo Campo, zitiert:
(ich übersetze daraus:smile:
„[…] und wie wir kein Mittel (remedio) der Appellation haben und dass wir in dieser Stadt in die größte Verwirrung der Welt gebracht (reducti) waren und dass der ‚Inquisituri‘ mit allen seinen Leuten (cum tucti li suoi) auf nichts anderes bedacht ist (non attendia a fari altro) als Geld herauszuschinden (extirpari dinari).“
Was gibt es zur Inquisition nördlich der Alpen für Akteneditionen und Literatur darüber?
Schönen Gruß!
Hannes

auch ganz interessant:
http://www.denk-mit.info/kirche/papstratzingernachfo…

Hi,

K.!

Ja, wirklich ganz interessant: wie da verschwiegen wird, dass die Folter in der Rechtspraxis des ganzen europäischen Mittelalters bis in die Neuzeit herein durchaus gewöhnlich war.
Sie war DAS Mittel der Wahl zur Wahrheitsfindung, wenn der/die Angeklagte weder durch eigenes Geständnis noch durch zwei glaubwürdige Zeugen überführt war. Es gab keinen Indizienprozess.
Unter welchen Umständen man auf die Wahrheitsfindung - und damit auf die Folter - keinesfalls verzichten konnte oder wollte, hing - und hängt! - wohl von der Hysterisierung der Gesellschaft ab: vgl.
Guantánamo, Abu Ghraib, bei uns 2002 der „Fall Daschner“ …
H.

Hallo,

K.!

Ja, wirklich ganz interessant: wie da verschwiegen wird, dass …

Ich fand ja viel interessanter das Ratzinger-Zitat:

"Aber man muss doch sagen, dass Inquisition der Fortschritt war, dass nichts mehr verurteilt werden durfte ohne Inquisitio, das heißt, dass Untersuchungen statt finden mussten.« "

Das hatte ich damals zufällig selbst im ARD-Bericht gesehen und war … beeindruckt, wie zynisch dieser Mann sein kann.

Grüße
K.

In dem Punkt hat er allerdings recht. Bis zu diesem Zeitpunkt lief eine juristische Auseinandersetzung darauf hinaus, daß die Entscheidung Gott anheimgegeben wurde. Sie wurde durch ein Gottesurteil, einen Zweikampf oder durch das Aufbieten von Eideshelfern gefällt. Das römische Recht war in Vergessenheit geraten, zumindest in Westeuropa. „Inquisitio“ heißt wörtlich nichts anderes als „Untersuchung“, und die rechtshistorische Bedeutung der Inquisitionsgerichte liegt eben darin, daß sie ein geordnetes Verfahren besitzen.

Hallo,

"Aber man muss doch sagen, dass Inquisition der Fortschritt
war, dass nichts mehr verurteilt werden durfte ohne
Inquisitio, das heißt, dass Untersuchungen statt finden
mussten.« "

Das hatte ich damals zufällig selbst im ARD-Bericht gesehen
und war … beeindruckt, wie zynisch dieser Mann sein kann.

wieso zynisch? Der Mann hat doch recht - Inquisitionsverfahren folgten einem festgelegten Verfahrensablauf, wurden protokollarisch festgehalten und die Beweisführung basierte im Wesentlichen auf Zeugenaussagen. Dies ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber vorangegangenen Verfahrensformen, die auf Gottesurteilen basierten.

Gruß

=^…^=

Noch ein thread zum Thema:
http://www.geschichtsforum.de/f52/die-inquisition-al…

Hallo Spiff-in-Space,
dann schau mal da: http://www.lehnswesen.de/page/html_hexenwahn.html

Warum hat denn die Kirche so viel Reichtum und Boden angehäuft? Da brauchte doch nur eine familienlose reiche Witwe der Hexerei bezichtigt werden (weil sie Kräuter sammelte und damit Nachbarn half, oder eine Katze besaß), dann wurde sie verbrannt und ihr Vermögen von der Kirche eingezogen.

Gruß, Susanne

Hallo Susanne,

wenn Du diese und die schon öfters hier gelaufenen Diskussionen verfolgt hättest, wüsstest Du, dass die Kirche damit weniger zu tun hatte als das gemeine Volk heutzutage annimmt.

Das Thema eignet sich besser für eine Untersuchung darüber, wie wenig moderne Forschung („Aufklärung“) gegen vermeintliches Wissen („Aberglaube“) ausrichten kann.

Gruß,
Andreas

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Hallo,
ich habe in einer Dokumentation, die geschichtswissenschaftliche
Untersuchungen dazu darlegte mal gehört, dass die Inquisition in
verschienenen Ländern und Fürstentümern sehr unterschiedlich
gehandelt hat.

In solchen Ländern, wo die Obrigkeit das mehr oder weniger unterdrückt hat,
weil da auch eine gewisse Aufgeklärtheit in Herrscherhäusern vorherrschte,
gab es kaum Oper. Das Argument „Beruhigung der Volksseele“ greift da
also nicht.
In anderen Fürstentümern und Ländern, gab es dagegen exzessive
Ausschreitungen diesbezüglich. Die Massen wurden von solcherlei
Treiben natürlich auch leicht angesteckt. Wo also religöser Eifer und
Fanatismus blühten, konnten bestimmte Kräfte Widersacher und mißliebige
Personen leicht denuzieren. Auch Habgier war wohl ein Motiv,
um jemanden an zuschwärzen und sich dessen Eigentum zu bemächtigen.
Gruß Uwi

ich habe mich gestern mit einer Arbeitskollegin über das oben
genannte Thema unterhalten und da meinte sie, dass ihr in
einer Ausstellung zu Hexen folgendes zu wenig thematisiert worden sei:
Die Inquisition hätte nur die Ängste und Vorbehalte der
Bevölkerung gegenüber sogenannten Hexen umgesetzt, wenn es
nicht anders ging. Hexenverbrennung sei kein erklärtes Ziel
der Inquisition gewesen, sondern war sozusagen eine
Volksbewegung. Das hätte die Forschung mittlerweile zu Tage
gebracht.

Mal eine Frage an die, die sich damit befasst haben: Könnt ihr
das bestätigen? Ich höre das zum ersten Mal.

Hallo Spiff,

Deine Kollegin hat von der groben Richtung her Recht, aber ganz stimmt die zitierte Aussage nicht. Manche Aspekte haben meine Vorredner schon erwähnt, ich fasse sie mit meinen Gedanken nochmals zusammen:

  1. Die Inquisition hatte ursprünglich nichts mit kräutersuchenden Weiblein im Sinn. Sie sollte Ketzer finden und ausmerzen oder heimholen). Erst in der frühen Neuzeit begann man eine Verbindung zwischen Häresie und Dämonentreiben zu sehen. Danach interessierte sich auch die Kirche für Hexen.

  2. Nicht in den katholischen, sondern in den protestantischen Territorien sind mehr Menschen dem Hexenwahn zum Opfer gefallen (in den Städten mehr als auf dem Land). Für diese Mehrheit hat die Inquisition schon mal gar keine Verantwortung.

  3. Es ist eine unspektakuläre und darum wenig kolportierte Tatsache, dass die Mehrzahl der Hexenprozesse nicht mit einem Todesurteil endete. Laut kirchlicher Rechtsprechung sollten nämlich nur RÜCKFÄLLIGE Hexen verbrannt werden. Geständige und bereuende Frauen wurden mit Strafen und Bußen belegt.

  4. Hexenverfolgung gab es zeitlich und räumlich in höchst unterschiedlichem Maße. Manche geistliche Herrschaften widerstanden der Hexenverfolgung vollständig, andere Obrigkeiten ergaben sich der Hexenjagd mit Begeiserung. Es lag also tatsächlich am Grad der Hysterie von Bevölkerung und Obrigkeit.

  5. Bei alledem muss man freilich zugeben, dass die Kirche (oder gerechterweise die Kirchen), wenn sie schon nicht den Hexenwahn planmäßig unterstützen, diesen auch nicht bewusst bekämpften, sondern im Gegenteil bereitwillig eine theologische Rechtfertigung lieferte.

Gruß
Hardey

Lektüreempfehlung
http://www.amazon.de/Hexenjagd-Die-Geschichte-Hexenv…

=^…^=

Hallo Hardey,

  1. Bei alledem muss man freilich zugeben, dass die Kirche
    (oder gerechterweise die Kirchen), wenn sie schon nicht den
    Hexenwahn planmäßig unterstützen, diesen auch nicht bewusst
    bekämpften, sondern im Gegenteil bereitwillig eine
    theologische Rechtfertigung lieferte.

nicht unter den Tisch fallen lassen sollte man allerdings, dass der Anfang vom Ende der Hexenprozesse von Geistlichen gemacht wurde, besonders herausragend darunter der Jesuit Friedrich von Spee, dessen Buch ‚Cautio Criminalis‘ noch heute käuflich zu erwerben ist: http://www.amazon.de/Cautio-Criminalis-Rechtliches-B…

Beste Grüße

=^…^=

1 Like

http://www.lehnswesen.de/page/html_hexenwahn.html
Warum hat denn die Kirche so viel Reichtum und Boden
angehäuft? Da brauchte doch nur eine familienlose reiche Witwe
der Hexerei bezichtigt werden (weil sie Kräuter sammelte und
damit Nachbarn half, oder eine Katze besaß), dann wurde sie
verbrannt und ihr Vermögen von der Kirche eingezogen.

Verehrte

Susanne!

Wenn du den von dir mitgeteilten Link selbst befragt hättest, wüsstest du, dass dort von Vermögenseinzug durch die Kirche keine Rede ist.
Und was das Vermögender Hexen betrifft: Deine Vorstellung vom Mittelalter erscheint mir - gelinde ausgedrückt: - etwas abenteuerlich. Das „Vermögen“ von Kräuterweiblein, die am Rand der Gesellschaft lebten, wird wohl, selbst wenn sie ihre Kräuter für Abtreibungen verwendet haben, nicht ausgereicht haben dafür, dass „die Kirche so viel Reichtum und Boden angehäuft“ habt.
Und was die „familienlose reiche Witwe“ betrifft, die, „der Hexerei bezichtigt“, verbrannt wurde - dafür hast du sicher jede Menge Belege. Wenn du da die Freundlichkeit hättest, uns einen solchen Fall mitzuteilen, wäre deine Behauptung noch um einiges überzeugender.
Hannes

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Dankt Euch!
Ich danke Euch allen vielmals für die Informationen.
Erstaunlich, wie die Volksmeinung - damals und jetzt - einen verschiedene Sachen Glauben und danach handeln läßt.

Gut, wenn man jemanden kennt, der die Wahrheit kennt.

Gruß,
Spiff