Also ich suche eigentlich kein spezielles Land. Du kannst also
Beispiele von allen Ländern und Kulturen bringen… Wenn du
allerdings konkrete Beispiele von einem oder mehreren Ländern
deiner Wahl hast, dann ist das um so besser ;o)
Ich habe beruflich einige Erfahrung mit interkultureller Verständigung, aber es fällt mir schwer, das an konkreten Beispielen zu vernschaulichen, die auf dein Interesse zugeschnitten sind.
Zunächst mal etwas Ergänzendes zu dem Link: Ich habe aus dem behandelten Kulturraum vor allem Bezug zur Türkei. Der Text dreht sich im weitesten Sinn auch um das Lügen.
Westlich geprägte Menschen verwenden im Wesentlichen fünf Arten von Lügen: Defensive Lügen (um einen Nachteil abzuwenden, meist eine falsche Antwort), offensive Lügen (um einen Vorteil zu erlangen. Die Lüge wird selbst konstruiert), sog. „weiße“ Lügen (um einen Menschen nicht zu verletzen), Verlegenheitslügen (um eine Alternativerklärung für einen peinlichen Vorgang zu leifern) und Scherze. Die Lüge zur Wahrung der persönlichen Ehre bei Menschen aus dem arabischen Raum entspricht in ihrer kommunikativer Symptomatik am ehesten der defensiven Lüge. Jedoch unterscheidet sich die Symptomatik in beiden Fällen von der bei Europäern.
Man kann sagen, dass aufgrund des spezifischen Kommunikationsverhaltens Lügen z.B. eines Türken oder Arabers für einen Mitteleuropäer sehr leicht zu erkennen sind (umgekehrt geht das nicht so leicht). Seine Körpersprache ist nämlich nicht primär auf das Verbergen der Lüge gerichtet sondern darauf, den Gegenüber für den Fall der Aufdeckung positiv zu stimmen. Dazu gehört z.B. das scheinbar unbegründete Lächeln. Falsch wäre nun die Meinung des Europäers, das unumstößliche Recht zu haben, eine entdeckte Lüge ansprechen zu dürfen. Dass sich für einen Europäer aus einer Lüge die temporäre moralische Überlegenheit des Belogenen gegenüber dem Lügner ergibt, ist dem traditionell geprägten Moslem nicht einsichtig. Man muss in dem Fall einen Weg finden, seine Interessen zu wahren, ohne den anderen bloß zu stellen.
Es gibt auch Unterschiede in der Körperhaltung bei Gesprächen. Im Westen gilt die rechte Körperhälfte als „Kommunikationsseite“. Das ergibt sich daraus, dass wir uns bei einer Begegnung die rechte Hand reichen und uns dann leicht schräg zueinander drehen, sodass sich die rechten Seiten näher sind. Das gilt im Stehen ebenso wie bei Tischgesprächen, die Stühle in Beratungsbüros sind meist so gedreht.
Araber und Asiaten hingegen kommunizieren frontal, was bei uns im allgemeinen als unangenehm empfunden wird. Im Stehen beträgt der Gesprächsabstand in Europa mindestens die Länge eines angewinkelten Armes, in den USA die eines ausgestreckten. Bei Tisch sind die Mindestabstände im geschäftlichen Bereich jeweils doppelt so lang. In Japan und modernen Teilen Chinas gelten heute überwiegend die westlichen Standards, anderswo auf der Welt rücken einem die Menschen aber oft deutlich dichter auf den Leib. Wenn man dann erkennbar zurückweicht, kann das sehr unhöflich wirken.
Generell gilt, dass in Ländern, in denen sich das Leben tagsüber verstärkt im öffentlichen Raum, z.B. Kaffee-/Teehäusern und Märkten, abspielt, deutlich strenger zwischen Öffentlichem und Privatem unterschieden wird. In diesen Ländern sollte man zärtliche Gesten (selbst zu Ehepartnern) oder Körperpflege (Zahnstocher, Naseputzen) absolut vermeiden (für letzteres immer Toiletten aufsuchen).
Um sich in der Thematik zurechtzufinden sollte man sich vor allem darin üben, zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die grundlegend anders ticken als man selbst. Ein Afghane hält das Trägershirt einer westlichen Frau für eine Sünde, nicht weil er „prüde“ ist sondern weil seine Einordnung eben um eine gewisse Differenz gegen unsere verschoben ist. Es wäre dumm, solche Differenzen mit einer Wertung zu versehen.