Internetanschluß mit Nachbarn teilen? Erfahrungen?

Das hat dem Gericht aber offensichtlich nicht gereicht. Nicht mal die Unmöglichkeit der Begehung der Tat (kein PC, keine Kenntnisse) haben da geholfen.

Genau das wäre die Störerhaftung, die es doch angeblich nicht mehr gibt.

Ein nicht zu identifizierender Einbrecher macht sich nicht strafbar? Ist es nicht eher so, dass dann auch nur dein Punkt1 zutrifft und dieser hier ja dem Richter nicht gereicht hat?

Nee.

Freifunk macht ein VPN zu nem Server auf, und leitet sämtlichen Freifunk-Netzwerkverkehr darüber. Falls wer was illegales treibt, dann kommt das nicht von deiner IP-Adresse, sondern von der des Servers. Der teure Brief geht dann an die Betreiber des Servers, und nicht an dich. Das Ganze ist dann einfach nicht dein Problem.

Aber letztenendes zeigt das hier, was ich weiter oben meinte: Mag sein, dass es die Störerhaftung nicht mehr gibt. Aber den Ärger hat der Anschlussinhaber erstmal, und der muss dann erstmal schauen, wie er aus der Nummer raus kommt. So manches Gericht ist in diesen neuen Technologien auch etwas… unbeholfen (Ich schaue auf dich, Hamburg!), und dann wird das ein Spaß.

Richtig. Und damit ist die Argumentation des oben genannten Richters eben völlig daneben.

Du verdrehst da etwas. Der Rechteinhaber ist der Kläger, der behauptet, dass der Anschlussinhaber geschützte Inhalte veröffentlicht hat.
Im Fall 2 muss also nun „Hollywood Film AG“ beweisen, ob Lieschen Müller, Omma Erna oder Onkel Franz den Film hochgeladen hat. Das schaffen die nicht.

Im Fall 2 könnte man es eine Art der Störerhaftung nennen - die es aber nicht ist.

Vergleichen wir es mal mit einem greifbaren Beispiel.

Jemand sieht, dass aus einem Fenster eines Hauses eine glimmende Zigarette geworfen wurde und diese den Knallerbsenstrauch des Nachbarn entzündete. Nach altem Recht (Störerhaftung) gilt der Hausbesitzer als verantwortlich - aus seinem Haus kam die Kippe.

Nach aktuellem Recht gibt es diese Argumentation nicht mehr. Dennoch wird zuerst der Hausbesitzer verdächtigt und dieser hat nun darzulegen, wer der tatsächliche Übeltäter war oder hätte sein können.

Das LG Bochum hat das ziemlich verständlich erklärt:
(https://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20170159)
LG Bochum, Urteil vom 07.09.2017, I-8 S 17/17

„Grundsätzlich trifft die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die behauptete Urheberrechtsverletzung.“

Übliche Beweislast in Rechtsstaaten: Wer was will, muss den Anspruch beweisen.

„Bei Urheberrechtsverletzungen durch Teilnahme an einer Internettauschbörse trifft den Anschlussinhaber nach der Rechtsprechung des BGH aber eine sekundäre Darlegungslast, da die primär darlegungsbelastete Partei regelmäßig keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Anschlussinhaber nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind.“

Eine Pflicht zur Mithilfe, den Verursacher zu finden.

„Denn sie hat vorgetragen, dass der Internetanschluss in dem relevanten Zeitraum, in dem die Urheberrechtsverletzungen begangen wurden, regelmäßig in der Zeit nach 23 Uhr von ihrem damals 44 Jahre alten Sohn genutzt worden sei. Dabei hat sie darüber hinaus behauptet, dass ihr Sohn auch Internettauschbörsen und ihren Internetanschluss zum Herunterladen von größeren Datenmengen genutzt habe, da dessen Internetanschluss eine zu geringe Bandbreite aufgewiesen habe.“

Heftig. Da sagt die Frau also „Ja klar nutzt mein Sohn Tauschbörsen und lässt seinen PC auch nachts an.“

„Da die Beklagte einen ernsthaft in Betracht kommenden Täter benannt hat, obliegt es nunmehr der Klägerin, den vollen Beweis für die Täterschaft der Beklagten zu führen.“

Da überlässt also eine Person ihren Anschluss jemandem, von dem sie weiß, dass er an Tauschbörsen teilnimmt - und kommt dennoch aus der Sache unbeschadet heraus.

Ein nicht zu identifizierender Einbrecher bleibt straffrei.

Das macht einen sprachlos - wenn es denn so gewesen wäre. Man lese:
„Vielmehr hat die Beklagte ausdrücklich angegeben, dass weitere internetfähige Geräte in ihrem Haushalt vorhanden gewesen seien, insbesondere bei ihrem Ehemann und auch bei ihrem Sohn. Die Beklagte erläutert auch nicht, weshalb sie diese Geräte ihrer Familienangehörigen nicht hätte bedienen können, etwa weil sie keinen Zugriff darauf gehabt hätte.“

Sie selber hat keinen PC und kann deshalb nicht. Sie kann auch nicht sagen, wer’s war. Interessiert das Gericht aber nicht:

„Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.“

Ja, das macht einen sprachlos.

Die Abschaffung der Störerhaftung ist mit einem Verweis auf das Bundesgesetzblatt leicht zu beweisen.

Bundesgesetzblatt 2017 Teil I Nr. 67, ausgegeben zu Bonn am 12. Oktober 2017

Dass die Argumentation des Landgerichts nur die sekundäre Darlegungslast betrifft und nicht die Störerhaftung, ergibt sich unschwer aus den ja bereits verlinkten Entscheidungsgründen. Das Wort „Störer“ kommt darin nicht vor. Dass es sich bei der Störerhaftung und der Frage nach der sekundären Beweislast um zwei unterschiedliche Dinge handelt, ergibt sich in bemerkenswerter Klarheit aus diesem Urteil des Bundesgerichtshofs:

BGH, Urteil vom 12.05.2010, Az. I ZR 121/08

Nicht nur hat der BGH ausdrücklich festgestellt, dass der beklagte Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist (Rn. 12) und trotzdem als Störer in Anspruch genommen werden kann (Rn. 25). Es gibt auch zwei amtliche Leitsätze:

a) Den Inhaber eines Internetanschlusses, von dem aus ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Zustimmung des Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht worden ist, trifft eine sekundäre Darlegungslast, wenn er geltend macht, nicht er, sondern ein Dritter habe die Rechtsverletzung begangen.

b) Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, haftet als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen.

Nicht irritieren lassen vom Punkt nach b) - 2010 war das Urteil und 2017 kam erst die Novelle zur Störerhaftung.

…würde ich immer vorsichtig sein - auch auf wen der Anschluss angemeldet ist. Angenommen es kommt eine Strafanzeige oder eine Abmahnung?

Also die paar euros ausgeben spart Ärger…

Na überleg mal.
"Am 23.08.23 um 21:15 Uhr wurden also unter meiner IP-Adresse illegale Inhalte verbreitet?

  1. Ich benutze den Anschluss ganz alleine. Aber ich war das nicht, glaubt mir bitte.
  2. Ich stelle den Anschluss meiner Familie und meinen Gästen zur Verfügung. Zu diesem Zeitpunkt waren online: mein Bruder Jörg, meine Freundin Birgit, meine Gäste Frank, Joachim, Heidi, Wolfgang und Mareike. Alle Anschriften sind im Anhang. Ich kann nur sagen, dass ich so einen Quatsch nicht gemacht habe!"

Bei welcher der beiden Varianten gibt’s wohl mehr Probleme für den Anschlussinhaber?

Oder einfach, wie mehrfach beschrieben, Freifunk nutzen. Dann ist man als Anschlussinhaber komplett heraus.