Interpretation von Bernhard's 'Der deutsche...'

Guten Abend zusammen. Ich hofe ich bin hier in dem Forum richtig. Habe zwischen Literatur und Esoterik geschwankt.

Meine Frage kurz und knapp: Wie habe ich das Dramolett „Der deutsche Mittagstisch“ von Thomas Bernhard zu verstehen.
Eine Paraphrasierung würde mir bereits vollkommen genügen. Kann damit nicht so recht was anfangen.

In voller Länge:

„Es ist immer das gleiche, kaum sitzen wir bei Tisch an der Eiche, findet einer einen Nazi in der Suppe. Und statt der guten alten Nudelsuppe bekommen wir jeden Tag die Nazisuppe auf den Tisch. Lauter Nazis statt Nudeln.“

Vielen Dank im vorraus für eure Interpretationen.

Nebenfrage
Hi,

Habe zwischen Literatur und Esoterik geschwankt.

Kannst Du mir mal erklären, wie man bei Thomas Bernhard auf Esoterik tippen kann?

Vielleicht noch unausgeschlafen

Anja

Hallo Christian,

ich würde wahrscheinlich einen zeithistorischen Ansatz wählen und es als Kommentar zum damals in Deutschland tobenden „Historikerstreit“ sehen.

Ganz offensichtlich bezieht sich Bernhard ja explizit auf Deutschland, der „deutsche Mittagstisch“, die Eiche als Symbol für Deutschland ect. Der deutsche Alltag (Mittagessen; es gibt das biederste Gericht der Welt: Nudelsuppe) wird bestimmt vom Streit um die historische Einordnung des Holocaust. Und statt dem „Haar in der Suppe“ findet man dann eben entsprechend „den Nazi in der Suppe“.

Und so bieder und deutsch Nudelsuppe auch ist, so ist die Nudel selbst doch undeutsch, italienisch, europäisch. Wenn wir also täglich Nazis statt Nudeln bekommen und somit weiterhin unser eigenes „Süppchen kochen“ können wir nicht über den deutschen Tellerrand hinweg sehen - z.B. europäisch denken.

Auch wenn es mir jetzt selbst schon zu bunt wird muss noch eine letzte Pointe einfließen: zwischen dem Nazi-Deutschland und dem Nudel-Italien liegt: Thomas Bernhards Heimat Österreich!

Gruß

Smalls

Hi, smalls,

„Der Deutsche Mittagstisch“ wurde 1978 geschrieben (nicht zu verwechseln mit der Veröffentlichung der „Dramolette“ mit dem selben Titel, in denen naturgemäß auch der D.M enthalten ist - die erschienen 1988)
Der Historikerstreit begann mit dem Artikel in der „Zeit“ von Habermas 1986.
Also kann sich Bernhard nicht auf den Historikerstreit bezogen haben. Aber auf Filbinger, Kiesinger und Carstens.

Abgesehen davon finde ich deine Interpretation stimmig! In Österreich
bezog man allerdings auch den Deutschen Mittagstisch weniger auf Deutschland, als auf die, bis in die Gegenwart reichenden, „Zustände“ in Österreich.

mfg. a_f

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Hallo Autumn_flower!

Ich bin vom Veröffentlichungsdatum des Bandes ausgegangen, wusste nicht, dass es schon 10 Jahre älter ist. Danke für die Richtigstellung und die daraus folgende Verbesserung bzw. Neukontextualisierung!

Gruß

Smalls

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Vielen Dank für die Antworten
Zwei vernünftige Antworten, einer muss ja wieder stänkern. Wie hätte es auch anders sein können.

An die anderen beiden: Ich danke euch sehr für die sehr schöne Darstellung. Es ist alles sehr schön aufgeführt und meiner Meinung nach die richtige Interpretation.

Vielen Dank dafür!

einer muss ja wieder stänkern. Wie
hätte es auch anders sein können.

Da Du vermutlich mich meinst … Wieso stänkern? Ich bin echt verblüfft, wie Du bei Deiner Fragestellung an Esoterik denken kannst und wäre Dir nach wie vor für eine Antwort dankbar.

Gruß,

Anja