Hallo Lolol Terk No. 2
Ich denke, man macht es sich bei Kafkas Texten in vielen Fällen zu leicht, eine biographische Deutung heranzuziehen. Zwar ist es verlockend, in der Figur des Torhüters mit dem tartarischen Bart Kafkas Vater zu erkennen.
Allerdings müsste diese Interpretation erstens konsistent mit dem Rest des Textes sein und zweitens Teile des Textes erschließen, die zuvor unzugänglich waren. Die Vater-Sohn-Deutung erklärt uns aber nicht, warum es mehrere Torhüter gibt, was der Eintritt ins Gesetz verspricht, und warum der Eingang nur für den Mann vom Lande bestimmt war.
Wenn man möchte, kann man natürlich passende Argumente liefern, indem man z. B. mit „Eintritt ins Gesetz“ die Anerkennung des Vaters identifiziert. Aber durch solche Umbauten verliert man mehr vom Text als man gewinnt. Und deswegen finde ich diese Interpretation zwar möglich (und ich bin überzeugt, dass mindestens einer der unzähligen Kafkasatzleser diesen Weg gewählt hat), aber nicht besonders reizvoll.
Überhaupt plädiere ich dafür, bei der Kafka-Lektüre nicht den Franz Kafka vor Augen zu haben, der einem in Kurzbiographien vorgestellt wird. Nimmt man eine Erzählung von Kafka in die Hand mit der Erwartung, ihr Autor hatte Humor, so muss man feststellen: Kafka hatte Humor. Und viel mehr. Und viel, viel mehr als nur ein schwieriges Vater-Sohn-Verhältnis.
Gute Nacht
pedter