Hallo,
im Grundschulalter wurde mir der Appendix vermiformis operativ entfernt. Das war etwa im Jahr 1976. Die Narkose war eine Gasnarkose, nach Angabe meines Vaters (muss nicht stimmen) wurde Lachgas verwendet. Ich lag wach auf einem Tisch und mir wurde eine Maske über Mund und Nase gesetzt. Ich glaube, ich sollte laut zählen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass keine Luft mehr in der Maske war. Ich fühlte mich, als würde man mich ersticken. Mit aller Kraft habe ich versucht, mir die Maske vom Gesicht zu reißen und zu sagen, dass keine Luft mehr darin ist. Da beugten sich mehrere Menschen mit Mundschutz von oben über mich und drückten die Maske gegen meinen Widerstand fest nach unten. Und danach hatte ich das ebenfalls schreckliche Gefühl, es würde ein riesiger Stein oder Kloß in meinen Mund und meine Luftröhre gedrückt und würde ich dadurch endgültig ersticken. Dann war ich, zum Glück, „weg“ - zumindest habe ich keine Erinnerung an Weiteres, erst wieder an das Aufwachen, mit am Bett festgebundenen Armen und Beinen.
Nach der OP hatte ich noch monate- oder jahrelang ein Kloßgefühl im Hals, verbunden mit der Erinnerung an diesen „Stein“.
Meine Frage ist nun: Kann es sein, dass der „Stein“ ein Teil des Intubationsschlauchs war und dass ich also das Intubieren bewusst miterlebt habe? Ist es möglich, dass damals ein Intubationsschlauch DURCH DIE GESICHTSMASKE eingeführt wurde? Denn nach meiner Erinnerung hatte ich die Maske auf dem Gesicht, während der „Stein“ dann in meinen Hals gedrückt wurde.
(Mich beschäftigt die Sache derzeit, weil ich neulich bei einer Gesangsübung, bei der ich auf dem Rücken lag und jemand über mir stand, ein störendes Gefühl des Ausgeliefertseins und dann eine Art Flashback mit eben der Erinnerung an diesen Beginn der Narkose hatte. Als Kind hatte ich nach dem Krankenhausaufenthalt auch eine Art Tagebuchbericht über dieses Narkoseerlebnis verfasst und dort eben das mit der Maske, dem Ersticken und dem „Stein“ beschrieben.)
Ich freue mich über hilfreiche Antworten.
Hallo,
du beschreibst genau das, was früher mit Kindern bei Operationen gemacht wurde.
Es gibt Untersuchungen, die nachgewiesen haben, dass Kinder, die auf diese Weise narkotisiert wurden („mit Gewalt“), schlechtere Wundheilung haben als Kindern, die schonend auf die Narkose und Operation vorbereitet wurden, und denen die eigentliche Narkose erst verabreicht wurde, wenn sie schon nicht mehr bei Bewusstsein sind. Gerade die Maske verursacht bei Kindern oft Angst, das Gefühl zu ersticken, und sie erleben das medizinische Fachpersonal als Gefahr.
Absurderweise ist ein Kind, dass sich gegen die Narkose mit Gasmaske wehrt, für das Personal „besser“ - da es in seiner Aufregung versucht zu schreien, atmet es tiefer, daher wirkt das Gas schneller. Für das Narkose- und Operationsteam ein durchaus positiver Effekt. Da Narkoseärzte so gut wie nie ihre Patienten nach Tagen, Wochen oder gar Monaten wieder sehen, wussten sie oft gar nicht, dass ihre rabiaten Methoden gerade bei Kinderpatienten (negative) Langzeitwirkungen hatten.
Heute wird das in modernen Krankenhäusern anders gehandhabt.
Grüße
Siboniwe
Hallo!
Ich denke, dass Deine Erinnerungen etwas verzerrt sind, kann aber nur aus eigener Erfahrung schreiben. Ich hatte im Jahr 1969 eine Vollnarkose, bekam erst eine sogenannte Beruhigungsspritze, auf die mir sauschlecht wurde, danach bekam ich Narkosemittel (Evipan) gespritzt. Während der Behandlung wurde ich halb munter, offenbar wurde da nachgespritzt, denn ich war gleich wieder weg.
In späterer Zeit erfuhr ich, dass Lachgas bestenfalls zur Verlängerung der Narkose eingesetzt wird, nicht einmal Zahnärzte verwenden das noch, die arbeiten mit lokalen Narkotika.
Falls Dir heute noch vom Geruch von Äther schlecht wird, dann war es eine völlig überalterte Äthernarkose, wofür auch spricht, dass Du zum Zählen aufgefordert wurdest. Kurz vor dem Erreichen der Narkose hat man da das Gefühl zu ersticken. Die Intubation, die Dich so sehr belastet, könnte am Ende des Eingriffs stattgefunden haben, um die Sauerstoffsättigung wieder herzustellen.
Allerdings verstehe ich Deine Probleme nicht, das Ganze ist ewig her, vielleicht solltest Du einen Psychiater aufsuchen.
MfG
airblue21
Hallo, eine kleine Anmerkung zum letzten Satz: was ewig her ist, muss nicht zwangsläufig auch ausgestanden sein. Wenn jetzt diese Erinnerung gepaart mit einem unguten Gefühl in einer bestimmten Situation auftaucht, dann ist sie jetzt Thema. Und gleich Psychiater muss nicht sein . Unter Umständen helfen schon die Informationen und das Selbst-Reflektieren. Ira
Alles Gute, „Dr. Doolittle“
Hallo,
danke erst mal für die beiden Antworten. Ich wusste schon, dass OP-Erfahrungen traumatisch sein können und dass sowas vielen passiert ist. Von echten Problemen würde ich auch im Moment nicht sprechen - owbohl man nie genau wissen kann, was vielleicht noch im Verborgenen brodelt. Mich interessiert momentan einfach, ob es tatsächlich sein kann, dass ich das Intubieren mitbekommen habe, UND ob ein Intubieren mit aufgesetzer Narkosemaske möglich ist und damals evtl. praktiziert wurde. Weil ich immer dachte, das Gefühl, ein „Stein“ werde in meinen Hals gedrückt, sei nur eine kindliche Interpretation der Erfahrung des Gaseinatmens gewesen (was ja unangenehm genug ist). Und nun überlege ich eben, ob in diesem Moment tatsächlich ein Festkörper in meinen Hals gedrückt worden sein könnte. Ich möchte es einfach wissen, ein großes Drama ist das derzeit für mich nicht.
Viele Grüße,
Doolittle
Das hört sich nicht schön an. Das kann durchaus sein, dass Du eine Narkose mit Lachgas bekommen hast und intubiert wird immer! Das geschieht erst dann, wenn das Narkotikum schon wirkt. Aber es kann durchaus sein, dass der Anästhesist die Intubation durchgeführt hast, als Du noch „nicht ganz weg warst“ oder er sehr grob war. Nicht jeder Anästhist kann das gut, manche machen es schön vorsichtig, manche lernen es nie richtig. Wenn Dich das heute - nach all den Jahren - noch immer so belastet, würde ich an Deiner Stelle mit einem Psychiater über dieses traumatische Erlebnis sprechen. lg Lilo
Danke auch für diese sehr wohlmeinende Antwort, aber nochmal ganz klar meine Frage, die mir bislang keiner beantwortet hat: Gibt oder gab es die Möglichkeit, eine Intubation bei einem Patienten (Kind) durchzuführen, ohne ihm dafür die Narkosegas-Maske abzunehmen? (Also Intubation irgendwie durch die Maske hindurch, die vielleicht mit einer besonderen Einrichtung dafür versehen ist?) Weiß das irgendwer hier im Forum??? Sind hier Anästhesist_innen, die sich so weit in der Geschichte ihres Fachs bzw. der ca. 1976 in Deutschland üblichen Praxis auskennen?
(Übrigens würde ich einem Trauma-Klienten viel eher einen Psychologen als einen Psychiater empfehlen; aber darum geht es mir jetzt gar nicht.)
Liebe Grüße,
Doolittle
Ganz klar Nein.
Der Intubationsschlauch muß unter Sicht eingeführt werden, sonst landet man bei einer „blinden“ Intubation praktisch immer in der Speiseröhre anstatt in der Luftröhre. Es gibt heute zwar Hilfsmittel und neue Intubatiosmöglichkeiten, z.b. die sogenannte Larynxmaske, mit denen es prinzipiell ev. möglich wäre, aber die wurden meines Wissens nach erst nach 1976 erfunden bzw. eingeführt.
Wahrscheinlicher für deine Erinnerung erscheinen mir zwei Erklärungsansätze:
- deine Atmung wurde über die Maske vom Narkosearzt unterstützt oder ganz übernommen. Wenn der Beatmungsbeutel dazu leicht vom Arzt gedrückt wird, entsteht erst ein leichter Überdruck, wodurch die Luft über die Maske in deine Lungen überhaupt erst gedrückt/geblasen wird. Meistens werden dabei auch die Wangen des Patienten aufgebläht, weil sich die „gepumpte“ Luft ja erst ihren Weg in die Lungen quasi suchen muss.
Hier den richtigen individuellen Druck beim Beatmen zu finden, erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl vom Arzt. Wenn du noch nicht richtig „weg“ warst, könntest du genau diesen Druck gespürt haben. Eventuell hast du in dem Fall sogar noch gegengeatmet, was den Druck erhöht.
Möglichkeit 2:
Dir wurde ein sogenannter Güdeltubus in den Mund eingeführt. Dazu müßte allerdings zumindest für 1-2 Sekunden die Maske abgenommen worden sein. Der Güdeltubus ist schon recht klotzig und groß und könnte auch eine Erklärung für dein Gefühl sein.
Die eigentliche Intubation dürftest du eigentlich nicht mitbekommen haben. Es ist nämlich sehr sehr schwierig, einen Patienten zu intubieren, dessen Reflexe noch vorhanden sowie die Muskeln nicht entspannt sind.
Ich kann verstehen, dass du das gerne wissen würdest- wirkliche Gewissheit hättest Du nur dann, wenn Du die OP-unterlagen ansehen könntest und das ist ja heutzutage nicht merh möglich.
Letztlich ist es aber doch auch egal- was macht das konkrete Wissen denn mit Dir?
Selbst wenn das nicht so war, wie Du denkst- bleibt doch in Dir das Kloßgefühl im Hals!
Eher wirst Du Dich dann „für blöd halten“, wenn das dann mit dem Wissen nicht weg geht…oder auf die Suche nach anderen Auslösern machen, die es womöglich gar nicht gibt.
Ja- es gibt unzählige Erwachsene, die mit traumatischen Krankenhauserfahrungen durch die Welt laufen. Getriggert kann das problemlos werden- es muss nur eine ähnliche Erfahrung aufkommen…schon ist was re-aktiviert!
Ich würde Dir ebenso empfehlen, das Ganze auf psychologischer Ebene anzusehen- um das auch ein STück zu verarbeiten.
Allerdings gehts ja immer darum, wie belastend man das empfindet.
lg kitty