Himmelskönigin Aset vs. Himmelskönigin Maria
Hi.
Zunächst zum Namen der Isis. Es handelt sich dabei um die gräzisierte Version des original ägyptischen Namens ´Aset´ (= ´Thronsitz´). Es erscheint mir bis auf weiteres sinnvoll, diesen Namen zu übernehmen, da das Wort ´Isis´ aufgrund aktueller politischer Ereignisse einen grausigen Beigeschmack bekommen hat.
Die Göttin Aset repräsentiert wie einige andere bekannte Göttinnen des Altertums in nuce die prähistorische Idee einer kosmischen Urmutter, der alles Lebendige seine Existenz verdankt. Ein überlieferter Text einer verschollenen Inschrift in der altägyptischen Stadt Sais gibt dementsprechend folgende Aset-Aretalogie (Selbstaussage) wieder:
Ich bin alles, was war, was ist und was sein wird - kein Sterblicher hat je erfahren, was unter meinem Schleier sich verbirgt.
Diese Vorstellung bestand parallel zu dem viel jüngeren mythologischen Konzept der Abkunft der Aset aus der Urmutter Nut und ihrer Beziehung zum Gott Osiris, dem Bruder-Gatten der Aset und Vater des gemeinsamen Sohnes Horus.
Erst im Zuge der Patriarchalisierung der Gesellschaft (ca. ab 5000 vuZ) waren der ´Urgöttin´ göttliche Gefährten an die Seite gestellt worden, die zugleich als ihr Sohn und ihr Sexualpartner galten. In Ägypten führte das später zu dem paradoxen Konzept der Selbstzeugung des Sonnengottes Re (unter diesem Aspekt ´Kamutef = Stier seiner Mutter´ genannt), indem er die Göttin Hathor befruchtet, um sich selbst aus ihr gebären zu lassen.
Erst Belege für eine Aset-Verehrung datieren in die Zeit Pepis I., also ins 23. Jh. vuZ. Die Göttin entsprang einer anderen ägyptisch-regionalen Tradition als Hathor, wurde aber aufgrund zentraler Gemeinsamkeiten (beide Göttinnen = Mutter- und Totengöttin) teilweise mit ihr verschmolzen, so dass sie oft nur durch die unterschiedlichen Kultorte unterscheidbar waren. Beide Göttinnen galten als Mutter des Horus (des im Pharao inkarnierten Falkengottes), wobei Hathor die bedeutendere theologo-politische Rolle zukam, denn sie galt offiziell als ´Mutter des Pharao´, während Aset nur indirekt, nämlich als Mutter des Horus (= im Pharao inkarniert), mit dem Pharao in Beziehung stand. In der rituellen ´Heilige Hochzeit´des Pharao mit der Göttin Hathor während des jährlichen Sed-Festes zeugte der Pharao symbolisch sich selbst, indem er seine göttliche Mutter (verkörpert durch die Königin) begattet, um sich von ihr (symbolisch) als König gebären zu lassen.
Beim Volk beliebt waren beide Göttinnen in höchstem Maße, Hathor vornehmlich als Liebesgöttin, Aset als Schutzgöttin.
Es folgen einige Argumente für die Isomorphie von Maria und Aset.
Der Marienkult erfuhr seine erste intensive Ausprägung in der koptischen Gemeinde in Ägypten, also im unmittelbaren Wirkungsbereich des ägyptischen Isiskultes. Der Kirchenvater und Marienverehrer Kyrill, der als Patriarch von Alexandria äußerst brutal gegen den Aset-Kult vorgegangen ist (bei dem er sich aber bediente, indem er einige Charakteristika der Aset auf Maria übertrug, z.B. im Zuge des Konzils von Ephesus den Titel ´Gottesgebärerin´), ist der koptischen Kirche zuzurechnen. Das früheste überlieferte Gebet an die ´Gottesgebärerin´(theotokos), entstanden um 300, ist koptisch und lautet:
Unter den Schutz deiner vielfachen Barmherzigkeit, fliehen wir, Gottesgebärerin. Verachte nicht unsere Bitten, wenn wir in Not sind, sondern errette uns aus allen Gefahren, du allein Gebenedeite.
Hier wird Maria als schützende Macht angerufen. Ähnlich verfuhren zahllose Aset-AnhängerInnen schon seit Jahrtausenden, wenn sie Aset um Schutz für sich oder ihre Kinder anflehten.
Die ersten Darstellungen der milchspendenden Maria mit Kind (den Aset-Horus-Darstellungen nachempfunden) waren koptischen Ursprungs. Vermutlich ist auch das ´Ave Maria´ in Ägypten entstanden.
Der Aset-Tempel von Philae wurde im 6. Jh. der Maria geweiht. In Italien wurden Tempel der Aset, der Juno, der Minerva und der Diana ebenfalls in Maria-Kirchen umfunktioniert. Eine von ihnen heißt sogar „Santa Maria sopra Minerva“ = über (dem Tempel) der Minerva. Der zypriotische Aphrodite-Tempel wurde gleichfalls in eine Marienkirche umgewandelt, in dem Maria bis heute (!) aber mit dem Namen Aphrodites, „Panhagia Aphroditessa“, verehrt wird. Die Feier der Geburt des Jesus fällt auf das Geburtsfest des Horus, des Sohnes der Aset (Wintersonnenwende). Statuen der Asetund des Horus wurden zu Maria-und-Jesus-Figuren umgedeutet. Die Aset-Epitheta „Himmelskönigin“, „Liebreiche Mutter“, „Schmerzensmutter“, „Mutter Gottes“ und „Gottesgebärerin“ gingen auf Maria über, die beiden letztgenannten auf Kyrills Initiatve hin durch Beschluss des Konzils von Ephesus im Jahr 431.
Auch der Aspekt der Königsmutterschaft ist eine unübersehbare Gemeinsamkeit von Aset und Maria.
´Aset´ ist, wie gesagt, mit ´Thronsitz´ zu übersetzen. In frühen Darstellungen trägt die Göttin einen Thron über ihrem Haupt. Als Mutter des Horus, mit dem sich jeder Pharao identifizierte, war sie automatisch auch die mythologische Mutter des Königs. Vor diesem Hintergrund war das Sitzen des Pharao auf dem Thron als Sitzen auf dem Schoß seiner göttlichen Mutter zu verstehen.
Was Jesus betrifft, gilt er im christlichen Denken als ´König der Welt´. Das zeigt nicht nur sein Titel ´Christus´ = ´der Gesalbte´, was, vermittelt über das jüdische Messias-Konzept, mit dem Salbungsritual der israelitischen Könige zusammenhängt, sondern ergibt sich auch aus diversen Titulierungen an einigen Stellen des NT. Nur ein Beispiel:
(Lukas 19,38)
… und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König , in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!
Die Transformation des Aset-Kultes in den Marienkult ist anhand der Ikonographie der beiden Figuren ebenfalls deutlich erkennbar.
Die Isomorphie von Aset und Maria ergibt sich hier aus ihrer mütterlichen Funktion gegenüber den göttlichen Söhnen, denen sie in vielen Darstellungen die Brust reichen. Die ´religiöse´ Funktion der Brüste ist bei beiden Gestalten zwar nicht identisch, weist aber im Kontext der mittelalterlichen Mariologie eine unübersehbare Analogie auf:
Was Aset betrifft, überträgt der Prozess des Säugens das göttlichen Wesen der Mutter auf das Kind, was der antiken Vorstellung entspricht, dass die Mutter ihr Wesen dem Kind durch die Muttermilch vermittelt (ähnlich wie im altägyptischen Denken der Vater durch den Zeugungsakt sein Wesen auf den Sohn überträgt). Die Pharaonen - die sich mit Horus identifizierten - stellte man sich in ihrer Kindheit als von Göttinnen genährt vor. Amenophis III. z.B. wird in einer Darstellung als von vier Göttinnen gesäugt dargestellt, während seine leibliche Mutter zuschaut. Im Totentempel der Pharaonin Hatschepsut spricht die Göttin Hathor, religionsgeschichtlich die Vorgängerin von Isis:
Ich bin deine Mutter (…) Ich habe dich gestillt, damit du die Rechte des Horus hast…
Analoges gilt - wenngleich mit einem Aufschub von mehreren Jahrhunderten und mit Verschiebung vom Jesuskind auf katholische Mystiker - für Maria. Im Beschluss des Konzils von Ephesus 431 wird ausdrücklich hervorgehoben, dass Maria zwar eine „Gottesgebärerin“ sei, dass die Göttlichkeit ihres Sohnes aber nicht auf die Geburt aus ihrem Leib zurückgehe, sondern auf die Vaterschaft Gottes. Die Milch der Mutter diene einzig dazu, den menschlichen Leib des Jesus zu nähren. Damit wollte man sich von dem ägyptischen Konzept abgrenzen, welches die Göttlichkeit des Horus auf die Göttlichkeit der Mutter Asetzurückführt.
Im Mittelalter, das den Marienkult auf seinen Höhepunkt führte, wurde durch die nunmehr himmlische Funktion der Marienbrust die Isomorphie zu Aset vervollständigt. Der Mystiker Bernhard de Clairvaux z.B. fühlte sich in Visionen durch das Saugen an den Brüsten Marias ins Göttliche erhoben (das sog. ´Milchwunder´). Die erotische Konnotation ist in dieser wie auch anderen Visionen der christlichen Mystiker des Mittelalters (auch Teresa de Avila) überdeutlich. Bei Mechthild von Magdeburg (1212-1294) heißt es sehr salopp:
Eia, darnach werden wir in unsäglicher
Lust schauen und erkennen die Milch und die Brüste,
die Jesus so oft geküsst hat.
In manchen Darstellungen wird Bernhard gezeigt, wie ihn ein Milchstrahl der Maria am Mund oder an der Stirn trifft (siehe Link),
http://breastfedblog.blogspot.de/2011/12/mary-lactan…
ihn also ´spirituell´ nährt. Das Potential der Marienmilch, den Empfänger mit dem Göttlichen zu verbinden, ähnelt sehr dem Potential der Aset-Milch, den Sohn mit göttlicher Kraft auszustatten. Eine andere Darstellung zeigt Maria, wie sie mit einem veritablen Strahlenkranz aus Milch die Verdammten im Fegefeuer nährt (siehe Link unten), vielleicht, um sie zu erlösen .
Dementsprechend wurde Maria von den Franziskanern und Dominikanern als ´co-redemptrix´ (= Mit-Erlöserin) tituliert.
http://www.slump.de/bilder/image047.jpg
Übrigens bekunden einige antike Autoren, darunter auch der oder die Autoren des 1. Petrusbriefs, unabhängig von der Marienfigur die Idee der Vermittlung des Göttlichen durch Muttermilch, wie in folgender Passage, wobei das Konzept der göttlichen Aset-Milch vermutlich Pate gestanden hat:
(1 Petr 2,1-3)
Ablegend also alle Schlechtigkeit und allen Trug und Heucheleien und Neidereien und alle Verleumdungen, verlangt wie eben geborene Säuglinge die geistige, unverfälschte Milch, damit ihr durch sie wachst zum Heil (…)