ISO 9001-Zertifizierung und fehlende Rückverfolgbarkeit

Hallo!

Ein Unternehmen produziert in Deutschland mit aus China importierten Vorprodukten und Baugruppen, um im Wettbewerb mit ähnlich agierenden Konkurrenten bestehen zu können. Die Herkunft vieler aus Fernost importierten Sachen lässt sich nicht rückverfolgen.

Nun möchte das Unternehmen zusätzlich Marktsegmente mit höheren Qualitätsanforderungen und höherem Preisniveau bedienen. Eine ISO9000-Zertifizierung ist dafür unerlässlich. Die Rückverfolgbarkeit des Materials für die höherwertigen Produkte ist gewährleistet.

Ist es möglich, für das Unternehmen eine Zertifizierung zu erhalten, wenn ein Teil der Produktion an ein und demselben Standort nicht den Anforderungen von ISO 9000 entspricht?

Gruß
Wolfgang

Hallo Wolfgang,

ich vermute mal, die Frage steht im Zusammenhang mit dem kürzlich geschilderten Problems der Baugruppen aus China.

Falls ich richtig liegen sollte, dann war der letzte Stand, daß als Übergangslösung eine verschärfte statistische WE-Prüfung plus ein ausgeklügeltes System zur Rückverfolgbarkeit genügen sollte, um normkonform zu sein. Parallel dazu wird an der eigentlichen Lösung des Problems gearbeitet.

Hab ich das noch richtig in Erinnerung?

…Die Herkunft vieler aus Fernost importierten Sachen lässt sich nicht rückverfolgen …Die
Rückverfolgbarkeit des Materials für die höherwertigen Produkte ist gewährleistet.

deswegen ja die verschärfte und statistisch gesicherte WE-Prüfung. Das installierte System der Rückverfolgbarkeit muß in dieser Übergangslösung aufzeigen, welche Produkte wo verbaut wurden und für welchen Kunden sie bestimmt sind.

Falls fehlerhafte Teile in der WE-Prüfung gefunden werden, dann müssen die betroffenen Produkte gefunden werden können, in denen die Chargen verbaut wurden. Egal ob sie noch in der Produktion sind, oder bereits zum Kunden unterwegs sind. Schlimmsten Falls muß eine Rückrufaktion möglich sein.

Wenn sich schon die Herkunft nicht rückverfolgen läßt dann zumindest der weitere Weg in den Zusammenbauten. Und zwar detailliert.

Ein ausgeklügeltes System der Rückverfolgbarkeit ist nicht ganz einfach, aber es gibt elektronische und rechnergesteuerte Lösungen dafür, wie beispielsweise Transponder und sowas.

Ist es möglich, für das Unternehmen eine Zertifizierung zu erhalten, wenn ein Teil der
Produktion an ein und demselben Standort nicht den Anforderungen von ISO 9000 entspricht?

also erstens ist eine Übergangslösung noch keine Abweichung, denn das Problem wurde erkannt und es wird an der Lösung gearbeitet und zweitens wird das Zertifikat bereits ab einem Erfüllungsgrad von über 50% erteilt, soweit ich weiß. Zumindest war es vor ein paar Jahren so. Den aktuellen Stand kenne ich leider nicht, vielleicht kann jemand anderer etwas dazu sagen oder Du fragst einfach mal bei der DQS an. Eine Zertifizierung nach VDA 6.1 ist jedenfalls wesentlich schärfer als nach 9001.

Gruß, Steff

Ist es möglich, für das Unternehmen eine Zertifizierung zu
erhalten, wenn ein Teil der Produktion an ein und demselben
Standort nicht den Anforderungen von ISO 9000 entspricht?

grundsätzlich ja, allerdings nicht für „das unternehmen“, sondern für den teil, der den anforderungen genügen soll.
das geht sogar innerhalb ein und des selben gebäudes für genau festgelegte prozesse oder produkte.
es kommt auch vor, dass ein standort iso 9001 (es heist nicht iso 9000) zertifiziert ist, aber ein ganz spezifisches produkt mitsamt seiner prozesslandschaft den höheren iso 13485 anforderungen genügt (medizinprodukt).

die abgerenzung muss allerdings klar geregelt sein, das beste ist es, wenn nur ganz bestimmte mitarbeiter sich um das eine bzw. das andere kümmern.

im übrigen sehe ich bei deinem china problem im allgemeinen keinen widerspruch zur iso 9001. die 9001 hat nicht zum ziel, eine absolute produktqualität sicherzustellen, sondern eine prozessqualität, mit dem ziel, dass das unternehmen vertrauenswürdig ist (sehr vereinfacht formuliert).
das letzte was die 9001 will, ist, das erwirtschaften von gewinn zu erschweren, und wenn der markt nun mal nach billigen, nicht rückverfolgbaren teilen ruft, dann gibt es eben keine rückverfolgbarkeit, basta.
das müsst ihr natürlich schlüssig begründen.

die eingangsprüfung braucht ihr nur dann, wenn ihr TROTZDEM eine absolute qualität sicherstellen möchtet, aber nicht, weil 9001 es grundsätzlich fordert.

Hallo pm,

die eingangsprüfung braucht ihr nur dann, wenn ihr TROTZDEM eine absolute qualität
sicherstellen möchtet, aber nicht, weil 9001 es grundsätzlich fordert.

na ja, nicht ganz … die beschafften Produkte müssen die Anforderungen erfüllen und die Überwachungsschärfe muß dem Einfluß auf Verarbeitbarkeit und Endprodukt angepaßt sein
(siehe 7.4.1 Beschaffungsprozess)

ich stecke zu wenig im Detail, um da eine Aussage zu wagen.

… wenn der markt nun mal nach billigen, nicht rückverfolgbaren teilen ruft, dann gibt es
eben keine rückverfolgbarkeit…

hier gehe ich gerade mit mir selbst ins Gericht und frage mich, ob mich da die Automobilindustrie verkorkst hat … bei nebulöser Herkunft, unbekannter Schwankung der beschafften Produktqualität, nicht exakt spezifizierter Baugruppe und fehlender Zulassung wäre es für mich als Qualitäter ein unbedingtes Muss ganz genau zu wissen, welche Charge in welche meiner Produkte eingeflossen sind - unabhängig von Normforderungen und sonstigen Auflagen. Wollte ich da zuviel?

Deine Ausführungen sind hochinteressant und geben mir auch zu denken

Gruß, Steff