ISO/TS 16949 und Dienstleistung

Hallo Wissende,
ich arbeite in einem Ingenieurbüro, das hauptsächlich (wir ahnen es bereits) Konstruktionen im Kundenauftrag durchführt. Unsere Produkte sind also zum größten Teil „virtuell“, also nicht produziert.
Wir sind bereits nach ISO 9001:2000 zertifiziert.
Da wir ein kleiner Teil eines größeren Konzernes sind, machen wir oft den Testbetrieb.
Jetzt kam die Anfrage, ob wir uns nicht beim nächsten mal erweitert nach ISO/TS 16949 zertifizieren lassen wollen, um es dann auf den Konzern (der auch produziert) zu übertragen.
Nachdem ich nun die ISO/TS 16949 durchgesehen habe, stelle ich fest, dass sie relativ produktionslastig ist (wenn auch Dienstleistungen angesprochen werden).
Wir haben eineige Schwierigkeiten mit den zusätzlich zur ISO 9001:2000 geforderten Punkten.

Meine Frage ist, ob sich auch schon andere Dientleister mit diesen Problemen beschäftigt haben und Lösungen gefunden haben?

Als Beispiele nehme ich jetzt einmal den Punkt 6.3.2 und anschliessend den Punkt 7.2.1:
6.3.2 Notfallpläne

  1. Anforderungen des Kunden erfüllen bei Unterbrechung in der Energieversorgung - Mögliche Lösung ist es, uns Notstromaggregate für die CAD-Maschinen hinstellen. Sinnvoll? Wenn hier grossflächig der Strom ausfällt, können wir auch nicht mehr mit den Kunden kommunizieren, da diese zum größten Teil an den selben Stromversorgern hängen
  2. Anforderungen des Kunden erfüllen bei Arbeitskräftemangel:
    Sollen wir die doppelte Mnege an Personal vorhalten, damit bei einer Grippeepedemie noch genügend Leute vorhanden sind?
    Konstruktionsleistungen sind in starkem Masse von der Person des Konstrukteurs abhängig, ein anderer braucht eine lange Zeit um sich einzuarbeiten - Zeitarbeitsfirmen kommen also auch nur begrenzt in Frage.
    3)Anforderungen des Kunden erfüllen bei Ausfall von Betriebsmitteln
    CAD-Maschinen beim Lieferanten auf Rufbereitscchaft halten, falls bei uns mal der Blitz einschlägt? Das kostet astronomische Summen.
  3. Feldbeanstandungen
    Haben wir im Prinzip nicht, da unsere Konstruktionsdiensleistung erst nach vielen Monaten/Jahren ins Feld kommen, bis dahin ist der Zug für Nacharbeit o.ä. abgefahren.

7.2.1 Ermittlungen der Anforderung in Bezug auf das Produkt
…c) gesetzlich und behördliche Anforderungen in Bezug auf das Produkt…
Wie sollen wir die gesetzlichen und behördlichen Anforderungen ermitteln, wenn durch den Kunden nicht der genaue Einsatzort und -zweck genannt wird? Der Kunde möchte schliesslich sein Know-how auch nicht preisgeben. Details zur Wiederverwertung, Umweltauswirkungen etc. können bei unterschiedlichen Einsätzen durchaus stark unterscheiden (z.B. Kunsstoffteil, Einsatz in Weisser Ware oder Automotive)

Wie gesagt nur zwei Beispiele aus vielen Punkten die uns für Dienstleistungen unpraktikabel/undurchführbar erscheinen.

Über einen Kontakt zu Kollegen mit den gleichen Problemen würde ich mich freuen, selbst wenn es dadurch zum Abbruch unseres Vorreiterprojektes kommen sollte. In unserem jetzigen Stadium (Voranalyse) erscheint mir die Aufgabe der Idee als wahrscheinlich, ich lasse mich jedoch gerne eines besseren belehren :smile:

Gruss und Dank

Karsten

Hallo Karsten,

ich fürchte, eine ausreichende Antwort kann ich Dir nicht bieten.

Ich arbeite bei einem großen Automobilzulieferer, und da Ihr nach ISO/TS16949 zertifiziert werden wollt, nehme ich an, dass Eure Kunden im Automotivebereich liegen.

Ihr könnt durchaus darstellen, dass bestimmte Punkte für Euch nicht zutreffend sind.
Z.B. die Notfallpläne:
Das bezieht sich m.E. überwiegend auf die Produktion.
Mir fiele zu „Stromausfall“ ein: Vorbeugemaßnahmen: regelmäßige backups, automatische Datensicherung…aber Notfallplan?

Arbeitskräftemangel:

Konstruktionsleistungen sind in starkem Masse von der Person
des Konstrukteurs abhängig, ein anderer braucht eine lange
Zeit um sich einzuarbeiten - Zeitarbeitsfirmen kommen also
auch nur begrenzt in Frage.

Gefährlich. Eigentlich sollten sämtliche Anforderungen und Konstruktionsannahmen ausreichend dokumentiert sein und nicht personenabhängig!
Was macht ihr, wenn der entsprechende Konstrukteur durch Unfall (oder was auch immer) ausfällt?

ich denke, Feldbeanstandungen und Betriebsmittel treffen nicht zu.

7.2.1 Ermittlungen der Anforderung in Bezug auf das
Produkt

…c) gesetzlich und behördliche Anforderungen in Bezug auf
das Produkt…
Wie sollen wir die gesetzlichen und behördlichen Anforderungen
ermitteln, wenn durch den Kunden nicht der genaue Einsatzort
und -zweck genannt wird? Der Kunde möchte schliesslich sein
Know-how auch nicht preisgeben.

Also unsere Kunden teilen uns sehr genau mit, wo unter welchen Bedingungen unser Design welche Funktionen zu erfüllen hat.
Seid Ihr denn designverantwortlich (und damit verantwortlich für dass zuverlässige Funktionieren Eures Designs im Fahrzeug über einen bestimmten Zeitraum bei verschiedenen Störgrößen) oder CAD-Dienstleister?

Wenn Ihr diese Infos vom Kunden nicht bekommt, muss der Kunde Euche sämtliche gesetztlichen Anforderungen nennen (Emission, Recycling, Giftige oder gesundheitsschädliche Stoffe etc.)

Für die ISO/TS müsst Ihr beschreiben, wie Ihr sicherstellt, dass die von Euch entwickelten Produkte die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.

Verlangt denn ein Kunde, dass ihr Euch zertifiziert? Dann würde ich den doch einfach mal ein Kundenaudit (oder sagt man Lieferantenaudit? naja) vorab machen lassen. Dann sagt der schon, was zutrifft.

Wie gesagt, leider hilft’s wahrscheinlich nicht viel.

Da kommt man kaum um einen qualifizierten Berater herum.
Trotzdem viel Erfolg.

Hallo,
bei reinen Dienstleistern ist eine Zertifizierung nach TS 16949 leider nicht möglich. Das steht in den Zertifizierungsvorgaben zur TS 16949.
Es ist jedoch möglich bei einer Zertifizierung eures Kunden oder Mutterunternehmens euer Büro als ünterstüzender Standort (sog. remote location) mit- Zertifizieren zu lassen.

Viele Grüsse
Markus Neumann

Ah, da weiss jemand besser bescheid als ich.

Entschuldigung für allen Blödsinn, den ich geschrieben habe.

Holger

Hallo,
bei reinen Dienstleistern ist eine Zertifizierung nach TS
16949 leider nicht möglich. Das steht in den
Zertifizierungsvorgaben zur TS 16949.

Hallo Markus,
bei der Durchsicht ist mir nur der Absatz aus den Erläuterungen aufgefallen:
zu 1.1 Anwendungsbereich, Allgemeines
Entfernte Standorte mit unterstützender Funktion können keine eigenständige Zertifizierung…

Ist Entwicklungsdienstleistung wirklich „nur“ unterstützend?

Das würden meine Konstrukteure ungerne hören :smile:)

Gruss

Karsten

Trotzdem Danke!
Ich bin aber noch nicht fertig…

Ergänzung
Hallo Markus,
wir machen nicht nur für unsere Konzernmutter (Automotive) Entwicklung, sondern auch für andere Kunden als selbständige Dienstleistung, Hauptsache es ist aus Metall und hat Räder oder einen Motor (z.B. Rollstuhl).

Trotzdem nur unterstützende Funktion?

Gruss

Karsten

Hallo Holger,

ich fürchte, eine ausreichende Antwort kann ich Dir nicht
bieten.

Ich arbeite bei einem großen Automobilzulieferer, und da Ihr
nach ISO/TS16949 zertifiziert werden wollt, nehme ich an, dass
Eure Kunden im Automotivebereich liegen.

Jawohl, unsere Mutter auch…

Ihr könnt durchaus darstellen, dass bestimmte Punkte für Euch
nicht zutreffend sind.
Z.B. die Notfallpläne:
Das bezieht sich m.E. überwiegend auf die Produktion.
Mir fiele zu „Stromausfall“ ein: Vorbeugemaßnahmen:
regelmäßige backups, automatische Datensicherung…aber
Notfallplan?

Arbeitskräftemangel:

Konstruktionsleistungen sind in starkem Masse von der Person
des Konstrukteurs abhängig, ein anderer braucht eine lange
Zeit um sich einzuarbeiten - Zeitarbeitsfirmen kommen also
auch nur begrenzt in Frage.

Gefährlich. Eigentlich sollten sämtliche Anforderungen und
Konstruktionsannahmen ausreichend dokumentiert sein und nicht
personenabhängig!
Was macht ihr, wenn der entsprechende Konstrukteur durch
Unfall (oder was auch immer) ausfällt?

Ja, ich weiss, aber die Konstruktion ist ja auch Denkarbeit und da muss sich halt jemand eindenken, daher kommt jemand aus dem Team in Frage. Eine Vertretung von einer Zeitarbeitskraft aus einem Konstruktionsbüro muss sich halt komplett eindenken, daher meine Bedenken, so etwas in einen Notfallplan aufzunehmen.

ich denke, Feldbeanstandungen und Betriebsmittel treffen nicht
zu.

Zertifizierung light :smile:
Ich habe halt schon viele Punkte gefundden die nicht zutreffen, ich frage mich ob wir den kompletten Bereich Produktion ausklammern können, habe aber das Gefühl , das das die Ganze Sache ad absurdum führen würde, was Markus Aussage bestätigen würde.

7.2.1 Ermittlungen der Anforderung in Bezug auf das
Produkt

…c) gesetzlich und behördliche Anforderungen in Bezug auf
das Produkt…
Wie sollen wir die gesetzlichen und behördlichen Anforderungen
ermitteln, wenn durch den Kunden nicht der genaue Einsatzort
und -zweck genannt wird? Der Kunde möchte schliesslich sein
Know-how auch nicht preisgeben.

Also unsere Kunden teilen uns sehr genau mit, wo unter welchen
Bedingungen unser Design welche Funktionen zu erfüllen hat.
Seid Ihr denn designverantwortlich (und damit verantwortlich
für dass zuverlässige Funktionieren Eures Designs im Fahrzeug
über einen bestimmten Zeitraum bei verschiedenen Störgrößen)
oder CAD-Dienstleister?

Es kommt darauf an :smile:
Wie ich bereits in einem anderen Posting geschrieben habe, machen wir auch Konstruktionen für andere Kunden, als Komplettpaket (Design, Entwicklung, Lieferanteauswahl, Prototypenaufbau etc.), aber halt keine Produktion.

Wenn Ihr diese Infos vom Kunden nicht bekommt, muss der Kunde
Euche sämtliche gesetztlichen Anforderungen nennen (Emission,
Recycling, Giftige oder gesundheitsschädliche Stoffe etc.)

Da ich selber FMEAs moderiere, habe ich das schon zwingend in meinem Fragenkatalog, ABER (das wirst du selber kennen) KOMPLETTE Lastenhefte bekommt man selten vor Serienanlauf.

Für die ISO/TS müsst Ihr beschreiben, wie Ihr sicherstellt,
dass die von Euch entwickelten Produkte die gesetzlichen
Anforderungen erfüllen.

Verlangt denn ein Kunde, dass ihr Euch zertifiziert? Dann
würde ich den doch einfach mal ein Kundenaudit (oder sagt man
Lieferantenaudit? naja) vorab machen lassen. Dann sagt der
schon, was zutrifft.

Nein, unsere Kunden verlangen das nicht, unsere Konzernmutter lässt uns nur die Fleissarbeit machen. Für ein paar hundert Leute lässt sich halt eine Zertifizierung leichter durchführen, als für ein paar Tausend. Wir sind in solchen Sachen der „Testbetrieb“ oder Prototyp, wir dürfen bei erfolgreichen Umsetzungen dann als Berater/Coach zur Mutter.

Wie gesagt, leider hilft’s wahrscheinlich nicht viel.

Da kommt man kaum um einen qualifizierten Berater herum.
Trotzdem viel Erfolg.

Der kommt erst bei ermittelter Durchführbarkeit ins Spiel, wie DU an meinen Fragen siehst, sind wir noch nicht soweit.

Gruss

Karsten