ISO-zertifizierung in Kleinbetreiben ?

Hallo Wissende,

wer kennt Kleinbetriebe die sich zertifizieren ließen ? Wie sind die Erfahrungen damit ? welche Kosten sind dadurch entstanden ?
Suche Kontakt zu solchen Firmen.
Auch Suche ich 1-Personen-Firmen die sich zertifizieren ließen.

Grüße
Manfred

Hallo Manfred!
Zunächst einmal: Die vielfach zu hörende Aussage „Wir brauchen kein Qualitätsmanagementsystem, dafür sind wir zu klein“ ist meiner Meinung nach völlig falsch. Gerade die kleinen Betriebe (Handwerker, Gastronomie, Einzelhandel, etc.) sind es, die ein durchdachtes Organisationssystem dringend brauchen. Ein QM-System ist niemals zu aufwendig für eine Firma, es kommt nur darauf an, dass man es entsprechend einfach und praktikabel aufbaut und umsetzt.
Ich bin Auditor einer Zertifizierungsstelle und ein Großteil meiner Kunden sind kleine und Kleinstbetriebe (Handwerksunternehmen, Dienstleister, etc.). Das Problem bei Qualitätsmanagement nach ISO 9001 bei kleinen Firmen, ist die geschickte Umsetzung. In der Regel werden solche Firmen beraten, sei es von einem „professionellen“ Berater oder von jemandem, „der sich damit auskennt“. Meist hat diese Person sein Wissen und seine Erfahrung aus einer großen Firma und versucht dann, dieses QM-System der kleinen Firma aufzudrücken. „Beim großen Unternehmen hat’s ja funktioniert, die haben ja auch ein Zertifikat bekommen“. In der Praxis sieht das dann so aus, dass die kleine Firma ein umfangreiches Handbuch in die Hand bekommt, mit der Aufforderung: „Wenn du danach arbeitest, kriegst du die ISO, die Verfahrensanweisungen musst du evtl. noch ein wenig anpassen…“.
Ein gutes und effektives QM-System lebt nicht von einer umfangreichen Dokumentation sondern von durchdachten, einfachen Verfahren, einem ebenso simpel aufgebauten Kontroll- und Auditverfahren für die Prozesse und einem effektiven Verfahren für Dokumentation und Durchführung von geeigneten Korrekturmaßnahmen.
Das Handbuch dazu sollte nicht mehr als 5 bis 15 Seiten haben (je nach Format), dazu ein paar kernige Prozessbeschreibungen - fertig! Die Prozesse lassen sich gut als Ablaufdiagramm darstellen. Wobei man nicht zu sehr ins Detail gehen sollte, sont werden sie unübersichtlich.
Namen meiner zertifizierten Kunden kann ich dir leider nicht nennen. Zu den Kosten: Die Erstzertifizierung kostet ca. 2000 bis 2500 Euro. Das hängt aber auch stark vom Zertifizierer ab, am besten einfach mal ein Angebot einholen.
Gruß Manuel

Hallo Manuel,

dein Beitrag bringt mich einfach zur Weissglut!

Zunächst einmal: Die vielfach zu hörende Aussage „Wir brauchen
kein Qualitätsmanagementsystem, dafür sind wir zu klein“ ist
meiner Meinung nach völlig falsch.

Nein, sondern absolut richtig. Denn ein Kleinbetrieb existierte bereits, als es die (sorry) ISO-Scheiße noch nicht gab. Die Handlungsabläufe waren durchdacht und auf den engen Personal- und finanzrahmen zugeschnitten. Fehler wurden sicherlich auch gemacht, aber daß ist ja überall so, selbst bei der Bankgesellschaft mit ISO.

Gerade die kleinen Betriebe

(Handwerker, Gastronomie, Einzelhandel, etc.) sind es, die ein
durchdachtes Organisationssystem dringend brauchen. Ein
QM-System ist niemals zu aufwendig für eine Firma, es kommt
nur darauf an, dass man es entsprechend einfach und
praktikabel aufbaut und umsetzt.

Bei einer der Firmen, in denen ich gearbeitet hab, sah das so aus, daß der Betrieb eigentlich total umorganisiert werden sollte. Ich hab dann den ISO-Mann gefragt: Denken sie eigentlich, wir haben früher vorne an der Tür ne Spanplatte abgegeben und hinten den Schrank abgeholt und das dazwischen war Zufall?

Ich bin Auditor einer Zertifizierungsstelle und ein Großteil
meiner Kunden sind kleine und Kleinstbetriebe
(Handwerksunternehmen, Dienstleister, etc.). Das Problem bei
Qualitätsmanagement nach ISO 9001 bei kleinen Firmen, ist die
geschickte Umsetzung.

Oder unnötoige Mehrarbeit.

In der Regel werden solche Firmen

beraten, sei es von einem „professionellen“ Berater oder von
jemandem, „der sich damit auskennt“. Meist hat diese Person
sein Wissen und seine Erfahrung aus einer großen Firma und
versucht dann, dieses QM-System der kleinen Firma
aufzudrücken. „Beim großen Unternehmen hat’s ja funktioniert,
die haben ja auch ein Zertifikat bekommen“. In der Praxis
sieht das dann so aus, dass die kleine Firma ein umfangreiches
Handbuch in die Hand bekommt, mit der Aufforderung: „Wenn du
danach arbeitest, kriegst du die ISO, die
Verfahrensanweisungen musst du evtl. noch ein wenig
anpassen…“.

Mir hat bisher noch niemand gesagt, wozu man ISO braucht und welchen Nutzen das für den Produktionsablauf, die Kreditwürdigkeit der Firma, den Umsatz, die Personlastruktur und das Ergebnis hat. Einen Nutzen gibt es offensichtlich nicht.

Ein gutes und effektives QM-System lebt nicht von einer
umfangreichen Dokumentation sondern von durchdachten,
einfachen Verfahren, einem ebenso simpel aufgebauten Kontroll-
und Auditverfahren für die Prozesse und einem effektiven
Verfahren für Dokumentation und Durchführung von geeigneten
Korrekturmaßnahmen.

Man könnte meinen, daß ISO diese Abläufe erst erfunden hat. Falsch, die gab es schon vorher. Man könnte meinen ISO sei der Stein des Weisen. Falsch, denn das was alle machen, macht meine firma zum Niemand und Konkurrenzunfähig.

Man stelle sich vor, ich will meine Rechnung umgestalten und muß dafür noch ne Dokumentation anlegen! Hirnverbrannt!

Das Handbuch dazu sollte nicht mehr als 5 bis 15 Seiten haben
(je nach Format),

Wozu dann Handbuch? 5-15 Seiten kann ich mir nmerken, wen nicht, dann sollte ich den Laden zu machen, wenn ich nicht im Kopf hab, wie der laufen soll!

dazu ein paar kernige Prozessbeschreibungen

  • fertig! Die Prozesse lassen sich gut als Ablaufdiagramm
    darstellen.

Bildermaler und Diagrammfreaks aber wie ich den Kunden dazu bringen zum Kauf ja zu sagen, wißt ihr doch auch nicht!

Wobei man nicht zu sehr ins Detail gehen sollte,

sont werden sie unübersichtlich.
Namen meiner zertifizierten Kunden kann ich dir leider nicht
nennen. Zu den Kosten: Die Erstzertifizierung kostet ca. 2000
bis 2500 Euro. Das hängt aber auch stark vom Zertifizierer ab,
am besten einfach mal ein Angebot einholen.

Das Zauberwort „Erstzertifizierung“ Frage wie oft muß das wiederholt werden, was kosten die Wiederholungen. Hat der gut Manuel ne ahnung, was ein Handwerksbetrieb für ne Gewinnmarge hat und die 2 bis 2500 Euro manchmal schon haarsträubend viel sind für nen kleinen Betrieb?

gruss
winkel

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und wer zertifiziert die zertifizierer?
hallo,
ich vertrete uneingeschraenkt die meinung von winkel.
das zertifizieren ist uebelste geldmacherei auf dem ruecken derer, die sich einlullen und veraengstigen lassen.
eine niederlassung unserer firma wurde bereits 1991 als erste unserer branche ( hightech-logistik ) ueberhaupt nach iso 9002 und bs 5750 zertifiziert.
da wir die ersten waren, hatten die zertifizierer nicht den geringsten dunst, welche anforderungen, strukturen und ablaeufe zu bemessen waren - das ganze endete so, dass wir DENEN aufzeigten, was einen sinnvolen betriebsablauf gewaehrleistet.

gebracht hat die zertifizierung NICHTS! o.k. es ist hilfreich, wenn du bei ausschreibungen von global players auf dein iso 9002 hinweisen kannst, aber entscheider, die auf so etwas wert legen, sind meiner erfahrung nach sowieso die akademischen penner , die straight von der uni ins mittlere management rutschen, und die zwar theoretisch sehr analytisch mit zahlenmaterial umgehen koennen, aber selbst zu bescheuert sind, ein faxgeraet zu bedienen, um dir rueckfragen zu stellen. bei diesen ausschreibungen wirst du sowieso nur zum zuge kommen, wenn du ueber den niedrigpreis aquirierst, und der liegt erfahrungsgemaesz unter den gestehungskosten der ware/dienstleistung, weil einige kleinunternehmen es leider immer noch fuer eine „ehre“ halten, vor dem grossen moloch zu kuschen…

fazit: lass es! wenn du es fuer dein ego nicht brauchst, dann sie einfach mal nur die kosten… und folgekosten…und folgekosten… UND FOLGEKOSTEN…
gruss
khs

QM-System im Handwerk
Hallo Herr Winkel!
Ich kann Ihre Aufregung gut nachvollziehen. Sowas erlebe ich fast täglich. Und ich kann Ihnen sagen, dass dieser Unmut hauptsächlich von falscher Beratung und aufgrund von Tipps und Hinweisen von Leuten „die sich damit auskennen“ kommt.
Zunächst einmal: Die ISO selbst bringt sie natürlich nicht in irgendeiner Form weiter und sie kostet einen Haufen Geld. Da stimme ich Ihnen zu. Wer behauptet, nur durch eine Zertifizierung nach ISO wird alles besser redet Schwachsinn. Auch richtig. Man muss unterscheiden zwischen einer vernünftigen Organisationsstruktur in der Firma und dessen Zertifizierung nach irgendeiner Norm. Die Zertifizierung wird einen nicht wirklich weiterbringen (ausser einigen Hinweisen vom Auditor, wenn er sich auskennt vielleicht). Das soll sie auch nicht. Sie dient lediglich dazu, einem Dritten, z. B. dem Kunden, dem Markt oder sonst einer Stelle nachzuweisen, dass gewisse Spielregeln eingehalten werden. Besteht bei Ihnen keine Forderung, so würde ich mir die in der Tat kostspielige Investition natürlich sparen. In manchen Bereichen (Autozulieferer, Gesundheitswesen, Industrie, etc.) kann man aber heutzutage nichts mehr verkaufen ohne diesen Nachweis.
Dass man aber auch ohne das Zertifikat nach durchdachten Abläufen und mit effektiven Kontrollmechanismen arbeiten muß, ist meiner Meinung nach unbestritten. Gerade im Handwerk ist doch folgendes Beispiel an der Tagesordnung: Irgendwas geht schief, z. B. weil ein Mitarbeiter geschludert hat. Das kann natürlich vorkommen, klar. Der Kunde ist verärgert und man tut zunächst einmal alles, um ihn wieder zufriedenzustellen, auch klar. Das war’s aber in den meisten Betrieben auch schon. Der Chef sagt allenfalls: „Da mußt du aber das nächste Mal aufpassen“. So, und was passiert? Früher oder später wird derselbe Fehler wieder passieren, vielleicht bei einem anderen Kollegen. Dann wird der Chef sagen: „Mist, da wollten wir doch drauf achten“. Mit anderen Worten: ausser der akuten Fehlerbeseitigung passiert hier rein gar nichts. Es müssten jedoch Maßnahmen getroffen werden, damit ein einmal aufgetretener Fehler nicht nochmals passiert. Andersrum: Fehler dürfen gemacht werden, aber jeder bitte nur maximal ein mal! Das geht natürlich nicht immer, aber wenn man sich geeignete „Instrumente“ dazu schafft, läuft die Sache gut. Und der Aufwand dafür ist klein gegen den Ärger und die Zeit, die man dadurch einspart. Ich habe zahlreiche Beispiele von Unternehmen in meiner Kundschaft (5 bis 50 Mitarbeiter), wo es so bestens funktioniert. Ein anderes Beispiel aus dem Handwerk: Die meisten Firmen schreiben einfach nichts auf! Die Chefs der Betriebe besprechen mit den Kunden täglich Details der Ausführung, halten diese Absprachen jedoch nicht fest. Als mein Haus gebaut wurde, trat dieses Problem bei allen!!! beteiligten Handwerksunternehmen auf. Und bei allen gab es deswegen teils massive Probleme.
Wenn bei Ihnen, wie Sie schreiben, alles durchdacht und gut organisiert ist, zählen Sie sich zu den rühmlichen Ausnahmen, die Regel sieht da leider anders aus.

Dass die Firmen, in denen Sie waren, völlig umorganisiert werden sollten, lag natürlich an dem Berater bzw. dem Verantwortlichen für die ISO. Dieses Phänomen erlebe ich auch fast täglich. Wie schon gesagt: Die meisten „Fachleute“ für ISO 9001 haben Ihre Erfahrungen aus größeren Unternehmen und versuchen dann diese Dinge auf ein kleineres umzusetzen. „Was bei der großen Firma ging, muß hier doch auch gut sein“. Daraus resultiert dann ein völlig überfrachtetes System, in dem man für jeden „Scheiß“ einen Zettel ausfüllen muß und keiner mehr weiß, wie er seine eigentliche Arbeit noch machen soll. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Wer zum Rechnung umgestalten noch eine zusätzliche Dokumentation braucht, ist selber Schuld. Man sollte auf jeden Fall versuchen so viel wie nötig aber auch so wenig wie möglich zu dokumentieren, gerade im Handwerk.
Beste Grüße
Manuel

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Hallo Herr Schäfer!
Dass die Zertifizierung nach ISO 9001 einen Haufen Geld kostet und ganze Wirtschaftszweige davon (gut) leben ist richtig. Aber das liegt in erster Linie daran, dass in vielen Branchen eine konkrete Forderung nach diesem Zertifikat besteht. Ohne Zettel lässt sich dort nichts mehr verkaufen. Das hat mit „einlullen und verängstigen“ nichts zu tun. Wer sich zertifizieren lässt, ohne dass eine konkrete Forderung besteht, hat wahrscheinlich zu viel Geld. Wie ich schon in der Antwort an Herrn Winkel schreibe, bringt einem die reine Zertifizierung nicht viel weiter.
Nochmal zum Verständnis: Der Nachweis, dass im Unternehmen nach gewissen Spielregeln gearbeitet wird, dient hauptsächlich dem Kunden damit er sicher sein kann, dass die gute Qualität des Produktes kein Zufall ist, sondern auf vernünftigen Arbeitsweisen beruht. Das Zertifikat nützt also weniger Ihnen etwas, als dem Kunden (falls er es fordert). Das Problem ist, dass den Firmen vorgegaukelt wird, die Zertifizierung nach ISO 9001 wäre der Stein der Weisen und würde dem Unternehmen die ultimative Verbesserung bescheren.

Dass die Auditoren, die Sie 1991 zertifiziert haben keine Ahnung hatten, liegt einerseits daran, dass die ganze Geschichte damals noch in den Kinderschuhen steckte, andererseits gibt es Zertifizierer, die alle Branchen bedienen. Also Autohersteller, Hotels, Bäckereien, Krankenhäuser, Tischler,… Dass die Auditoren nicht 100%ig vom Fach sind ist doch klar. Es gibt jedoch auch Zertifizierer, die nur in einer einzigen Branche tätig sind und daher hochkarätige Fachleute auf ihrem Gebiet sind. Ich bin z. B. für einen Branchenzertifizierer tätig und allein dadurch, dass ich schon Hunderte Firmen aus ein und derselben Branche gesehen habe, kann ich die Gegebenheiten vor Ort gut beurteilen und auch häufig wertvolle Hinweise geben.

Also: so schlecht ist die ganze Sache nun auch wieder nicht, oder?

Beste Grüße
Manuel