Mit jeder Wahlperiode verstärkt sich der Prozess, dass der
Bundestag sich immer einseitiger aus Angehörigen einer ganz
bestimmten Berufsgruppe zusammensetzt […]
Juristen.
In Summe sind das in der jetzt zuende gegangenen Wahlperiode
16 etwa 25% aller "Volks"vertreter, bei 0,25 %
Bevölkerungsanteil entspricht das einer einhundertfachen
Überrepräsentierung.
Ja, und? Die Verfassung schreibt nicht vor, dass im Parlament
jede Berufs-, Glaubens-, Volkstanz- und sonstige Gruppe mit
dem ihr in der Gesellschaft zukommenden Gewicht (und nur mit
diesem) vertreten sein müßte.
Die Verfassung schreibt das nicht vor, aber du musst dich von dem Gedanken freimachen, dass alles, was man in diesem Lande als gut und richtig oder falsch und schlecht benennt, nur dann gut und richtig oder falsch und schlecht ist, wenn es auch ein Gesetz gibt, dass das so definiert. Ich bin einfach der Meinung, dass die gegebene Zusammensetzung des Bundestages nach Berufsgruppen von Übel ist und nehme mir das zu äußern heraus - einfach so und ohne Paragrafen.
Entscheidend ist: Das Volk hat sie gewählt. Bei den direkt
gewählten Kandidaten versteht sich das von selbst.
Na, wenn man die relative Stimmenmehrheit als echte Legitimation gelten lassen will…die kann nämlich durchaus auch bei nur 30 % aller Erststimmen liegen. Damit wird der Volks- dann wohl eher zum Minderheitenvertreter.
Bei nach
Nachrückern über die Listen der Parteien hat der Wähler
dadurch, dass er der Partei seine Zweitstimme gegeben hat, es
der Partei überlassen zu entscheiden, wer in das Parlament
einzieht. In diesem Sinne sind alle Abgeordeten - ob Jurist
oder nicht - vom Wahlvolk legitimiert und damit eine echte
Volksvertretung.
In diesem Sinn, genau. Dieser Sinn ist aber eher Unsinn, da das Volk in seiner Vielfalt nicht mal dem Papier nach noch vertreten wird.
Wenn dem Wähler nicht paßt, wer da so auf den Parteilisten
steht, dann hilft nur eins: selbst politisch aktiv werden,
will heißen sich in einer Partei engagieren oder einen eigenen
Laden gründen. Das macht allerdings Arbeit. Da ist nörgeln
zugegebenermaßen um einiges einfacher (fast so wie
Nichtwählen).
Keineswegs ist das die einzig mögliche Abhilfe. Es würde genügen, einen Moment innezuhalten, den Wahlzettel zu lesen, nachzudenken und erst dann seine zwei Kreuzchen zu machen.
Fachkompetenz ist offensichtlich zweitrangig. Hauptsache, man
hat gelernt, zu reden und um Paragrafen herumzulavieren. Und
genauso sieht unser Land mittlerweile auch aus.
Job des Parlaments ist es, Gesetze zu gestalten und zu
beschließen.
Unter anderem. Falls er feststellt, dass es eines Gesetzes bedarf.
Da ist es nicht per se verkehrt, wenn im
Parlament jemand sitzt, der von Berufs wegen weiß, wie Gesetze
funktionieren, und deshalb auch weiß, was er tut.
Meines Erachtens wäre es wichtiger zu wissen, wie sich Gesetze auswirken. Die sind ja kein Selbstzweck. Und ob die sehr einseitig vorgebildeten Abgeordneten sich über die Auswirkungen ihrer Gesetze in allen Lebensbereichen immer so recht im klaren sind, wage ich zu bezweifeln. Sonstwäre die mittlere Halbwertszeit unserer Gesetze ja auch nicht in stetigem Sinken begriffen. Zumindest aber wissen die Abgeordneten, wie man Gesetze so formuliert, dass der Durchschnittsbürger aber auch ganz bestimmt einen Juristen braucht, um sie zu verstehen.
Man läßt ja
auch sein Auto in der Regel lieber vom Automechaniker als vom
Friseur reparieren.
Nur, wenn es wirklich etwas zu reparieren gibt. Die Frage ist doch erst mal, ob das der Fall ist. Im Zweifel darf man aber wohl davon ausgehen, dass der Automachaniker immer etwas finden wird, ganz gleich, wie der Zustand des Fahrzeugs ist.
Und gemessen an dem (rechtlichen) Unfug,
der bisweilen das Parlament verläßt, können im Parlament
eigentlich gar nicht genug Juristen sitzen.
Bezüglich Halbsatz 1 bin ich einer Meinung, deine Schlussfolgerung in Halbsatz 2 finde ich allerdings ausgesprochen lustig. Ich bin schon darauf gespannt, ob in der Zukunft der Grad des Unfugs schneller oder langsamer wächst als der Anteil der Juristen im Parlament - oder vielleicht eine direkte Proportionalität besteht. Man könnte es auch kurz und knackig formulieren mit dem altbekannten Sprichwort: „Zu viele Köche verderben den Brei.“
Rechtspfleger,
„Verwaltungsfachleute“ (ja, auch dort machen sie sich breit,
das sind beileibe nicht alles Verwaltungsfachwirte),
„Wahlbeamte“, Abgeordnete (als Berufsangabe, ***grins***),
„Präsidenten, Minister, Senatoren“ (wo kann ich das
studieren?), „Partei-, Gewerkschafts-, Verbandssekretäre und
-funktionäre“
Nein. Das können Juristen sein, müssen aber nicht. Und
ich bin sicher: nicht mal ein Viertel derer, die im Parlament
diese Bezeichnungen führen, ist tatsächlich Jurist.
Man könnte deine Sicherheit wie gesagt durch die Lektüre der betreffenden Lebensläufe erschüttern, aber es ändert sowieso nichts an der bestehenden Schieflage, die, völlig zugegeben, vom in der Masse eher unkritischen Wähler selbst verursacht ist.
Es liegt auf der Hand, dass diese Berufsgruppe im Parlament
nicht das mindeste Interesse daran hat, deregulierend zu
wirken,
Das ist eine Behauptung, die wir ohne empirischen Beleg (den
es kaum geben dürfte) ohne weiteres als Unfug abheften können.
Was man primär „abheften“ kann, ist die Gesetzesflut ohne praktische Notwendigkeit. Und ich bin ja auch nicht der erste, der die abnehmende Qualität und zunehmende Quantität dessen, was den Bundestag verlässt, untersucht.
http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article…
Aber vielleicht bin ich der erste, der das mit der zunehmenden Anzahl an angeblichen „geborenen Fachleuten für Gesetzestexte“ im Parlament in Verbindung bringt.
Im übrigen irrt gewaltig, wer meint, weniger Regelung bedeute
automatisch auch weniger Streit. Da lehrt die Praxis anderes.
Die Praxis lehrt, dass in Deutschland pro Jahr derzeit 1,9 Millionen Streitigkeiten bei den erstinstanzlichen Gerichten enden. Ich habe gerade keine Zahl parat, wage aber einfach mal die Behauptung, dass es zu Kaiser Wilhelms Zeiten signifikant weniger waren. Der Gegenbeweis darf gerne angetreten werden.
im Gegenteil, denn damit würde sie sich und ihren
Partnern in der nebenberuflich weiter betriebenen
Anwaltssozietät ja den Ast absägen, auf dem sie sitzt.
Ach daher weht der Wind. Es ist der gute alte Neid: die bösen
Juristen machen sich schon im Job wider das gesunde
Volksempfinden die Taschen voll und bekommen dann auch noch
aus dem Steuersäckel fette Diäten obendrauf. Das erklärt
einiges (und entwertet das wenige was nicht schon aus anderen
Gründen wertlos war).
Das einzige was hier wertlos ist, sind deine Unterstellungen meiner angeblichen Beweggründe einschließlich tendenziöser Wortwahl („gesundes Volksempfinden“).
Bekanntlich ist Wissen = Macht, und Rechtswissen so ist „dank“
immer mehr ausufernder Gesetze mittlerweile notwendiges
Herrschaftswissen in Politik und Verwaltung geworden.
Gesetze sind öffentlich, können im Internet problemlos
heruntergeladen werden. Und wer Gesetze nicht versteht, kann
sich für klar berechenbare Kosten (RVG) an jeder Ecke jemanden
anheuern, der sie ihm erklärt.
Es wird wie gesagt schon dafür gesorgt, dass sie keiner versteht.
Und das RVG (Erstfassung übrigens 1935) ist auch nur so ein protektionistisches Schutzgesetz von denjenigen und für diejenigen, die allen anderen Wasser (das freie Spiel der Kräfte am Markt) predigen, selbst aber lieber „BRAGO“-Wein trinken.
smalbop