Ist der Lebensweg vorbestimmt?

Liebe/-r Experte/-in,

Ich (20 Jahre alt) denke schon seit Längerem intensiv über mein Leben nach. Es gibt so viele Dinge, mit denen ich nicht klarkomme und manchmal habe ich das Gefühl, es wird immer schlimmer. Ich möchte sie hier aber nicht öffentlich erläutern. Wäre aber froh, wenn jemand ein offenes Ohr hat. Vor allem im Bereich der Seelsorge. Ich stelle mir folgende Frage: Ist das Leben durch Gott vorherbestimmt? Wenn ja, warum gibt es dann Leute, denen es psychisch total schlecht geht. Ist das wirklich Gottes Wunsch? Das jemand leiden muss?

Ich weiss, dies zu beantworten ist sehr schwierig. Aber um „Anstösse“, „Anhaltspunkte“ wäre ich sehr dankbar.

Liebe Grüsse

Loreen

Wenn ich an das Leben vonn Jesus denke, das Leben von Johannes dem Täufer, der Maria usw. so denke ich dass, das Leben von vielen Menschen vorherbstimmt ist. Alles im Leben hat seine Zeit und Stunde. Manches werden wir mit der Frage nach dem Warum nicht verstehen. Es wird sicherlich nicht immer die passende Antwort darauf geben. Aber ich habe in Israel ein Antwort kennen gelernt und die heißt: „Es dient zum besten“. Manche Menschen würden nicht nach Gott fragen ohne Leid. Aber jeder Mensch darf wissen, die Hilfe die der Mensch braucht ist der Herr selbst und wer zu Ihm kommt den wird er nicht alleine lassen. Ich wünsche Ihnen das Sie diesen Hilfe erfahren. Bleiben Sie bei dem Gebet und beim Dank. Gott macht keine Fehler.

Hallo,
da du „Seelsorge“ ansprichst, weißt du bestimmt selbst, dass dies hier nicht wirklich ein Forum für das ist, was dich wirklich belastet und dass hinter der von dir gestellten Frage anderes liegt. Wäre es für dich denkbar, dass du - z.B. falls du studierst - am Studienort einem der Studierendenseelsorger (ev. / kath.) ansprichst? Dazu sind die da und die Schwelle ist evtl. niedriger als zu einem Therapeuthen. Oder an deinem Wohnort oder in der nächsten größeren Stadt mal rumhören, wer von den Seelsorgern einen vernünftigen Eindruck macht? Oft sind das auch Krankenhausseelsorger (nicht nur Pfr., sondern auch Seelsorgerinnen). Das mal vorab.

Zu deiner Frage, die wirklich nicht leicht zu beantworten ist: Da scheiden sich wirklich die Geister.
Vom Christlichen aus auch - das hier auszubreiten - puh … Mir hat immer sehr geholfen, was Leben und Sterben Jesu eigentlich aussagen kann: Gott geht alles mit - er kennt - durch/über Jesus das, was wir durchmachen - ist also ein mitleidender Gott (nicht ein mitleidiger Gott). Derzeit (ich argumentiere jetzt wissenschaftlich) wird auch stark an dem Aspekt „allmächtiger“ Gott gezweifelt - was ja auch mal in führeren Jahrtausenden „gesetzt“ wurde. Viele (Leidens)fragen kann man nicht beantworten und die Fragezeichen werden bleiben, aber es kann helfen, dass es da jemand / etwas gibt, das mitgeht (vll. kennst du das Sprichwort „Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade“). Von daher: die Frage, ob vorherbestimmt, kann man weder bejahen noch verneinen. Wäre alles vorherbestimmt, heißt das ja nicht, dass wir nur Marionetten sind. Unsere Aufgabe wäre dann, dass wir uns „dazu verhalten“ - und das können wir beeinflussen. Und genauso ist es auch, wenn wir davon ausgehen, dass nichts vorherbestimmt ist. Das „Verhalten zu“ ist auch hier wichtig. Also nicht das Gehirn zermürben über ein „Vorherbestimmt“, sondern die Kraft darauf verwenden, wie ich selbst damit umgehen, was mir begegnet. Denn manche Leute wachsen an/in ihrem Leid, andere zerbrechen daran. Warum? Je älter ich werde umso mehr merke ich: ein leidfreies Leben gibt es bei keinem. Nur einen unterschiedlichen Umgang damit.
Hoffe, dass dir das etwas an Denkanstößen helfen kann und wie gesagt: Ein Mensch direkt gegenüber wird durch keinen Mailkontakt in einem anonymen Forum ersetzt!
Hab Mut!
Viele Grüße, brans

Das ist die berühmte Theodizee. Seine Gedanken sind höher als unsre Gedanken und seine Wege sind nicht unsre Wege. Soweit der Himmel höher ist so sind auch seine Gedanken höher. Lies das Buch Hiob durch, es steht im AT:

Hallo Loreen

Ob das Leben und die Weltenläufe vorbestimmt sind oder nicht, darüber streiten Theologen seit Jahrtausenden. Denn bei dieser Frage stehen zwei Dinge auf dem Spiel: Wenn alles vorherbestimmt ist, habe ich als Mensch keinen freien Willen, also keine Entscheidungsfreiheit, trage aber auch keine Verantwortung. Ich bin nicht selber schuld an meinem Schicksal. Wenn nichts vorbestimmt ist, bin ich zwar frei in all meinen Entscheidungen, aber auch an allem selber schuld, gemäss dem Sprichwort: «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.» Und es stellt sich dann auch die Frage, was Gott da noch für eine Rolle spielt. Ein Vertrauen auf etwas, das ausserhalb von mir ist, ist nur mehr schlecht denkbar.
Ich glaube, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt. Und unsere Erfahrungen im Leben zeigen das ja auch: Einerseits merken wir, dass unsere Entscheidungen Konsequenzen haben. Wir können durch unser Verhalten unser Schicksal entscheidend beeinflussen. Auf der anderen Seite spüren wir aber auch, dass wir oft «unbewusst» entscheiden, dass uns manchmal ein Weg einfach vorgegeben ist oder sich eine ungeahnte Türe öffnet. Wenn man als junger Mensch in die Zukunft schaut, kommt sie einem undurchschaubar und vielleicht auch furchterregend vor. So viele Wege stehen offen. Welchen von ihnen werde ich erwischen – und wird es ein guter Weg sein? Wenn man dann aber zurückschaut, entdeckt man oftmals in diesem Gewirr von Möglichkeiten einen roten Faden, und sieht, dass sein Weg zwar nicht immer angenehm war, aber doch einen Sinn hatte. Das habe ich von alten Leuten oft schon so gehört.
Also, offenbar gibt es Dinge, die wir selber bestimmen und entscheiden können. Und es gibt Dinge im Leben, die werden uns vorgegeben. Bei beidem ist es entscheidend, Vertrauen zu haben. Selbstvertrauen bei den eigenen Entscheidungen und Gottvertrauen bei denen, wo ich nichts dafür kann. Dort, wo ich entscheide, sollte ich das bewusst tun, und diesen eingeschlagenen Weg dann auch gehen, ohne immer hin- und her gerissen zu sein. Und dort, wo ich nicht selber entscheide, muss ich annehmen können, muss ich meinen Willen einem grösseren Willen unterwerfen und darauf vertrauen, dass auch das irgendwie zum Guten führt.
Das tönt jetzt vielleicht etwas einfach. Dort, wo sich die Frage nach der Vorherbestimmung am intensivsten stellt, nämlich bei schweren Schicksalsschlägen, Krankheiten, Suiziden – dort ist es eine schwierige Sache: Bin ich selber schuld daran? Das wäre ja schrecklich! Oder hat Gott mir das geschickt? Dann ist das ein schrecklicher Gott! Ich glaube, dass man in einer solchen Situation nicht darum herum kommt, beide Antworten zu ertragen, mit sich herumzutragen und wiederzukäuen, bis man innerlich einen Weg findet, damit umzugehen. Meine Erfahrung ist, dass z. B. nach einem Suizid die Angehörigen lange zwischen Selbstvorwürfen und Anklage Gottes hin- und her gerissen sind, und dass sie noch Jahre danach keine klare und logische Antwort auf die Frage nach dem «Warum» gefunden haben. Aber wahrscheinlich gibt es die gar nicht. Das Einzige, was wir können, ist, es anzunehmen und darauf zu vertrauen, dass es einen Sinn hat, auch wenn wir den nicht verstehen.
Dass Gott so sadistisch ist, dass es ihm gefällt, wenn jemand leidet, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass Gott sogar mitleidet, wenn wir leiden. Warum er das tut, und weshalb er es sich und uns nicht einfacher macht – und das könnte er doch, wenn er allmächtig ist –, das ist mir – und vielen anderen auch – ein Rätsel. Aber was wäre das Leben ohne Rätsel…?

Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Anstösse zum Weiterdenken geben. Mach es dir nicht zu einfach! Falle nicht auf einfache Antworten herein – das Leben ist zu vielschichtig und zu farbig!

Mit herzlichen Grüssen

Samuel Burger

Liebe Loreen,

Dein Leben ist - wie alles andere auch - von Gott vorhergewusst, nicht vorherbestimmt.
Das ist eine wichtige Unterscheidung.

Weil Gott über der Zeit steht, weiß er zu jedem Zeitpunkt immer alles.
Da er der bzw. das absolut Gute ist, will er nie das Böse.
Weil Menschen aber immer wieder auch mal das Böse tun, kann es nicht von Gott kommen.
Zu den philosophischen Argumenten für die Freiheit des Menschen und zur Existenz sowie dem Wesen Gottes habe ich 2 kleine Tipps:
http://www.philothek.net/pdf-dokumente/Willensfreihe…
http://snipURL.com/gottesbeweise

Für Seelsorge empfehle ich,
eine (freie) christliche Gemeinde in Deiner Nähe zu suchen.
Wenn Du mir mailen möchtest, in welcher Stadt/Region Du wohnst,
könnte ich Dir einige raussuchen.

Mit lieben Grüßen und Segenswünschen
Rolf

Ich (20 Jahre alt) denke schon seit Längerem intensiv über
mein Leben nach. … Ich stelle mir folgende Frage: Ist das Leben durch Gott vorherbestimmt? Wenn ja, warum
gibt es dann Leute, denen es psychisch total schlecht geht.
Ist das wirklich Gottes Wunsch? Dass jemand leiden muss?

Hallo Loreen!
Zunächst einmal kann ich Dich beruhigen: Das Leben ist nicht total vorherbestimmt, wir sind keine Marionetten, die an den Fäden Gottes hängen. Warum? Weil der Mensch zwar von Gott erschaffen, aber nicht sein Spielzeug ist.

Gott hat ihm von seinem eigenen Wesen etwas Göttliches mitgegeben, nämlich den freien Willen! Damit kann der Mensch grundsätzlich tun und lassen, was er will, wie Gott selbst. Er kann damit also in großer Freiheit über sich selbst und seinen Lebensweg entscheiden.

Allerdings gibt es für den Menschen Grenzen dieser Freiheit, und zwar da, wo die Freiheit des anderen beginnt. Diese Grenzen sind in den Geboten Gottes abgesteckt. Gott erwartet vom Menschen, dass der sich um des Guten willen (des Guten für andere, für sich selbst, für seinen Schöpfer) an die Gebote hält. Gott nimmt aber auch eine andere Entscheidung in Kauf, sogar die, dass sich jemand gegen ihn entscheidet. Die Konsequenzen davon muss derjenige aber in voller Härte selbst tragen. Das beste Beispiel dafür sind Adam und Eva, d.h. die ersten Menschen.

Der Mensch entscheidet also durch seinen eigenen Willen über sein eigenes Leben. Manches erscheint darin zwar vorherbestimmt, ist aber in Wirklichkeit nur die Konsequenz seines eigenen Handelns. Da Gott allwissend ist, sieht er zwar das Leben des Menschen voraus, aber er bestimmt es nicht im Sinne einer Prädestination. Dann wäre unsere Freiheit dahin. Nimm das Beispiel der menschlichen Gene: Man bekommt sie, ohne gefragt zu werden. Sie entfalten ihre festgelegten Aktivitäten und bestimmen dadurch den Menschen mit, aber es kann, im Zusammenspiel der Gene, auch anders kommen, vor allem wenn der Mensch selbst eingreift (Genmanipulation!). Man muss also unterscheiden zwischen dem Plan Gottes für jeden Menschen und dem, was der Einzelne daraus macht. Dabei kann dieser sich sehr wohl irren, aber Gott lässt ihm, wie gesagt, die Freiheit.

Das andere Thema ist die Frage der Theodizee, d.h. warum lässt Gott etwas zu, was schlecht ist für den Menschen oder ihm sogar schadet, und greift nicht mit seiner Allmacht ein, um es zu verhindern?

Auf diese Fragen gibt es nur eine einzige Antwort, und die ist leider sehr unbequem. Es ist ja immer viel leichter, einen „Schuldigen“ zu finden, und wäre es Gott selbst. Die Antwort ist: Gott kann etwas nicht, was der Mensch kann, und das ist das Einzige: Gott kann nur gut sein und niemals böse. Er kann also auch für den Menschen nur Gutes wollen und niemals Böses. Sonst wäre er nicht Gott. Das Neue Testament ist voll davon.

Wenn dem Menschen also Böses widerfährt, dann hat nicht Gott die Schuld, sondern der Böse schlechthin, der Satan, der durch andere Menschen oder Dinge den Einzelnen seinerseits zum Tun des Bösen verführt (aktiv) oder ihn Böses leiden lässt. Das beste Beispiel ist wiederum das Geschehen im Paradies, wo die Menschen zunächst in vollkommener Gutheit, ohne Krankheit und Leid gelebt haben, wie Gott sie geschaffen hatte.

Durch den Aufstand gegen Gott und seine Gebote kam das Unheil in die Welt. Jesus hat uns durch seinen Tod davon erlöst (befreit), aber noch hat der Satan Macht über die Menschen und nutzt dies aus. Erst am Ende der Welt wird er endgültig besiegt, und dann wird es einen „neuen Himmel und eine neue Erde“ geben ohne Not und Leid und Tod, sondern in ewiger Glückseligkeit und Gutheit.

Man muss sich also davor hüten, Gott in die Schuhe zu schieben, was sein Widersacher, der Satan, und der ihm freiwillig folgende abgeirrte Mensch zu verantworten haben.
Dass Gott dies zulässt, kann man ihm zwar vorwerfen, aber das sind nun einmal die Bedingungen, unter denen die gefallene Menschheit („Sündenfall“) leben muss. Und nicht Er hat diesen Zustand herbeigeführt, sondern der Mensch. Das Paradies gibt es nunmal auf der Erde nicht.

Trotzdem lässt Gott den Menschen nicht im Stich. Er hilft ihm durch den Glauben und die Sakramente, stark zu werden im Geist und im Willen zum Guten. Wir nennen das die Gnade Gottes. Sie wird jedem in dem Maß zuteil, wie er es braucht, um in dieser Welt den Weg zu Gott zu finden und zu gehen. Nöte, auch seelische, Krankheiten und andere Widerwärtigkeiten, die sich keiner wünscht, haben dabei in den Augen Gottes nur den Sinn, dem Menschen die Augen für Gott zu öffnen und ihn, notfalls eben durch Leiden, auf den rechten Weg zurückzubringen.

Sinn des Leidens ist also aus christlicher Sicht, wie Hiob oder Jesus zu lernen es anzunehmen und zu ertragen und dadurch Gott wieder nahezukommen. Es ist ein Weg der Bewährung und der Läuterung und eine große Chance. Wer sich in seinen Schmerz verbeißt und gar noch gegen Gott aufbegehrt, hat nichts begriffen und sucht nur einen Sündenbock, den er anklagen kann.

Auch im Leiden, sogar bis zur scheinbar trostlosen Verlassenheit und zum Tod, ist der unschuldige Gottessohn Jesus Christus uns das Vorbild, denn wir sollen werden wie er und ganz konkret seinem Beispiel in dieser Welt folgen. Dann wird aus dem vermeintlich Bösen das von Gott bewirkte Gute, aus der Niederlage der Sieg, aus der Schwäche eine Kraft. Das ist das ganze Geheimnis. Es erfordert allerdings Demut statt Hochmut, Hingabe statt Auflehnung und vor allem ein Umdenken des Menschen.

Ich hoffe, ich konnte Dir etwas helfen.

Gerd Hagedorn

Hallo Loreen,
Ist das Leben vorherbestimmt?

Nun, auf jeden Fall glaube ich, die landläufige und in den Medien oft anzutreffende Ansicht von „Freiheit“, „Selbstverwirklichung“ u.s.w. ist eine Illusion. Mein Leben ist in vielen Dingen vorherbestimmt: Durch mein Elternhaus, meine körperliche und intelektuelle Verfassung, die Gesellschaft, in der ich aufwachse. Lerne ich als Kind Liebe kennen oder eher nicht? Lerne ich am Verhalten der Eltern / Geschwister / Freunden mit Konflikten umzugehen? usw. usw. - 1000 Fakturen prägen mich und bestimmen deshalb auch meinen Lebensweg sehr stark mit. Dass ich dann trotzdem einen Rest Freiheit besitze, mein Leben „in die Hand zu nehmen“ und - sozusagen innerhalb meiner vorgegebenen Möglichkeiten das Beste draus zu machen, glaube ich dann aber auch.

Was ist nun aber mit Gott?
Hier wird es für mich schwierig, weil wer will schon sagen, er sei darin „Experte“, Gottes Willen zu kennen.

Ich glaube gerade in dieser Weihnachtszeit: „Das Licht scheint in der Finsternis“ (Joh 1,5): Gott will in meine Vorbestimmungen hinein kommen und mir damit helfen. Gott ist nicht „von oben herab“ ein Marionettenspieler, der mein Leben in der Hand hat und nach Gutdünken lenkt und führt und mich somit vorherbestimmt. In Jesus kommt Gott „von unten“. Er wird Kind in ärmlichen Verhältnissen. Geht auf die Menschen zu, ist bei ihnen in ihren Lebensbedingungen, die oft genug total schlimm sind (vgl. die vielen Geschichten der Bettler, Blinden, Zöllner & Sünder im Neunen Testament) und stirbt schließlich selbst als Spielball der gesellschaftlichen Vorbestimmungen (z.B., dass eben die Römer als Besatzungsmacht in Israel waren …). Und dann? Dann kommt Ostern, die Auferstehung. Das bedeutet in dem Fall ja: Gott überwindet am Ende die Vorherbestimmungen meines Lebens (z.B. meine Vergänglichkeit).

Also, ich denke: Nicht Gott als einer der mich festlegt und vorherbestimmt, sondern, der mich in meiner Vorherbestimmung durch Kindheit, Elternhaus, Gesellschaft, Politik, Gesundheit, Intellekt, Unglücksfälle … und … und … und begleitet und - hoffentlich - die Macht hat, diese Vorherbestimmungen auch hin und wieder zu durchbrechen.

Nun, das hilft dir nicht weiter, vermute ich mal.
Es sind Anstöße für den Glauben und das Gottesbild, nicht für die eigentlichen Probleme und Nöte, die dich umtreiben.

Dort wird es über Internet sicher schwierig.
Aber vieleicht wenigstens das: Neben allen Sorgen und allem Druck: Ich glaube, dass wenigstens der Glauben an Gott nicht auch noch Druck machen sollte (Nach dem Motto: „Was habe Ich Gott getan?“). Gott wird Mensch und er lässt sich übel mitspielen um uns auch in den dunklen Stunden nahe zu sein - so lese ich die Botschaft der Bibel.

Alles Gute für Dich!

Torsten

Liebe Loreen,
über deine Frage, ob unser Lebensweg durch Gott vorbestimmt ist, haben sich Menschen seit jeher Gedanken gemacht. Ich würde raten, von dieser Frage abzusehen, weil die Suche nach einer Antwort die Suchende unweigerlich in den Bereich des Spekulierens bringt, ein gefährliches Terrain, gerade wenn es Dir nicht so gut geht. Dann neigst Du nämlich dazu, die Frage zu deinen ungunsten zu beantworten, wie Du es schon in der Frage selbst anlegst.
Ich würde die Frage anders stellen: Worin liegt die Bestimmung des Menschen (noch vor aller Individualität) und warum scheitern wir zwangsläufig daran, unserer Bestimmung als Mensch gemäß zu leben?

Wir als Menschen sind zu Liebe und Leben bestimmt und dazu, in Beziehung zu leben. (Ich will mal die Bibelstellen weglassen, ja? Wenn Dich die interessieren, kann ich sie nachreichen.) Und – und das halte ich für en wesentlichen Punkt – wir sind mit einem freien Willen ausgestattet, um uns immer wieder neu für unsere Bestimmung - für die Liebe und das leben - entscheiden zu können. Das wird zwar von der christlichen Dogmatik äußerst differenziert gesehen, das zu referieren bringt aber meines Erachtens an dieser Stelle nicht viel. Ich halte es da mit einer jüdischen Weisheit, die sagt: Wir sind mit einem freien Willen ausgestatten, ob wir wollen oder nicht!

Jetzt ist doch die Frage interessant, warum entscheiden wir uns immer wieder gegen unsere Bestimmung zur Liebe, wo wir doch – theoretisch – einen freien Willen haben? Ich meine, weil wir in der Konsequenz vorher getroffener Entscheidungen, aber auch Erfahrungen leben und aus ihnen heraus entscheiden. Und damit ist die Freiheit des Willens dahin. Wer zum Beispiel in Beziehung verletzt wurde, entscheidet sich geradezu reflexhaft für den Selbstschmutz, auch wenn es der ersehnten Beziehung entgegensteht.

Es ist doch so, dass wir in unserer Kindheit die wesentlichen Erfahrungen machen, die über den späteren Lebensweg entscheiden bzw. aus denen heraus wir selbst über unseren Lebensweg entscheiden. An dieser Stelle kann ich deine Frage nach dem (von Gott) vorgezeichenten Lebensweg sehr gut verstehen, weil es sich so anfühlt, als sei alles vorherbestimmt, weil mir immer wieder das Gleiche geschieht oder ich mich immer gleich (schlecht) fühle.
Ich würde mal mutmaßen, dass Dir üble Dinge wiederfahren sind, für die sicher nicht Gott verantwortlich ist. Nun bist Du nicht nur volljährig, sondern beginnst auch erwachsen zu werden (ich bin 47 Jahre alt, ev. Theologe, arbeite aber nicht für die Kirche). Andere dafür verantwortlich zu machen, wie es Dir geht, bringt ja nicht viel, jedenfalls bringt es Dich nicht voran, dass es Dir dauerhaft besser geht. Aber Du kannst Dein Leben jetzt selbst in die Hand nehmen.
Und was auch immer Dir geschehen ist und es hört sich an, als sei Dir viel Schlimmes geschehen –, Du kannst es nicht ungeschehen machen. Aber Du kannst damit leben lernen. Der Weg wird meines Erachtens allerdings unweigerlich durch diese Erlebnisse hindurch führen. Nur so können sie ihren Schrecken verlieren und die ihre Macht über Dein Erleben und Fühlen. Denn diese Macht können die alten Erlebnisse und Erfahrungen nur entfalten, wenn Du diese sie nicht haben willst. Aber Du hast sie und sie wirken dann eben, ohne dass Du davon weißt oder es wissen willst, und sie prägen Deine Entscheidungen und Stimmungen. Und es kommt Dir vor, als sei eine fremde Macht am Werke, dabei ist es die Mechanik in Dir, die Du als Kind entwickelt hast, um aus dem, was Du vorfandest, das Beste zu machen. Und Du hast das Beste daraus gemacht. Jetzt aber bist Du erwachsen, und da gelten andere Regeln, nämlich zu allererst Selbstbestimmung. Zu der kannst Du etwas mehr kommen.

Liebe Loreen, ich selbst bin erst mit Anfang dreißig auf diese Idee gekommen, als mir nach vielen gescheiterten Beziehungen und einer katastrophalen Ehe klar wurde, dass ich immer das Gleiche machte, dass ich wie ferngesteuert immer wieder die gleiche Entscheidungen traf, auch wenn ich es anderes wollte. Es ging eben nicht, weil die Angst im Moment der Entscheidung so übermächtig wurde, dass ich oft gegen besseres Wissen entschied, eben um der Angst zu entgehen. Ich habe eine Psychotherapie gemacht. Und dies würde ich Dir auch raten. Gespräche mit Freunden oder Kontakte im Netz können eine professionelle Therapie nicht ersetzen, weil sie auf einer anderen Ebene stattfinden. Es war bitter, anstrengend und schmerzhaft, all die Verletzungen und Demütigungen meiner Kindheit wieder erleben zu müssen, die Kälte meiner Eltern und die Sehnsucht nach Liebe und Wärme. Jetzt weiß ich etwas mehr über mich und die Mechanik der Verhinderung in mir und kann ein bißchen freier Entscheiden, was gut für mich ist und was nicht. Und ich kann mich ein bisschen mehr entscheiden, meiner Bestimmung zu Liebe nicht so viel entgegen zu stellen.

Wir können das Gute oder das Richtige nicht direkt anstreben, weil wir nicht wissen können, wie das Gute oder das Richtige aussieht. Aber wir können versuchen, der Liebe – unserer Bestimmung – nicht so viel entgegen zu stellen. Liebe und Beziehung, das sind die einzigen Dinge, die wirklich zählen, die wirklich satt machen und eine Sekunde von Glück schenken. Dazu bereite den Boden in Dir.

Ich wünsche Dir die Kraft und den Mut, Dich auf den Weg zu begeben.

Sean

Liebe Loreena,

ich möchte sehr allgemein antworten:

Das subjektive Gefühl, jemandem (oder „mir“) ginge es schlecht, ist die Begleiterscheinung eines Entwicklungsschubs.

Weil der Mensch nicht weiß, in welche Richtung er sich gerade entwickelt, hält er sich fest an dem an, was ihm bisher Halt gegeben hat. Die Entwicklung möchte ihn aber bewegen, Altgewohntes loszulassen und sich für Neues zu öffnen. Je stärker er sich anhält, desto kräftiger muss die Entwicklung an ihm zerren (

Liebe Loreen
Wir können darüber gern in einem nichtöffentlichen Rahmen darüber reden, bzw. schreiben, wenn Du willst. Meine Adresse ist [email protected].
liebe Grüsse.
Andrea Kasper