Ist der Mensche nach Augustinus wirklich prädestiniert? Wie geht das mit göttlicher Gnade zusammen

Hallo Forum!

Im Grunde steht meine Frage schon im Titel. Ich setzte mich gerade mit Augustinus und der Erbsünde auseinander und ich verstehe eines nicht:
Nach Augustinus ist die Gnade Gottes größer als alles und gerechte Werke tragen nicht dazu bei, später auch erlöst zu werden. Wenn aber allein die Gnade rettet ist dann meine Erlösung nach Augustinus nicht schon prädestiniert bzw. bin ich möglicherweise nicht von vorn herein bereits verdammt?

Sorry… das begreife ich nicht.

Mir ist klar, dass es nach Augustinus die Erbsünde gibt und sie die Hinwendung zu Gott verhindert, aber ist es nach Augustinus nicht so, dass manche Menschen schon von vorn herein keine Chance haben sich Gott zu zuwenden - Erbsünde hin oder her?

Kurzum: Ist die Erlösung des Einzelnen nach Augustinus prädestiniert?

Ich hoffe, Ihr könnt mir helfen! :smile:

Vielen Dank im Vorraus

Es gibt um die 8 Milliarden Wahrheiten zu Deiner Frage. Das ist die ungefähre Zahl der Weltbevölkerung.

Grüße mki

Naja… das ist ja nicht so hilfreich…

Aber okay, ich möchte spezifizieren:

Ich frage nicht allgemein ins Blaue hinein, sondern dezidiert danach, was Augustinus dachte und ob ich ihn richtig verstehe und diese „Schwäche“ in seiner Theorie gewollt ist.

Yepp.
Das siehst du, grosso modo, ganz Augustinisch.

Nach Augustinus hat der Mensch (= alle Menschen) auf Grund der Erbsünde ‚keine Chance‘, sich Gott zuzuwenden, es sei denn diesem Menschen wird die Gnade Gottes zu Teil, d.h. quasi die gnädige Vergebung der Erbsünde, durch die der Mensch zur Gottesliebe finden kann.

Ja.
Die spannendere Fragen wären dann aber z.B.:

  • was ist ein Einzelner? (dieses Konzept des Indivdualismus, das Jahrhunderte später der Protestantismus hochhält, hat Augustinus noch nicht) und vor allem:
  • was ist Prädestination? (rein von außen durch einen dem Einzelnen transzendenten Gott vorgegeben, der rein gar nichts mit dem Handeln des Einzelnen zu tun hat; ein tätiger Gott, der in der Seele des Einzelnen wohnt und dessen Tun gnädig zum Guten lenkt, so dass zumindest der Eindruck entsteht, der Mensch könne durch seinen eigenen Willen zum Guten finden, wenn nicht gar ein gewisser Spielraum für den menschlichen Willen innerhalb des Rahmens göttlicher Gnade verbleibt). Da lässt Augustinus, wie mir scheint, verschiedene Lesarten zu.

Gruß
F.

Ja richtig. Die Schwäche in seiner Theorie ist gewollt. Wohl nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Tiere, die nachweislich zu weit empathischeren Leistungen in der Lage sind als mancher Unmensch.

Grüße mki

Servus,

kommen in dem, was @kuchen90 von Augustinus wiedergibt, genauso dicht gesät vor wie blaue Regenschirmständer. Welchen der Begriffe hast Du nicht verstanden? Vielleicht ‚prädestiniert‘? Oder ‚Erbsünde‘?

Schöne Grüße

MM

Hallo aprilfisch,

Es ist der Satz von DIR: „kommen in dem, was @kuchen90 von Augustinus wiedergibt, genauso dicht gesät vor wie blaue Regenschirmständer“.

In @kuchen90 ´s Statement ist nur von Menschen die Rede. Aber möglicherweise stimmt Deine Annahme, dass es unzählbar viele blaue Regenschirmständer gibt. Was jedoch weder wahrscheinlich oder gar unbedingt/sicher gilt.

Ich halte Augustinus für gut genug (Mutmaßung), sich nicht nur auf Menschen festgelegt zu haben.

Gruß mki

Ich präzisiere. Es gibt ca. 8 Milliarden mögliche Wahrheiten. Tatsächlich vermindert sich die Zahl möglicher Wahrheiten dramatsich, je mehr und je öfter diese sich an unbestreitbaren Fakten (Quantengravitation, Klimaveränderung, Ansprüche) messen lassen müssen. Abgesehen von den Menschen die sich jeder Überprüfung entziehen. :smile:

Grüße mki

Oh vielen Dank FBH!

Ich mag zudem noch etwas ergänzen: Nach meinem Verständnis wird die Gnade dann dem Glaubenden zuteil. D.h. Augustinus positioniert sich gegen „Werkgerechtigkeit“ - was später ja auch den Augustinermönch Luther beeinflusst hat!

@mki

ich muss da Aprilfisch rechtgeben. Deine Beiträge fand ich nicht hilfreich und - sorry - überflüssig. Sie haben nichts mit der augustinischen Philosohie zu tun und meine Frage zielte allein in Richtung Metaphysik und nicht Richtung allgemeiner Ethik.

Eine zumindest mögliche Wahrheit.

Wenn die Eingangsfrage tatsächlich so dogmatisch motiviert gewesen sein sollte, hättest Du tatsächlich recht. Bedaure. :sweat_smile:

Hallo,

sofern du dich auf das Hauptstück der Augustinischen Gnadenlehre beziehst, nämlich seine Antwort auf die Anfragen des Simplicianus (De diversis quaestionibus ad Simplicianum, aus dem Jahr 397 ): Ja, hier kehrt er sich überraschend radikal gegen den hellenistisch geprägten Gottesbegriff der Philosophie, Kein Mensch hat auch nur das Gerningste auszurichten gegen die Entscheidung Gottes, wem er Gnade zukommen läßt und wem nicht. Apriori haben alle Menschen die ewige Verdammnis verdient. Nur wenige sind auserwählt, davor bewahrt zu werden.

Eine Gnadenlehre, die gnadenlos Konsequenzen zeigte in der Entwicklung christlicher Belehrung, Erziehung und vor allem politischer Werksamkeit. Augustinus dreht sich in der Abhandlung - unausgesprochen - um den Abschnitt im Paulusbrief an die Römer (Kap. 9.10-28), wo ja die uralte Streifrage neu aufgegriffen wird, die mit Genesis 25.23 und ff (die Zwillingsgeschichte Jakob und Esau) ihren Ursprung hat: Gott teilt in absoluter Souveränität zu, selbst da, wo es menschlichem Gerechtigkeitssinn vollkommen widerspricht. Radikale Abwendung von dem liebenden und sich um den Menschen in seinem Handeln liebevoll besorgenden Gott des hellenistischen Christentums. Kurt Flasch beschreibt es so: „Er [sc. Augustinus] schrieb die Todesurkunde des Gottes der Philosophen.“

Eine minimale Möglichkeit, sich einer positiven Gnadenentscheidung würdig zu erweisen, liegt allein in der Taufe. Minimalbedingung sozusagen (daher auch die Entscheidung für die Kindertaufe und die Erfindung des „Limbus puerorum“). Wieweit das nun mit einer radikalen Prädestinationthese koinzidiert, hängt von dem jeweiligen Prädestinationsbegriff ab, der gemeint sein soll. Denn die zahlreichen Differenzierungen der späteren Scholastik bei Abaelard, Wilhelm v.,Canterbury, Thomas v. Aquin, Albertus Magnus und anderen, sowie besonders der diesbezüglichen Auseinandersetzungen der Reformationszeit, waren im 4. und 5. Jhdt noch nicht möglich.

Immerhin bleibt ja dies aus dem hellenistischen Gottesbegriff erhalten: Für Gott gibt es keine Zeit, kein Vorher und Nachher. „Vorher“-Bestimmung ist somit ein fragwürdiges Element in dieser Fragstellung. Gottes Entscheidungen sind immer „jetzt“ (Meister Echhart). Das Entscheidende bleibt aber: Der individuelle Mensch (Augustinus hat ja die menschliche Individualität als erster, vor Thomas, Eckhart und Cusanus, in den Vordergrund der theologischen Anthropologie gestellt) hat keinerlei Einfluß auf den absoluten Willen Gottes …

Gruß
Metapher

So zumindest der „späte“ Augustinus, und sehr deutlich in der unten erwähnten folgenreichen Hauptschrift zur Gnadenlehre. Werke haben, wie erwähnt, keinerlei Einfluß auf die Gnadenzuteilung. Aber nicht, weil Werke der Liebe keine Rolle spielen, sondern weil die Zuteilung allein der absoluten Souveränität Gottes unterliegt.

Aber daraus folgt nicht, daß man nun beliebig mit dem Messer durch die Welt laufen darf. Durch die Sünde (in kirchlicher Diktion die „Tatsünde“ im Unterschied zur Erbschuld) geht das Individuum nämlich der durch die Taufe gegebenen Gnadenchance verlustig. Und hier kommt dann die Erlöserrolle Christi ins Spiel …

Er folgt darin Paulus, obwohl es bei diesem nicht ganz eindeutig ist.

Hallo,

eine finstere Vorstellung, die die Herren Paulus und Augustinus hier propagieren. Schopenhauer hat in (mindestens) einer seiner Schriften die empörende Absurdität dieses Dogmas zur deutlichen Sprache gebracht. Wie stehen denn die modernen Protestanten dazu? Ich kann mir nicht vorstellen, dass z. B. Margot Käßmann dieser Vorstellung anhängt.

Freundliche Grüße

myrtillus

Guten Abend kuchen90,
…bin ich möglicherweise nicht von vornherein bereits verdammt?

Gott verdammt „von vornherein“ überhaupt niemand.

Zu Deinen ernsthaften Ausführungen und Fragen möchte ich – soweit ich Dich verstanden habe - nicht mit hoch-philosophischen Gedanken antworten, sondern schlicht und einfach als überzeugter (evangelischer) Christ etwas sagen

Die Heilige Schrift betont von Anfang bis Ende:

Gott ist Liebe!

Warum sollte Gott seine Geschöpfe schon im Voraus einteilen in Gerettete und Verdammte, wie eine pervertierte Kirche die Menschen über Jahrhunderte weismachen will, um ihnen Angst einzuflößen und Macht über sie auszuüben?

Ob die Prädestinationslehre des Augustinus richtig ist oder nicht – das ist mir einfach nicht so wichtig. Darüber haben sich schon viele gelehrte Theologen geäußert.

Wichtig ist mir nicht so sehr Augustinus, sondern die Heilige Schrift und genauer: der Apostel Paulus, der für uns „Heiden“ (aus damaliger Sicht) maßgebend ist.

Paulus schreibt im Brief an die Römer in Kapitel 8, 39 ff:

Denn ich bin gewiss,
dass weder Tod noch Leben
weder Engel noch Fürstentümer
noch Gewalten,
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
weder Hohes noch Tiefes
noch keine andere Kreatur
mag uns scheiden
von der Liebe Gottes,
die in Christus Jesus ist,
unserm Herrn.

Kann ein Teil der Menschheit nach dieser Überzeugung gequält werden von Ewigkeit zu Ewigkeit (besser: von Äon zu Äon)?

Gott wird in Jesus Christus alle Menschen zurechtbringen, mit sich versöhnen, wie das andere Wort des Paulus in 1. Korinther 15, 28 besagt:

…auf dass Gott sei alles in allen.

Du bist von Gott als sein Geschöpf geliebt und niemand und nichts (siehe oben) kann Dich in seiner unendlichen Gnade und Güte aus seiner Hand reißen.

Herzliche Grüße
Walter VB

Servus,

Nö.

Nur in der Überschrift „Ist der Mensch prädestiniert?“

Und in der ganzen übrigen Ausführung (die übrigens kein ‚Statement‘ enthält) ist nur davon die Rede, wie in der Gnadenlehre des Augustinus das Verhältnis von Prädestination zu dem Erwerb von Gnade durch willentliche Zuwendung zu Gott zu verstehen sei.

Und diese Frage hat, wie mir scheint, weder mit dem Umfang der Weltbevölkerung noch mit der Empathie von Bartagamen mehr zu tun als mit blauen Regenschirmständern. Nebbich.

In diesem Sinne

MM

„Gnadenlehre“. Eine offenkundige zudem widersprüchliche Zuordnung? Eine Lehre, die keine Gnade vorsieht, dennoch Gnadenlehre zu nennen. Wie das?

Absolutismus gilt zwar unerbittlich (schließt Einwende aus lässt nach meinem Verständnis (…) dennoch AUSNAHMEN zu. Als Zeichen dafür, ob der Absolutist überhaupt noch Herr seines eigenen Willens ist und wirklich (durch aus doppeldeutig zu verstehen) und souverän handelt. Eine „Zuteilung“ wie Du formulierst (…), selbst da, wo es menschlichen Gerechtigkeitssinn vollkommen widerspricht wäre schlichter Totalitarismus.

Der Wille Gottes dürfte (!) in jedem Fall erkennbar bleiben müssen. Gesetz dem Fall, dass nichts zählen würde, in sofern, dass „selbst da, wo es menschlichem Gerechtigkeitssinn vollkommen widerspricht“) wäre Gottes Wille in keiner Weise mehr erkennbar. Die Metaphysik wäre ein Hirngespinst.

Die Erkennbarkeit hielte ich für UNABDINGBAR. Was hätte das MENSCHSEIN sonst überhaupt noch einen Sinn? Für´s Nichts? Um nicht zu sagen für´n A…?!

Grüße mki

Okay.

Geht auf mich. Sorry auch an @kuchen90

Nein. Sondern „Verhältnis von Erbsünde und Prädistination“.

Irrtum. Mein Einwand veranlasste @kuchen90 zu präzisieren, dass Ihre Frage einzig und rein dogmatisch in metaphysische Richtung zielte. Das zu klären sollte erlaubt sein. Bitte um Gnade, Recht so.

Grüße mki

Augustinus wusste nicht, was wir heute wissen. Nämlich, dass die Zeit ein Bestandteil unseres Kosmos ist, nicht aber im Jenseits existiert.
Gott sieht Anfang und Ende Seiner Schöpfung zugleich. Anfang und Ende unseres Lebens ebenfalls…
Gott beobachtet uns, bestimmt aber nicht unseren freien Willen. Also keine Prädestination!

Gott gibt uns jede Menge Gelegenheit, unsere Entscheidungen nach Seinem Willen in völliger Freiheit zu treffen. Durch Eingebung, durch Herbeiführen bestimmter Umstände. Das sind die Gnaden Gottes.
Das ist die Antwort auf die eingangs gestellte Frage.