Ist die AFD nun

Nachtrag: http://www.zeit.de/2003/32/Essay_Bauer

Nein.
Der Punkt ist, dass die Frage Nationalismus/Internationalismus innerhalb der kommunistischen Bewegung selbst ein zentraler Aspekt war.

Nicht an der Begriffsverwendung allein, sondern an diesem Begriff a) in Kombination mit Begriffen wie „Untergang des“, „Gefahr des“, „Verteidigung des“ und b) in einem bestimmten Kontext.

Das nehme ich dir nie im Leben ab, dass der Begriff „Abendland“ verwendet wurde, dass das Akronym besser klingt :wink:

Damit will ich natürlich noch lange nicht PEGIDA in den Nationalsozialismus oder auch nur voll in das Denken der 20er/30er Jahre einordnen. Aber eine begriffliche Anspielung darauf behaupte ich schon.

Da stimmt natürlich voll und ganz.
Mir gings aber an dieser Stelle nur um bestimmte Begrifflichkeiten bzw. Deutungsmuster.

Gruß
F.

Nö. Der propagandistisch kommunizierte, internationalistische Anspruch wurde ja nicht aufgegeben, nur weil der Sozialismus erst einmal in einem Land/Nationalstaat umgesetzt werden sollte. Sonst hätte man das aufgesetzte Blabla von den sozialistischen Brüdervölkern nicht benötigt, sondern mit offenen Karten gespielt. Fakt war ja wohl, dass das System vielen Völkern mit Gewalt aufgedrückt und durch Besatzung abgesichert wurde.

Anschliessend hielt man sie mittels eines real exklusiven Nationalismus, dem der internationalistische Anspruch (Sozialismus in einem Land, dann Land für Land bis zum Anschluss der Weltrevolution) übergestülpt war bei der Leine. Erst mit China nach 49 konnte die UdSSR (und hierin wiederum verwirklicht der exklusive Nationalismus der Russen) ihr Modell nicht mehr durchsetzen und es kam prompt zu Grenzkriegen, anderenorts zu Stellvertreterkriegen. Zwei expansive Imperien mit „rotem Anspruch“, aber exklusivem, nationalistischem Kern (und Führerstaatsmodell) strebten um die Führerschaft in der Weltrevolution.

Das schlimmste was diesen Imperien hätte passieren können, wäre die Verwirklichung dieser internationalistische Weltrevolution (durch die Bürger) gewesen, weil dies zu ihrer Entmachtung hätte führen müssen.

Dann müsstest Du aber auch „Verteidigung der Demokratie in Westeuropa gegen…“ (=eine der zwei geographischen Säulen der NATO) gleichsetzen. Ebenso in den Varianten mit „Untergang“ und „Gefahr“.

Nein, es wurde in Rückgriff des historischen Konflikts Abendland vs, Morgenland verwendet. Orient vs. Okzident und Christentum vs. Islam. Aber mit dem Stichwort Christentum konnte man in der Gründerregion nicht mehr so viel anfangen wie zu Zeiten der Befreiuung Jerusalems oder der Verteidigung Wiens. Das waren die Spätfolgen des „gottlosen“ Sozialismus :joy:.

Mit Anspielung „darauf“ greifst Du vielleicht bereits etwas zu weit. Rechtsextreme Nationalisten haben nicht automatisch etwas mit der sehr speziellen NS-Ideologie am Hut, würden sie gar mehrheitlich bekämpfend ablehnen. Und bei der AfD, vermehrt bei PEGIDA tummeln sich sicherlich genug radikale bis extreme Rechte.

Ein waschechter Nationalsozialist (also Neo-), der gerne wieder das Dritte Reich erschaffen wollte, kann sich im Begriff Abendland natürlich genauso schnell und gut wiederfinden wie im Okzident (so denn seine Bildung ausreichend ist) oder christl. Europa (falls er den anaphylaktischen Schock wg. EU/Brüssel überlebt). Das gelingt aber auch dem polnischen Sozialisten, Demokraten. Ich gehe nicht davon aus, dass Bachmann und Konsorten zuvor sprachanalytische Gutachten eingeholt haben. Sehr wohl aber davon, dass sie angesichts der Entwicklungen (Migrantenanteil in westl. Großstädten) von einer Bedrohungssituation/Gefahr ausgehen.

Und der aktuelle Weltkonflikt Demokratie vs. Islamismus ist ebensowenig vom Tisch wie Demokratie vs. Diktatur oder Süd vs. Nord. Nicht einmal Demokratie vs. Kommunismus ist abschliessend geklärt, angesichts der Politik Chinas, das sich als regionaler Hegemon betätigt.

Gruß
vdmaster

Dieses „erst einmal“ wurde nicht einmal von Zeitgenossen wie Trotzki geglaubt. Der sprach ja schon Mitte der 30er nicht zuletzt wegen dieser Nationalisierung des Marxismus-Leninismus durch Stalin von der 'Verratenen Revolution".

Der universalistische Grundanspruch der Theorie wurde natürlich genauso wenig aufgegeben wie ein gewisses Hegemonialstreben in der Praxis. Das ist aber kein Internationalismus im eigentlichen Wortsinn.

Nein.
Der Begriff „Abendland“ denotiert und konnotiert definitiv etwas anderes als der geographisch-politische Begriff „Westeuropa“
Zum Beispiel deshalb, weil er einen klaren Gegenbegriff hat („Morgenland“) und deshalb wesentlich ein binärer Begriff ist, der zudem die eine Seite der Differenz höher wertet als die andere (der Abend am Ende des Tages ist fortgeschrittener, reifer usw. als der Morgen)

Ich schätze diese Neue Rechte (zu der ich auch Teile von Pegida und der AfD zähle) auch eher nicht ‚nazi‘ ein, sondern „vor-nazi“.
Für mich knüpfen sie an Bewegungen der 20er Jahre an.
Manche „Neurechte“ ganz explizit.

Gruß
F.

Äh, real hat er nicht mehr viel machen können, vor allem mit Eispickel im Hirn.

Da würde ich zustimmen. Und zwar nicht nur die italienische Variante, denn (Ultra)nationalistische Autoritäre gab es z.B. in GB und F ebenfalls.

Falsch: Osteuropa. Man schaue auf den Ost-West-Konflikt respektive Demokratie vs. Kommunismus/Sozialismus. http://www.kas.de/wf/de/71.9148/

Boah, das ist aber echt bemühter Quark, der aus einem Nasenloch gezogen wurde :grin:. Der Morgen ist frisch und unverbraucht, es wird hell statt dunkel, er bringt die Sonne und damit das Leben. Merkste was, oder? :wink:

Was allerdings nicht heissen soll, dass Europa sich nicht als kulturell fortschrittlicher usw. sähe und sah. Dafür gab und gibt es auch reichlich gute Gründe.

Gruß
vdmaster

1940 war der Drops eh schon gelutscht - mit oder ohne Eispickel.

Westeuropa?
War unser Leitbegriff des Ost-West-Konflikts nicht eher „der Westen“ oder gleich „die freie Welt“?

Diese Begriffe haben in der Tat eine ähnliche Binarität und emotionale Aufladung wie „Abendland“.

Natürlich merk ich das.
Ist doch klar, dass der Morgen auch positiv besetzt werden kann.
Dir wird aber bekannt sein, dass die bildhafte/metaphorische Gleichsetzung des Tageslaufs mit dem Lebenslauf des Menschen (man denke an Ödipus und das Rätsel der Sphinx; man denke an den „Lebensabend“ und viele andere Begriffe) eines der tiefsten Bilder der Menschheitsgeschichte ist.

Das Junge ist eben impulsiv, leidenschaftlich, sexuell, kräftig usw.
(eine entsprechende Romantisierung des Nahen Ostens gabs ja durchaus, v.a. im 18. und 19. Jahrhundert, und gibts auch heute teilweise noch).
Das Alte ist vernünftig, aufgeklärt, reif, erfahren usw.
Lies dich mal in Hegel ein, da findest du diesen Zusammenhang von Abend, Preussen/Westmitteleuropa und Vernunft perfekt wiedergegeben. Nicht in einzelnen Sätzen, sondern von der ganzen Systematik seines geschichtsphilosophischen Denkens her.

Nur weil Begriffs- und Metapherngeschichte „weiches“ Wissen ist, also ohne gesetzesmäßige Aussagen auskommen muss, ist sie noch lange nicht beliebiger Quark :wink:

Gruß
F.

Moin,

„freie Welt“ oder „der Westen“ ginge auch. Je nachdem, ob man die USA (samt Anhängsel Kanada) einbeziehen wollte oder nicht. Bilder wie „Abendland“ wurden ja auch nicht auf Europa allein bezogen, sondern konnten - je nach Kontext und Zeit - ebenfalls die USA umfassen. Sicher hing dies vom thematischen Kontext und vom Adressaten ab.

vdmaster

… und vor allem entstammen die Begriffe „(Verteidigung der) freie(n) Welt“ und „(Verteidigung des) Abendland(s)“ eben unterschiedlichen politischen Diskursen (wenn auch mit Überlappungszone).
Die „freie Welt“ verteidigt schon auch mal ein Linksliberaler, während ein das „Abendland“ verteidigender Rechtsausleger mit der „freien Welt“ meist ziemlich wenig anfangen kann und stattdessen lieber die Führer unfreier Welten wie Putin anhimmelt.

Gruß
F.

Defintiv nö! Ein Rechtsaußenableger. Der wird ein richtiger Fan der „gelenkten Demokratie“ sein. Vor allem ein ostdeutscher, da dort der Antiamerikanismus zugunsten einer lang anerzogenen Russophilie überwiegt. Das kann man gerade am Krim-Konflikt sehr schön ablesen.

Und über die Fangemeinde unter der Wählerschaft der Linksparei würde sich noch ein viel freundlicheres Bild von Putin ergeben. Da ist die ach so konservative CDU-Wählerschaft deutlich ablehnender.

Gruß
vdmaster