Man kann sich im Link die ganze Rede anhören. Flocken bezog sich ganz offensichtlich auf reale Vorfälle, selbst wenn die Pinkelposse schon recht lange her ist. Warum sehen sich die Parlamentspräsidenten so oft genötigt, in die Reden inhaltlich einzugreifen, indem sie Sanktionen aussprechen, wenn ihnen der Inhalt nicht gefällt?
Im EU-Parlament will man wohl unterdessen Schulz’ Erbe antreten, und das mit einer Änderung der Geschäftsordnung: Doch mit dieser Art der Offenheit soll es laut einer neuen Regel nun vorbei sein. Kommt es zu „diffamierenden, rassistischen oder fremdenfeindlichen Äußerungen oder Verhaltensweisen“, darf der Parlamentspräsident den Livestream aus dem Plenum neuerdings unterbrechen. Noch wichtiger: Er kann die entsprechende Passage auch aus dem Onlinearchiv löschen.
Auffällig die Wahl der Begriffe: Da ist von „fremdenfeindlichen Äußerungen“ die Rede, die unterbunden werden müssten. Was ist denn fremdenfeindlich? Wenn man sich etwa auf die unzähligen Integrationsschwierigkeiten muslimischer Einwanderer bezieht, darf man das künftig nicht mehr sagen? Muss man im Umkehrschluss davon ausgehen, dass nur „fremdenfreundliche“, also einwanderungs- und islamfreundliche Aussagen zulässig sind?
Waren die Parlamente nicht einmal die Horte, in denen man alles sagen durfte, solange es nicht die persönliche Ehre anderer Abgeordneter betrifft? Es steht sinngemäß sogar im Grundgesetz (Art. 46 Abs. 1): „Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.“
Können die Vertreter der etablierten politischen Strömungen nicht mit Andersdenkenden umgehen? Muss man sich vor diesem Hintergrund Sorgen um unsere parlamentarische Demokratie machen?