Ist diese Figur ein Doppelschlag?

Hallo

Ich antworte etwas spät, dafür aber ausführlich… :wink:

Laut Hans-Martin Linde „Kleine Anleitung zum Verzieren alter Musik“ ist auch die Figur C H C D eine Form des Doppelschlags auf der Note C.

Das ist ein Spezialfall, und Linde schreibt ausdrücklich, dass die Form D-C-H-C seit Mitte des 18. Jahrhunderts Standard ist und von Bach, Scarlatti, Couperin, Rameau und anderen nur so verstanden wird. Da fehlt ausser Händel schon mal kaum ein bedeutender Name dieser Epoche. Die Möglichkeit besteht also überhaupt nur bei Musik vor ca. 1750.

Darüberhinaus kommt es immer darauf an, ob es darum geht:

a) wie verschiedene Theoretiker in ihrer jeweiligen Epoche eine bestimmte Figur benennen bzw. die Ausführung einer bestimmten Verzierung beschreiben,

b) sich in einem konkreten Stückzusammenhang zu überlegen, wie eine bestimmte Verzierung ausgeführt werden soll

oder

c) mit welchem Begriff wir heute eine bestimmte Figur bezeichnen.

Und da fällt die Beschreibung bei Linde in Kategorie a , eventuell auch b , deine Frage aber in Kategorie c.

A propos: Du fragst nach „Songs“, meinst du damit Popsongs, Jazzstandards, Chansons, oder etwas anderes?

Jedenfalls versteht man heutzutage unter einem Doppelschlag eben das, was bei Linde unter „Grundform c)“ bezeichnet ist. [

sieht es übrigens ebenso.] Und vor allem, wenn es um Musik geht, die deutlich nach 1800 entstanden ist, wie in deinem Fall.

Korrigiere mich, wenn diese Annahme falsch ist, und gib mir ein konkretes Beispiel.

Noch ein paar Details:

In den Quellen des 18. Jahrhunderts, die ich zu Hause griffbereit habe:
| – C. Ph. E. Bach: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen
| – L. Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule
| – Türk: Klavierschule [Achtung, grosses PDF]
| – Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spi…

schliesst bei den ersten drei der Doppelschlag immer mit der Hauptnote ab, ebenso in Robert Doningtons (schon etwas älterem, aber immer noch sehr guten) Standardwerk „The interpretation of early music“, das es hier auch online gibt (Achtung, grosses PDF: S. 207 ff. im Buch = S. 211 ff. des PDF).

Nur in der Flötenschule von Quantz wird der Doppelschlag so dargestellt wird wie die Möglichkeit e) bei Linde, aber es ist unklar, welcher Ton dabei die Hauptnote sein soll. Doch entweder schliesst auch in dem Fall der Doppelschlag mit der Hauptnote, oder er ist sogar bis auf den Vorhalt identisch mit der Lindeschen Variante c). (Interessanterweise ist Linde Flötist.)

Schöne Grüsse
dodeka

2 Like

Ich stoße in diversen Songs auf eine bestimmte Verzierungsfigur und würde nun gerne wissen, ob es sich dabei um eine Art des Doppelschlags handelt. Es ist eine betonte Nebennote, die sich zuerst nach oben, dann zu ihrem Zielpunkt nach unten auflöst.
Beispiel: E - D E D C. E ist der Beginn der Figur, deshalb mit einem Bindestrich abgesetzt, D die betonte Nebennote. Vielen Dank im Voraus!

Hi

Was du da beschreibst, ist (wenn schnell ausgeführt) in der klassischen Musik ein (kurzer) Triller auf D, der in der Klassik standardmässig mit der oberen Nebennote beginnt, hier also das E. In der Romantik (ich vereinfache etwas) beginnt man den Triller dann auf der Hauptnote, sodass deine Figur dann ein Triller mit Vorhalt wäre.

Ein Doppelschlag umspielt die Hauptnote und endet dann auf ihr. Er hätte in der Klassik (in seiner etwas häufigeren Variante von oben) die Form E-D-C-D und als Variante von unten C-D-E-D. Auch hier beginnt die in der Romantik üblichere Form mit der Hauptnote, das wäre dann also D-E-D-C-D bzw. D-C-D-E-D. [Dabei kann statt C auch immer Cis (C#) vorkommen. Oder auch Es (Eb) statt E. Oder auch beides kombiniert…]

Wobei die von mir als „romantisch“ bezeichneten Formen auch oft in der Klassik vorkommen (je nach Zusammenhang) und umgekehrt.

Noch Fragen? :wink:

Gruss
dodeka

Nachtrag
Das C in deinem Beispiel gehört nicht mehr zum Triller, sondern ist dessen Auflösung nach unten.

Hallo!

Vielen Dank für Ihre Antwort!

Laut Hans-Martin Linde „Kleine Anleitung zum Verzieren alter Musik“ ist auch die Figur C H C D eine Form des Doppelschlags auf der Note C. Das würde doch zu der Figur in meiner Frage passen (D E D C)? Nur dass in diesem Fall zuerst die obere und dann die untere Nebennote gespielt wird.

Danke!

Vielen Dank für die detaillierte Antwort!

Ich bin nur Hobby-Songwriter, der sich autodidaktisch der Musiktheorie bedient. Da zieht man schon mal falsche Schlüsse. :wink:

Die Figur, die ich meine, ist eine Nebennote, die sich zuerst nach oben und dann nach unten auflöst. Sie ist mir des Öfteren in Popsongs begegnet. Mir fallen grade nur zwei Beispiele ein: „Weak in the presence of beauty“ von Alison Moyet, im Chorus auf „sence of beau-ty“ und am Anfang von Annie Lennox’s „Dark Road“ im Melisma auf „says“.

Vermutlich wird die Figur verwendet, um Widerstand in der Melodie zu erzeugen (wie bei Schillinger in seiner Kompositionslehre beschrieben). Da sie häufig auftaucht, wird sie wohl bewusst eingesetzt. Ich bin bisher noch in keinem Theoriebuch auf eine Erklärung gestoßen, deshalb meine Frage.

Ich bin im Buch „Key Jazz Rhythms“ von Fred Lipsius auf eine Lösung gestoßen: Dort wird eine Figur beschrieben, die „Turn“ genannt wird (das englische Wort für „Doppelschlag“) und der von mir genannten entspricht (E-F-E-D). Im Jazz geht man offenbar lockerer mit dem Begriff um, denn auch eine kurze obere Nebennote wird dort als „Turn“ bezeichnet.