Ist dieser 88-Wort-Satz korrekt?

Hallo,

unten steht ein 88-Wort-Satz über Martin Luther. Es geht mir NICHT darum, Stil oder Inhalt der Autoren zu besprechen (Ausdrucksweise, Satzlänge, Behauptungen). Ich würde nur gern wissen, ob der Satz rein grammatisch i.O. ist:

Aus diesem Konflikt kommt der Nobody aus Sachsen nicht mehr heraus, sondern gerät immer tiefer hinein und entwickelt sich dadurch im Lauf der Jahre zum weltbekannten Ketzer, der dem Papst die Stirn bietet, zum Rebellen, der nur noch Gott und dessen Wort als einzige Autorität anerkennt, und darum weder den Tod noch den Kaiser oder irgendeine andere irdische Macht fürchtet, der den Mönchstand als nichtsnutzig und Klöster zu überflüssigen Einrichtungen erklärt, daher seine Mönchskutte auszieht, und verlässt das Kloster - Skandal - eine entlaufene Nonne schwängert und heiratet.

Für mein Empfinden ist der Satz nicht in Ordnung. Wenn man ihn nicht gleich in mehrere Sötze zerlegt (aber darum geht es nhier icht), müsste man ihn zumindest an der von mir gefetteten Stelle etwas ummodeln, oder? Hier nochmal das Original, diesmal mit meiner Fettung:

Aus diesem Konflikt kommt der Nobody aus Sachsen nicht mehr heraus, sondern gerät immer tiefer hinein und entwickelt sich dadurch im Lauf der Jahre zum weltbekannten Ketzer, der dem Papst die Stirn bietet, zum Rebellen, der nur noch Gott und dessen Wort als einzige Autorität anerkennt, und darum weder den Tod noch den Kaiser oder irgendeine andere irdische Macht fürchtet, der den Mönchstand als nichtsnutzig und Klöster zu überflüssigen Einrichtungen erklärt, daher seine Mönchskutte auszieht, und verlässt das Kloster - Skandal - eine entlaufene Nonne schwängert und heiratet.

Rein technisch könnte man z.B. texten (hier eine mögl. Korrektur):

Aus diesem Konflikt kommt der Nobody aus Sachsen nicht mehr heraus, sondern gerät immer tiefer hinein und entwickelt sich dadurch im Lauf der Jahre zum weltbekannten Ketzer, der dem Papst die Stirn bietet, zum Rebellen, der nur noch Gott und dessen Wort als einzige Autorität anerkennt, und darum weder den Tod noch den Kaiser oder irgendeine andere irdische Macht fürchtet, der den Mönchstand als nichtsnutzig und Klöster zu überflüssigen Einrichtungen erklärt, daher seine Mönchskutte auszieht, das Kloster verlässt und - Skandal - eine entlaufene Nonne schwängert und heiratet.

Oder ist das ursprüngliche Zitat ganz oben auch schon ok?

Danke!

Hallo @Henrik_Meier,
deine Korrektur ist richtig. Zusätzlich solltest du noch das Komma vor „und darum weder den Tod“ streichen.
Liebe Grüße
vom Namenlosen

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Hier habe ich dreimal lesen müssen, um die Verbindung zur Nonne zu verstehen. Bei einer Aufzählung steht üblicher weise das „und“ vor dem letzten Begriff:

Ich habe hier einige Primzahlen, nämlich die Eins, die Zwei, die Drei und die Fünf.

Als richtig würde ich es so empfinden:

„… daher seine Mönchskutte auszieht, das Kloster verlässt, eine entlaufene Nonne schwängert und heiratet.”

Wobei mir nicht klar ist, worauf sich der Skandal beziehen soll. Auf den Auszug aus dem Kloster, auf das Entlaufen der Nonne, auf den Geschlechtsverkehr?

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Also genau so, wie er OP den Satz verbessert hat.

Im verbesserten Satz ist es imho ziemlich eindeutig, dass sich der Skandal auf die Nonne bezieht.

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Nein, nein, die Eins ist keine Primzahl. :flushed:

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Ich kenne noch die alte Definition, etwa so:

„Eine Primzahl ist eine Zahl, die nur durch 1 und durch sich selbst ohne Rest teilbar ist.”

Seit wann ist die Eins ausgeschlossen?

Eine Erklärung ist unter dem von @Der_Namenlose angegebenen Link hier zu finden …

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Hallo zusammen, Danke für Euren Zuspruch, und zumindest in diesem Fall wurde mein Sprachgefühl bestätigt (das ist nicht immer so).

Wie gesagt möchte ich selbst hier nichts Inhaltliches diskutieren, von mir aus aber aus demselben Luther-Buch noch etwas Sprachliches:

Die alten Eliten in der Kirche und im Staat [zu Luthers Zeit] hatten die revolutionären Folgen des Buchdrucks nicht auf dem Schirm

Kann man das sagen, wenn gerade erst das Buch - noch nicht der Bildschirm - erfunden wurde? Mich stört das.

Hallo @PeterSilie,
hier findest du eine historische Behandlung dieser Fragestellung. :slight_smile:
Liebe Grüße
vom Namenlosen

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Imho ja, da es ja einfach eine Redewendung aus unserer Zeit ist. Würde so ein Satz in einem historischen Roman stehen, würde er mich aber sehr stören. :slight_smile:

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Hallo @Henrik_Meier,
klar kann man das sagen. Der Text richtet sich ja an Leser, die diese Wendung kennen. Genauso gut kann man auch so etwas schreiben wie

  • Die Ureinwohner Afrikas machten sich vor einigen Jahrtausenden auf die Socken und besiedelten Europa.
  • Beim Turmbau zu Babel verstanden die Arbeiter nur noch Bahnhof.
  • Als Alexander der Große gegen den übermächtigen Perserkönig ins Feld zog, dachten seine Zeitgenossen, er hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Die Wendung etwas auf dem Schirm haben hat ja die übertragene Bedeutung an etwas denken oder etwas im Kopf präsent haben. Das kann man auch auf die Menschen früherer Zeiten anwenden.

Liebe Grüße
vom Namenlosen

Hallo Penegrin und Namenloser,

Danke für Eure Kommentare und Beispiele.

Die Unterscheidung zwischen Roman und Biografie ist interessant.

Ich persönlich würde trotzdem auch in Sachbüchern auf Redewendungen verzichten, die in der beschriebenen Zeit noch nicht angewendet worden sein konnten (es sei denn, ich wollte bewusst „schief“ formulieren). Aber jetzt weiß ich, dass es eher meine persönliche Vorliebe ist und andere sich nicht dran stören.

Die Beispiele vom Namenlosen gruseln mich alle leicht.

Die Betonung lag aber eher auf historisch als auf Roman :wink:

Nein, da bin ich ganz bei dir. In einem Sachbuch würde ich generell auf Redewendungen verzichten. Für mich wirkt das ganz schnell ‚unprofessionell‘.

Das Beispiel mit „auf dem Schirm“ stammt ja aus einem 2016er, betont flotten, Sachbuch über Luther und Katharina von Bora (das hatte ich bisher nicht gesagt). Würdest Du dort also „auf dem Schirm“ auch nicht akzeptieren?

Es gibt in dem Buch auch die „Ketzer-Erledigungsmaschine“ und „die Profis aus Rom“ (Papst + Co). Sowas gefällt mir sogar. Und es gibt Sätze wie:

Und so war nun erst einmal Wahlkampf im Heiligen Römischen Reich, und dabei ging es zu wie in der FIFA und dem IOC. Es flossen reichlich Bestechungsgelder

Der stört mich auch nicht, denn die Autoren vergleichen alte und neue Zeit (kein Kommentar zum Inhaltlichen). Dagegen im ursprünglich diskutierten Satz

Die alten Eliten in der Kirche und im Staat [zu Luthers Zeit] hatten die revolutionären Folgen des Buchdrucks nicht auf dem Schirm

vermischen sie alte und neue Zeit, und das stört mich.

Ich würde das ganze Buch nicht akzeptieren :smile:

Ich finde es grundsätzlich eh gut, wenn Sachbücher leicht zugänglich geschrieben werden. Für mich als studierten Historiker ist das aber in dem Fall nix. :wink:

Der 88-Wörter-Satz gefällt mir sehr gut, aber gerade das Beispiel mit der Fifa würde mich beim Lesen eher stören. Auch wenn es die Kaiserwahl wirklich sehr treffend beschreibt.