Servus Gemeinde,
das wird jetzt etwas länger hier und die Überschrift deutet auf eine Fragestellung hin, die einfach genauerer Erläuterung bedarf.
Es geht um den bald 15jährigen Sohn meiner Lebensgefährtin, mit dem ich nun schon seit Anfang vergangenen Jahres in einem Haushalt lebe, dazu gehören natürlich seine Mutter sowie die 20jährige Schwester. Die Eltern sind geschieden, zum Vater besteht guter Kontakt und die Kinder sind im Wochenwechsel entweder bei ihm oder bei uns. Von früher Kindheit an war den Eltern irgendwie klar, dass mit dem Jungen etwas los sei, eine echte Diagnose wurde jedoch niemals angestrebt, irgendjemand vor meiner Zeit sprach mal von ADHS und damit hatte es sich auch schon. Kein Therapieversuch, kein gar nichts, zumal der Knabe die Zusammenarbeit mit psychologischem Personal in der Vergangenheit nahezu komplett verneinte. Dafür aber tagein tagaus diverse Kriege mit dem Jungen. Seit ich nun im Haus bin, stellt sich mir die Situation wie folgt dar:
Er verfügt über nahezu keinerlei soziales Gefühl, keinerlei Empathie, kann weder erkennen, dass andere Menschen andere Interessen als die seinen verfolgen, hilft im Haushalt oder sonst wo nur unter härtesten Zwangsandrohungen (in der Vaterwoche das gleiche desinteressierte Verhalten, obwohl der Vater einen windelweichen Kuschelkurs mit dem Knaben fährt)…er kann keinerlei Leistung bringen, bei jedem noch so geringen Anspruch versagt er, schiebt auf, bricht ab. Hausaufgaben…eine Riesenkatastrophe bis hin zu Schreikrämpfen. Gesprächsthemen, die sich nicht in seinem eingeschränkten Interessensfokus befinden, kann er nicht folgen und verlässt nach etlichen Fehlversuchen, die Themen auf seine Interessen zu lenken, wutentbrannt den Raum. Egal, wer am Tisch sitzt, ich allein, seine Mutter und Schwester, wer auch immer, der Knabe versteht nicht, dass in Anwesenheit von Erwachsenen und natürlich auch von Frauen seine primitiven, pubertären Fäkalwitzchen komplett unangebracht sind… den Unterschied zwischen den Kids vom Schulhof und einer gänzlich anderen Gesellschaft nimmt er grundsätzlich nicht war. Er lebt komplett in seinem Tunnel, wozu exzessives Playstationgaming bis in den frühen Morgen ebenso gehört wie auch so allerlei Niveaulosigkeiten auf seinem Handy, mit welchem er alle Anwesenden ständig nervt. Hinzu kommt, dass der Junge nicht filtern kann, was er sagt, wann er etwas sagt und wem er etwas sagt… was ihm durchs Gehirn fährt, wird umgehend rausgehauen, was schon allein einen gemeinsamen Supermarktbesuch unfassbar anstrengend macht. Einer erzählt am Küchentisch einen Witz, den der Junge, immer noch am Küchentisch, umgehend in seine Erzählungen mit einstrickt, als hätte er es selbst so erlebt. Dieses Nichtfiltern zeigt sich auch am Handy, jeder für andere noch so uninteressante Youtube- Beitrag wird sofort in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gestellt. In ihm wohnt eine ständige Unruhe und Rastlosigkeit, Konzentrationsfähigkeit ist ebenso schwach ausgebildet wie die Fähigkeit zum systematischen Arbeiten. Natürlich wird alles abgebrochen, sobald es anstrengend wird, sei es ein Sportverein, der Schlagzeugkurs, eben alles.
Was kann er gut? Er besitzt m.E. einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ist duchaus in der Lage, schwierigere Sachverhalte zu verstehen, aus populärwissenschaftlichen Sendungen bezieht er mehr Wissen als aus dem Schulunterricht, solche Sachen saugt er auf wie ein Schwamm. Seine Interessen sind eher technisch ausgerichtet, Einfacheres Handwerk, Rennautos, Kriegsgefährt, Wesen aus Fantasyfilmen.
Mir stellt es sich so dar, dass seine Eltern beide Angst vor der Konfrontation mit ihm haben, sein Vater noch viel mehr als die Mutter, die kräftemäßig und nervlich am Ende ist und zuweilen das Schreiben eines Einkaufszettels schon als nicht zu bewältigende Herausforderung erlebt. Wenn ich mir nun seine Situation ein paar Jahre später vorstelle, wenn es keinen Welpenschutz mehr gibt, dann sehe ich ihn im Alltag gesellschaftlich, beruflich und privat vor die größten Probleme gestellt.
Ich bin natürlich überhaupt kein Experte und auch kein Küchentischpsychologe, denke aber dass hier etwas sehr tief wurzelndes vorliegt, und wenn ich z.B. lese, was eine Vera Birkenbihl über ihren eigenen Asperger Autismus geschrieben hat, so erkenne ich sehr viel davon in ihm wieder.
Es ist mit Sicherheit nicht alles mit der Pubertät zu erklären, es wächst sich auch nichts aus, und deshalb möchte ich hier einfach mal eine Stoßrichtung erfahren, in welche Richtung man bei dem Jungen denken sollte. Was könnte bei ihm vorliegen, wo kann man ansetzen?
Über Wegweisendes freue ich mich total und danke schon jetzt